Unterzuckerungen bei Nicht-Diabetikern
Wenn der Blutzuckergehalt unter den festgesetzten Wert von 40 mg/dl fällt, spricht man von einer Unterzuckerung (Hypoglykämie). Es können unterschiedliche Symptome wie zum Beispiel Zittern, Heißhunger, kalter Schweiß, Krämpfe oder Bewusstseinstörung auftreten, die in ihrer individuellen Stärke, Reihenfolge und Anzahl der verspürten Symptome variieren können.
Es existieren jedoch auch andere Erkrankungen, die mit Symptomen, vergleichbar mit denen einer Unterzuckerung, einhergehen können. Schwere psychische Erkrankungen können Symptome wie Zittern oder Unruhe aufweisen. Kalter Schweiß muß nicht nur infolge einer Unterzuckerung auftreten, sondern kann krankhaft bedingt sein (Hyperhidrose). Zerebrale Anfallsleiden gehen oft mit Symptomen wie Zittern, Krämpfen und Bewußtlosigkeit einher. Unruhe, Zittern, Kaltschweißigkeit können ebenfalls ein Ausdruck von Herzerkrankungen sein. Es ist die Aufgabe des Arztes, diese Symptomatik differentialdiagnostisch abzuklären.
Treten bei ansonsten gesunden Menschen Unterzuckerungen auf, sollte abgeklärt werden, ob es sich dabei vielleicht um ein Insulinom handelt. Insulinome sind in der Regel gutartige Tumoren der Bauchspeicheldrüse (Pankreas), welche Insulin produzieren. Die Diagnose wird durch endokrinologische Untersuchungsmethoden gesichert. Dieser sehr seltene Tumor tritt bei Frauen doppelt so häufig auf als bei Männern und kann prinzipiell in jedem Lebensalter auftreten, das durchschnittliche Manifestationsalter liegt jedoch bei 50 Jahren. Wenn es sich um einen einzelnen Tumor handelt, kann dieser durch eine gewebeschonende Herausnahme des Knotens (Enukleation) entfernt werden. Handelt es sich jedoch um mehrere Knoten, wird in der Regel die Bauchspeicheldrüse teilweise oder ganz entfernt (Pankreasresektion).
In weniger als 10 Prozent der Fälle treten Insulinome in Verbindung mit der sogenannten multiplen endokrinen Neoplasie (MEN) auf und ist hier mit einer Überfunktion der Nebenschilddrüsen verbunden. Insulinome haben einen geringen Durchmesser, der bei maximal 1,5 cm liegt, so daß die Lokalisation vor der Operation auch mit modernen bildgebenden Verfahren wie Sonographie, Computertomographie und Kernspintomographie nur zu etwa 90 Prozent möglich ist.
Bei einer verminderten Nebennierenrindenfunktion (Morbus Addison) treten neben anderen auch die Symptome einer Unterzuckerung auf. Diese Erkrankung wird mit Kortison behandelt.
Schwere Unterfunktionen der Schilddrüse oder der Hirnanhangdrüse sind durch Störungen des Hormonhaushaltes gekennzeichnet und können Unterzuckerungen hervorrufen. Diese Erkrankungen werden durch eine Hormontherapie behandelt.
Die alimentäre Hypoglykämie (früher auch als reaktive Hypoglykämie bezeichnet) ist eine bestimmte Form der Unterzuckerung bei der nach Aufnahme aufgeschlossener Kohlenhydrate ohne Ballaststoffe die Insulinausschüttung stimuliert wird, während gleichzeitig eine schnelle Entleerung des Magens, bzw. ein rascher Verbrauch an Kohlenhydraten erfolgt. Diese Form der Unterzuckerung kommt aber auch bei Menschen vor, die zuvor am Magen operiert wurden. Als Folge der verlängerten Insulinwirkung sinkt der Blutzuckerspiegel stark ab (unter 40 mg/dl) und es treten Symptome der Unterzuckerung wie Zittern, Unruhe und Kreislaufstörungen auf. Die Behandlung der alimentären Hypoglykämie erfolgt durch eine Umstellung auf ballaststoffreiche Kost unter Vermeidung von freien Zuckern. Es erweist sich manchmal als nützlich, mehrere kleine Mahlzeiten über den Tag verteilt anstelle von 3 üppigen zu sich zu nehmen.
Weitere Gruppen, bei denen Unterzuckerungen auftreten können, sind:
Bei Patienten, die unter angeborenen Stoffwechselerkrankungen leiden z.B. an der Glykogen-Speicherkrankheit, Fructose-Intoleranz oder Galaktosämie
Patienten, denen der Magen entfernt wurde
Krebspatienten
Patienten, die eine stark verminderte Leberfunktion haben (Leberzirrhose, Hepatitis)
Durch bestimmte Medikamente z.B. Analgetika, Antiarrythmika oder bestimmte Antibiotika können Unterzuckerungen provoziert werden.
In der Regel treten bei gesunden Personen Unterzuckerungen praktisch nicht auf, da Gegenhormone einer Unterzuckerung entgegensteuern. Bei Menschen mit Mangelernährungen und zu langem Fasten oder Alkoholkonsum auf nüchternem Magen kann es jedoch zu einer Unterzuckerung kommen. Auch Personen, die unter zu starker körperlicher Belastung ohne ausreichende Nahrungszufuhr stehen, erleiden Unterzuckerungen. Diese Formen der Unterzuckerungen sind jedoch sehr selten und bei einer vernünftigen und ausgewogenen Ernährung praktisch auszuschließen.
Gunilla Erdmann, freie Mitarbeiterin des Deutschen Diabetes-Zentrums an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Dieser Beitrag wurde inhaltlich zuletzt im Januar 2005 aktualisiert