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    Therapieoptionen bei diabetischer Polyneuropathie
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    Therapieoptionen bei diabetischer Polyneuropathie

    Jeder dritte Diabetiker ist davon betroffen, dass der chronisch erhöhte Blutzucker seine Nerven angegriffen hat. Die diabetische Polyneuropathie ist eine der wichtigsten Folgeerkrankungen des Diabetes. Am häufigsten ist die distal-symmetrische Polyneuropathie (DSP), bei der einerseits teils quälende neuropathische Schmerzen und andererseits schmerzlose Fußgeschwüre die Lebensqualität einschränken. Die Häufigkeit der schmerzhaften diabetischen Neuropathie liegt bei 16 %. Die Therapie der DSP umfasst vier Ansätze:


    Mit der Stimmgabel lässt sich
    das bei der diabetischen Neu-
    ropathie früh verminderte Vi-
    brationsempfinden prüfen
    Foto: DDZ

    1. Kausale Therapie mit dem Ziel möglichst normaler Blutzuckerwerte (Nahe-Normoglykämie)
    2. pathogenetisch begründbare Therapie
    3. Schmerztherapie
    4. Vermeidung von Risikofaktoren und Komplikationen.

    Von den Therapiewegen, die pathogenetisch ansetzen, sprich gezielt einem Entstehungsmechanismus der diabetischen PNP entgegen wirken, kommt evidenzbasiert im klinischen Alltag bislang lediglich die Alpha-Liponsäure in Betracht. Bei neuropathischen Schmerzen stehen vor allem Antidepressiva, Antiepileptika, schwache und – als Ultima ratio – starke Opioide sowie physikalische Maßnahmen im Vordergrund. Das Therapiearsenal wurde zuletzt durch das Antidepressivum Duloxetin und durch das Antiepileptikum Pregabalin, einen spezifischen Blocker der Kalziumkanäle, bereichert. Am Anfang einer adäquaten Therapie steht eine sorgfältige Nutzen-Risiko-Abwägung mit dem Ziel, die Lebensqualität der Betroffenen dauerhaft zu erhalten.

    Klinische Bedeutung der diabetischen Polyneuropathie

    Die distal-symmetrische sensible oder sensomotorische Polyneuropathie (DSP) ist die wichtigste klinische Form der diabetischen Neuropathien. Ihre Häufigkeit erreicht etwa 30 % aller Patienten mit Diabetes. Die DSP verursacht teils quälende Schmerzen und erhebliche Ausfälle der Sensibilität bis hin zur Stand- und Gangunsicherheit und geht mit funktionellen Einbußen wie reduzierter Gehfähigkeit einher. Die DSP wird in ihrer klinischen Bedeutung weiterhin von ärztlicher Seite unterschätzt. Eine kürzlich publizierte Erhebung zeigte, dass behandelnde Ärzte nur in 31 % bzw. 66 % ihrer Patienten eine milde bis mäßige bzw. schwere DSP korrekt diagnostiziert hatten, ohne dass Unterschiede zwischen Allgemeinärzten und Endokrinologen bestanden hätten (1).

    Typische neuropathische Symptome finden sich bei ca. 20 % der Diabetiker und umfassen stechende oder bohrende Schmerzen, Kribbeln in den Beinen, Missempfindungen und Taubheitsgefühl bevorzugt an Füßen und Unterschenkeln. Neuropathische Schmerzen beeinträchtigen nachhaltig die Lebensqualität, insbesondere weil sie Schlafstörungen verursachen und die Leistungsfähigkeit herabsetzen. Objektive Marker der diabetischen Polyneuropathie wie herabgesetzte Nervenleitgeschwindigkeit (NLG) und Vibrationswahrnehmung wurden kürzlich als unabhängige Vorhersagefaktoren für eine erhöhten Sterblichkeit bei Typ 1 und Typ 2 Diabetikern erkannt. Neuropathische Defizite wie Sensibilitätsstörungen (Reduktion bzw. Verlust der Schmerz-, Temperatur-, Berührungs-, Druck- oder Vibrationsempfindung) und fehlende Muskeleigenreflexe sind eindeutige Vorhersagefaktoren für die Entstehung von neuropathisch bedingte Fußgeschwüren (Fußulcera). Diese ihrerseits sind einer der wichtigsten Gründe, dass Diabetiker massiv häufiger in ein Krankenhaus müssen, arbeitsunfähig oder pflegebedürftig werden, an den unteren Extremitäten amputiert werden müssen und dass die Krankheitskosten so hoch sind. Somit ist der Patient mit diabetischer Polyneuropathie als Hochrisiko-Patient im Hinblick auf die Ausbildung von schweren und potentiell lebensbedrohlichen Fußkomplikationen anzusehen.

