Hypoglykämien erkennen und vermeiden lernen mit dem Blutglukose-Wahrnehmungstraining (BGAT)
Hypoglykämien sind eine häufige Begleiterscheinung der Insulin-Behandlung bei Typ 1 Diabetes mellitus. Längere Erkrankungsdauer, HbA1-Werte im Normbereich und eine schwere Hypoglykämie begünstigen das Entstehen einer Störung der Hypoglykämiewahrnehmung, die dann ihrerseits wiederum in einem circulus vitiosus zu weiteren unbemerkten Hypoglykämien beiträgt.
Wir stellen ein Trainingsprogramm vor, das zu Prävention und Therapie der Hypoglykämie-Wahrnehmungsstörung nachweislich geeignet ist. Das Blutglukose-Wahrnehmungstraining (BGAT) wurde von der amerikanischen Forschergruppe um Daniel Cox über 15 Jahre hinweg auf der Basis eines bio-psycho-behavioralen Modells der Hypoglykämie-Wahrnehmung entwickelt, evaluiert und in der internationalen Fachliteratur präsentiert (z.B. Cox et al., 1994; 1995). Die deutschsprachige Version von Fehm-Wolfsdorf, Kerner und Peters liegt seit 1997 vor. Wir bilden Ärzte, Psychchologen und Diabetesberaterinnen als BGAT-Trainer aus, um das Angebot dieses neuen Programms vielerorts ermöglichen.
Das BGAT ist ein strukturiertes verhaltensmedizinisches Training, das für Gruppen oder Einzelpersonen angeboten wird. Es umfasst 8 Sitzungen, zwischen denen die Teilnehmer Übungsaufgaben zu bearbeiten haben. Eine ambulante Durchführung ist vorteilhafter als eine stationäre, um das Lernen unter Alltagsbedingungen zu befördern. Umfangreiche Kursmaterialien dienen der Auffrischung des Wissens, das jedoch keine hinreichende Bedingung für eine gute Hypoglykämie-Erkennung ist. Da Verhaltensänderungen erreicht werden sollen, liegt der Schwerpunkt des Trainings darauf, zu besserer Selbstbeobachtung z.B. von Symptomen bei niedriger Glukose anzuleiten, aus dem Beobachteten Schlüsse zu ziehen und umzusetzen. Bei einem Termin werden die Partner einbezogen, um die häufig geschilderten Partnerkonflikte beim Nichterkennen von Hypoglykämien einer Lösung zuzuführen. Die bisherigen Erfahrungen mit dem BGAT sind sehr ermutigend: BGAT-Teilnehmer lernen, Hypo- und Hyperglykämien sicherer zu erkennen und vorausschauend zu vermeiden.
Dadurch verringert sich nicht nur die Zahl der zu niedrigen Glukosewerte (< 70mg/dl), sondern auch die der zu hohen (> 180mg/dl). Die hormonelle Gegenregulation bei niedrigen Glukosespiegeln erholte sich wieder durch die BGAT-Teilnahme (Kinsley et al. 1999), die Entscheidung, nicht hypoglykämisch Auto zu fahren, kann durch besseres Erkennen der Symptome niedriger Glukose zuverlässiger getroffen werden (Clarke et al., 1999). Die Evaluation der deutschsprachigen Version des BGAT ist fast abgeschlossen. Das BGAT ist ein wichtiger Baustein in der optimalen Therapie von langjährigen Typ 1 Diabetikern.
Gabriele Fehm-Wolfsdorf, Medizinische Universität zu Lübeck
Redaktion: Dr. med. M. Stapperfend, Prof. Dr. med. W. A. Scherbaum
Dieser Beitrag wurde inhaltlich zuletzt im August 2002 aktualisiert |