    Klinische Bilder

    Unter dem Begriff der diabetischen Neuropathie versteht man eine klinisch manifeste oder subklinische Erkrankung, die im Rahmen des Diabetes mellitus auftritt und auf keine anderen Ursachen einer peripheren Neuropathie zurückzuführen ist. Mindestens jeder vierte Diabetiker ist von einer klinisch relevanten DSP betroffen. Die Häufigkeit der DSP bei Personen mit pathologischer Glucosetoleranz (IGT) ist mit 13,0 % geringfügig höher als bei normaler Glucosetoleranz mit 8,9 % (2). Die Häufigkeit der schmerzhaften Neuropathie bei Diabetikern beträgt auf Bevölkerungsebene rund 16 %. Epidemiologische Studien zeigen, dass die Häufigkeit der peripheren Neuropathie vor allem mit höherem Alter, zunehmender Diabetesdauer und unzureichender Diabeteseinstellung steigt. Neuste Daten weisen auf eine enge Beziehung zum Bauchumfang (viszerale Adipositas) und peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK) hin (2).

    Die häufigste Form ist die vorwiegend distale sensible symmetrische Neuropathie (DSP). Sie beginnt schleichend und verläuft ohne Behandlung chronisch fortschreitend. Sie tritt bevorzugt am Fuß und Unterschenkel auf, offensichtlich weil längere Nervenfasern verletzlicher sind (längenbezogene Verteilung), seltener auch der oberen Extremitäten (strumpf- bzw. handschuhförmige Verteilung) mit typischen Symptomen wie Schmerzen, Kribbeln, Überempfindlichkeit und Taubheitsgefühl, die sich in der Regel von unten (Zehen, Füße, Unterschenkel) nach oben ausbreiten. Fachsprachlich nennt man dies „dying-back-neuropathy“, welches bedeutet, dass die Nervenfasern von dem körperfernen Ende aus rückwärts in ihren Leistungen nachlassen. Häufig werden die Schmerzen als brennend (burning feet= brennende Füße), bohrend, einschießend, krampfartig oder stechend (lanzinierend) typisiert. Charakteristisch ist, dass die Schmerzen des Nachts stärker werden sowie sich beim Gehen bessern. Schmerzen können auch durch Berührung ausgelöst (Allodynie) oder verstärkt (Hyperalgesie) werden. Klinisch fallen auf:

    • abgeschwächte oder fehlende Muskeleigenreflexe
    • Rückbildung der kleinen Fußmuskel
    • Sensibilitätsstörungen
    • durch vermindertes Gefühl bedingte Gang- und Standunsicherheit (sensible Ataxie)
    • reduziertes Vibrationsempfinden (Pallhypästhesie)
    • herabgesetzte Kälte- und Wärmewahrnehmung
    • und vermindertes Schmerzempfinden (Algesie)

    Häufig sind sowohl die langsam leitenden, kleinkalibrigen markarmen oder marklosen Nervenfasern beteiligt als auch die schnell leitenden großkalibrigen Nervenfasern. Die relativ seltenen fokalen und multifokalen Neuropathien mit asymmetrischen Ausfällen einzelner oder mehrerer Nerven bedürfen einer weiterführenden neurologischen Diagnostik. Differentialdiagnostisch sind internistisch auf einfache Weise vor allem Neuropathien bei Alkoholmissbrauch, Urämie, Hypothyreose, VitaminB12-Mangel, peripherer AVK und als Nebenwirkung von Medikamenten abzugrenzen.

    Aktuelle Behandlungsmöglichkeiten

    Kausale Therapie

    Der primäre Ansatz zu einer kausalen Therapie basiert auf der Ausschaltung des krankheitsauslösenden Faktors Hyperglykämie durch möglichst normnahe Stoffwechseleinstellung. Mehrere randomisierte Studien (Oslo-Studie, Stockholm-Studie, DCCT) haben gezeigt, dass eine langfristige Nahe-Normoglykämie bei Typ 1 Diabetikern zu einer Reduktion des Risikos der Ausbildung der peripheren Neuropathie bzw. kardialen autonomen Neuropathie (Schädigung der Nerven am Herz-Kreislaufsystem) führt. Allerdings kommt es unter intensivierter Insulintherapie nicht zu einer gänzlichen Prävention der DSP. Inwieweit eine intensive Diabetestherapie langfristig das Risiko der DSP bei Typ 2 Diabetikern reduziert, lässt sich aufgrund der unterschiedlichen Datenlage (Kumamoto-Studie, UKPDS) derzeit nicht eindeutig beantworten. Dies gilt auch für die multifaktorielle Risikointervention (Steno Typ 2 Studie). Es besteht jedoch ein Konsens, dass bei allen Diabetestypen Risikofaktoren für die DSP (Rauchen, übermäßiger Alkoholkonsum) und assoziierte Begleiterkrankungen (Nephropathie, Retinopathie, pAVK, Hypertonie, Hyperlipidämie) erfasst und ggf. therapiert werden müssen (3).

    Pathogenetisch begründbare Therapie

    Es handelt sich hierbei um medikamentöse Therapieformen, die aus den tierexperimentellen Konzepten zur Pathogenese der diabetischen Neuropathie heraus entwickelt wurden und an denen geforscht wird. Mit Ausnahme der antioxidativen Therapie mit Alpha-Liponsäure (Thioctsäure) steht derzeit keiner der pathogenetisch begründbaren therapeutischen Ansätze zur Verfügung.

    Schmerztherapie

    Die Therapie der schmerzhaften diabetischen Neuropathie kann sich schwierig gestalten, da das direkte Ansprechen auf eine Einzelsubstanz häufig nicht zu erwarten ist. Dies hängt möglicherweise damit zusammen, dass multiple Mechanismen beim Entstehen neuropathischer Schmerzen beteiligt sind (4). Die therapeutische Palette wurde in den vergangenen Jahren durch die Einführung neuer effektiver Substanzen signifikant vergrößert, so dass zunehmend spezifische differentialtherapeutische Kenntnisse bezüglich der Wirksamkeit und Nebenwirkungen der Substanzen erforderlich sind. Die derzeit relevanten Optionen der Pharmakotherapie zeigt Tabelle 1. Vor Beginn der Therapie sollten einige allgemeine Merkregeln beachtet werden:

    1. Das wirksame Medikament muss bei jedem einzelnen Patienten durch Erprobung gefunden werden (zu beachten sind: Kontraindikationen, Interaktionen)
    2. Jeder Patient benötigt eine individuelle Dosierung in Abhängigkeit von Wirkung und Nebenwirkungen (sorgfältige Dosisanpassung = Titration)
    3. Die Wirkungslosigkeit des Medikamentes sollte erst nach mindestens 2 - 4 Wochen Therapie bei ausreichender Dosierung beurteilt werden.
    Schmerzlinderung durch Antidepressiva

    Das Therapiearsenal zur Linderung des neuropathischen Schmerzes wurde zuletzt durch das Antidepressivum Duloxetin ( einen sogenannten selektiven Serotonin-Noradrenalin-Reuptake-Inhibitor – SSNRI) und durch das Antikonvulsivum Pregabalin, einen spezifischen Blocker der betimmten Untereinheit der Kalziumkanäle deutlich bereichert. Im Gegensatz zu vielen anderen Substanzen zeichnen sich die beiden Letztgenannten unter evidenzbasierten Gesichtspunkten durch eine gut abgesicherte Datenlage zur Wirksamkeit und Verträglichkeit aus.

    Duloxetin ist ein selektiver SSNRI, der seit Juli 2005 zur Therapie der schmerzhaften diabetischen Neuropathie zugelassen ist. Die Substanz wirkt, indem sie bestimmte hemmende absteigende Nervenbahnen aktiviert. Die Wirksamkeit und Sicherheit dieses Antidepressivums wurde in drei kontrollierten Studien in einer Dosierung von 60 und 120 mg/Tag über 12 Wochen evaluiert. In allen drei Studien ließ sich der über 24 Stunden gemittelte Schmerz signifikant mit beiden Dosierungen im Vergleich zu Placebo reduzieren, wobei der Unterschied zwischen Duloxetin und Placebo bereits nach 1 Woche signifikant deutlich wurde. Die Responder-Raten (= Patienten, die auf die Behandlung ansprachen) definiert als Schmerzreduktion > 50 % lagen bei 48,2 % (120 mg), 47,2 % (60 mg) und 27,9 % (Placebo). Somit zeigt die Substanz bereits nach 1 Woche in der Dosis von 60 mg/Tag einen Effekt. Eine Dosissteigerung auf 120 mg/Tag bewirkt im Mittel eine nur marginal stärkere Schmerzreduktion, sollte aber bei nicht ausreichender Wirkung bei guter Verträglichkeit individuell versucht werden. Die häufigsten Nebenwirkungen von Duloxetin (60/120 mg/Tag) sind Übelkeit (16,7/27,4 %), Schläfrigkeit (20,2/28,3 %), Schwindel (9,6/23 %), Verstopfung 14,9/10,6 %), Mundtrockenheit (7,1/15 %), reduzierter Appetit (2,6/12,4 %) (5). Diese Nebenwirkungen sind in der Regel mild bis mäßig ausgeprägt und vorübergehend. Im Gegensatz zu Antidepressiva aus der Klasse der trizyklischen Antidepressiva und einigen Antiepileptika führt Duloxetin nicht zu einer Gewichtszunahme. Obgleich in den o.g. Studien keine langsame Dosisanpassung auf 60 mg/Tag vorgenommen wurde, empfiehlt sich eine Startdosis von 30 mg mit weiterem Steigern auf 60 mg nach 4 - 5 Tagen, um initiale Nebenwirkungen zu minimieren. Für Venlafaxin, einen weiteren SSNRI liegt lediglich 1 Studie vor, so dass die Substanz für neuropathische Schmerzen nicht zugelassen ist.

    Die bislang eingesetzten trizyklischen Antidepressiva (TCA) sind aufgrund hoher Nebenwirkungsraten (Dämpfung und Müdigkeit, Gewichtszunahme, Mundtrockenheit, Beschwerden beim Wasserlassen, Kardiotoxizität) bei vielen Patienten, insbesondere bei mehrfachen Krankheiten problematisch. Amitriptylin zeigt möglicherweise die stärkste Wirkung, die mediane Dosis liegt bei 75 mg und es besteht eine eindeutige Dosis-Wirkungs-Beziehung. Der Effekt ist bei Patienten mit und ohne Depression vergleichbar und tritt unabhängig von einer gleichzeitigen Stimmungsaufhellung auf. Die selektiven Serotonin-Reuptake-Inhibitoren (SSRI) Citalopram und Paroxetin wurden nur in Einzelstudien untersucht und sind nicht zugelassen (4).

    Therapieansätze mit Antiepileptika

    Für Pregabalin wurde die therapeutische Wirksamkeit und Sicherheit kürzlich in einer gepoolten Analyse von 6 Studien über 5 - 11 Wochen bei 1.346 Diabetikern mit schmerzhafter Neuropathie untersucht. Die Responder-Raten mit Schmerzreduktion > 50% lagen bei 46 % (600 mg), 39 % (300 mg), 27 % (150 mg) und 22 % (Placebo). Die häufigsten Nebenwirkungen unter 150 - 600 mg/Tag sind Schwindel (22,0 %), Schläfrigkeit (12,1 %), periphere Wassereinlagerung (10,0 %), Kopfschmerzen (7,2 %) und Gewichtszunahme (5,4 %) (6). Da die Studienlage für Pregabalin bei schmerzhafter diabetischer Neuropathie im Vergleich zu dem Wirkstoff Gabapentin deutlich solider ist und die Anpassung der Dosis erheblich vereinfacht ist, sollte Pregabalin der Vorzug gegeben werden. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass Gabapentin in der Praxis mit 300 - 900 mg/Tag häufig unterdosiert wird. In der relevanten Studie betrug die Dosis in der Mehrzahl der Fälle 3600 mg/Tag (4).

    Carbamazepin kann aufgrund einer unzureichenden Studienlage nicht empfohlen werden. Die Nachfolgesubstanz Oxcarbazepin ist strukturell ähnlich, wird jedoch unterschiedlich verstoffwechselt und zeigt bei Patienten mit Epilepsie ein verbessertes Sicherheitsprofil. In einer kürzlich publizierten Studie über 16 Wochen wurde Oxcarbazepin ausgehend von einer Initialdosis von 300 mg/Tag bis zur Maximaldosis von 1800 mg/Tag titriert. Die Responder-Raten lagen bei 35,2 % (Oxcarbazepin) und 18,4 % (Placebo). Die häufigsten Nebenwirkungen in der 4-wöchigen Titrationsphase bzw. Zieldosisphase waren Schwindel (44,9/12,7 %), Kopfschmerzen (24,6/9,0 %), Übelkeit (23,2/3,6 %), Somnolenz (11,6/9,0 %), Müdigkeit 11,6/5,5 %), Erbrechen (8,7/3,6 %), Durchfälle (8,7/1,8 %) und Sehstörungen (8,7/1,8 %). Weitere Studien werden zeigen, ob diese Substanz zugelassen werden kann (3). Weitere Antikonvulsiva wie Lamotrigin und Lacosamid befinden sich derzeit in Phase III-Studien, während nicht Topiramat nicht überzeugen konnte.

    Ergebnisse zu der körpereigenen Substanz Alpha-Liponsäure

    Für die Alpha-Liponsäure wurde eine Meta-Analyse von 4 Studien publiziert, die zeigt, dass die Infusionstherapie über 3 Wochen mit 600 mg/Tag (15 Infusionen) zu einem signifikanten Rückgang der neuropathischen Symptome wie Schmerzen, Parästhesien und Taubheitsgefühl führt (9). Die Responder-Raten lagen bei 52,7 % für Alpha-Liponsäure und 36,9 % für Placebo. Die SYDNEY 2-Studie zeigt, dass eine orale Therapie mit 600-1800 mg über 6 Wochen ebenfalls effektiv ist (unpublizierte Daten). Alpha-Liponsäure ist jedoch als rezeptfreie Substanz derzeit nicht erstattungsfähig.Das schwache Opioid Tramadol kann auch in der Akutbehandlung von neuropathischen Schmerzen eingesetzt werden. Stärkste neuropathische Schmerzen erfordern den Einsatz von starken Opioiden wie Oxycodon.

    Kombinationstherapie

    Obwohl keine Daten zur Kombinationstherapie vorliegen, sind in der Praxis häufig Kombinationen verschiedener Substanzklassen bei therapieresistenten Schmerzen unumgänglich. Eine kürzlich publizierte Studie untersuchte die maximal tolerable Dosis einer Kombinationsbehandlung von Gabapentin und Morphin im Vergleich zur Monotherapie. Die maximal tolerable Dosis war in der Kombination bei besserer Wirksamkeit signifikant niedriger als in der Monotherapie (10). Dies lässt auf eine additive Interaktion dieser Substanzen schließen. Eine Kombinationstherapie mit Antidepressiva und Antikonvulsiva kann ebenfalls sinnvoll sein, insbesondere wenn die Monotherapie in höherer Dosierung wegen Nebenwirkungen nicht toleriert wird.

    Nicht-medikamentöse Behandlungswege

    Nicht-pharmakologische Therapieoptionen wie die transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS) sollten stets mitberücksichtigt werden, da sie praktisch frei von Nebenwirkungen sind und von Patienten vielfach bevorzugt werden. Wir konnten kürzlich einen günstigen Effekt einer hochfrequenten Muskelstimulation im Vergleich mit TENS auf die neuropathischen Symptome nach 3 Behandlungstagen nachweisen (11). Unter einer Frequenz-modulierten elektromagnetischen Nervenstimulation (FREMS) mit 10 Behandlungen über maximal 3 Wochen ließen sich die neuropathischen Schmerzen im Vergleich zur Placebo-Stimulation signifikant reduzieren (12). Für Akupunktur liegen bislang keine kontrollierten Studien bei neuropathischen Schmerzen vor.

    Abschließend sei nochmals betont, dass die Kunst einer effektiven Schmerztherapie in einer möglichst guten Schmerzlinderung bei gleichzeitig minimalen Nebenwirkungen besteht. Die individuelle Tolerabilität der jeweiligen Substanz ist ein wesentliches Kriterium für die Therapieentscheidung.

    Tabelle 1: Therapieoptionen bei schmerzhafter diabetischer Neuropathie

    Stufe Substanz/Maßnahme Tagesdosis
    I: Nahe-Normoglykämie Diät, Insulin, OAD Individuelle Anpassung
    (Ziel: HbA1c < 6,5 %)
    II: Pathogenetisch begründbare Therapie alpha-Liponsäure2

    600 mg als Infusion i.v. (3 Wochen)
    600 - 1800 mg oral

    III: ST, Schmerzen Trizyklische Antidepressiva (TCA)
      Amitriptylin3 (10-)25 - 150 mg
      Desipramin 1, 3 (10-)25 - 150 mg
      Imipramin3 (10-)25 - 150 mg
      Clomipramin3 (10-)25 - 150 mg
      Selektive Serotonin-Noradrenalin-Reuptake-Inhibitoren (SSNRI)
      Duloxetin 60 - 120 mg
      Venlafaxin1 75 - 225 mg
      Antikonvulsiva  
      Pregabalin3 150 - 600 mg
      Gabapentin3 900 - 3600 mg
      Oxcarbazepin 1, 3 600 - 1800 mg
      Schwache Opioide: Tramadol3 50-400 mg (20-160 Tr.)
      Sonstige
      Capsaicin 0,075 % 4 x topisch
    (Dauer: max. 8 Wochen)
    IV: ST, Therapie- refraktäre Schmerzen

    Starke Opioide: Oxycodon3 Elektrische Rückenmark-Stimulation (ESCS)

    10 - 100 mg
    Ergänzend:    
    Physikalische Therapie

    TENS, Krankengymnastik, Balneo-, Entspannungstherapie
    Akupunktur

     
    Psychologische Unterstützung    

    OAD = orale Antidiabetika; ESCS = Electrical spinal cord stimulation; TENS = Transkutane elektrische Nervenstimulation; ST = Symptomatische Therapie;

    1 Nicht zugelassen zur Therapie neuropathischer Schmerzen;
    2 Derzeit nicht erstattungsfähig;
    3 einschleichende Dosierung beachten

    Prof. Dr. med. Dan Ziegler, Deutsches Diabetes-Zentrum, Leibniz-Institut an der Heinrich Heine-Universität Düsseldorf, Deutsche Diabetes-Klinik

    Literatur:

    1) Herman WH, Kennedy L. Underdiagnosis of peripheral neuropathy in type 2 diabetes. Diabetes Care 2005; 28: 1480-1481.
    2) Ziegler D, Rathmann W, Haastert B, Füchsle-Reiter A, Löwel H, Mielck A. Prevalence of polyneuropathy in impaired glucose tolerance and diabetes. The MONICA/KORA Augsburg Surveys and Myocardial Infarction Registry (KORA-A Study). Diabetologia 2005; 48, suppl 1, A364-A365.
    3) Haslbeck M, Luft D, Neundörfer B, Stracke H, Ziegler D. Diagnostik, Therapie und Verlaufskontrolle der Neuropathie bei Diabetes mellitus Typ 1 und Typ 2. http://www.deutsche-diabetes-gesellschaft.de/redaktion/mitteilungen/leitlinien/Leitlinie_ neuropathie.pdf
    4) Finnerup NB, Otto M, McQuay HJ, Jensen TS, Sindrup SH. Algorithm for neuropathic pain treatment: An evidence based proposal. Pain 2005 Oct 4; [Online publiziert, im Druck].
    5) Goldstein DJ, Lu Y, Detke MJ, Lee TC, Iyengar S. Duloxetine vs. placebo in patients with painful diabetic neuropathy. Pain 2005; 116: 109-118.
    6) Griesing T, Freeman R, Rosenstock J, Sharma U, LaMoreaux L, Emir B, Siffert J. Efficacy, safety, and tolerability of pregabalin treatment for diabetic peripheral neuropathy: findings from 6 randomized controlled trials. Diabetologia 2005; 48, suppl 1, A351.
    7) Dogra S, Beydoun S, Mazzola J, Hopwood M, Wan Y. Oxcarbazepine in painful diabetic neuropathy: a randomized, placebo-controlled study. Eur J Pain 2005; 9: 543-554.
    8) Vinik A. Use of antiepileptic drugs in the treatment of chronic painful diabetic neuropathy. J Clin Endocrinol Metab 2005;90: 4936-4945.
    9) Ziegler D, Nowak H, Kempler P, Vargha P, Low PA. Treatment of symptomatic diabetic polyneuropathy with the antioxidant ?-lipoic acid: a meta-analysis. Diabetic Med 2004; 21: 114-121.
    10) Gilron I, Bailey JM, Tu D, Holden RR, Weaver DF, Houlden RL. Morphine, gabapentin, or their combination for neuropathic pain. N Engl J Med 2005; 31: 352: 1324-1334.
    11) Reichstein L, Labrenz S, Ziegler D, Martin S. Effective treatment of symptomatic diabetic polyneuropathy by high-frequency external muscle stimulation. Diabetologia 2005; 48: 824-828.
    12) Bosi E, Conti M, Vermigli C, Cazzetta G, Peretti E, Cordoni MC, Galimberti G, Scionti L. Effectiveness of frequency-modulated electromagnetic neural stimulation in the treatment of painful diabetic neuropathy. Diabetologia 2005; 48: 817-823

    Erstellt: Mai 2006

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