Diabetes-Risiko durch Veränderung im TCF7L2-Gen bestätigt
(29.11.2006) Bereits im April dieses Jahres hatten wir über ein internationales Forscherteam berichtet, dass eine Genvariante entschlüsselt hat, die vermutlich für mehr als 20 Prozent aller Typ 2 Diabetesfälle verantwortlich ist: Eine Mutation im „Transcription Factor 7-Like 2"-Gen (TCF7L2-Gen) auf dem Chromosom 10 (12.04.2006 Erbliche Veranlagung für Typ 2 Diabetes: Neue Genvariante entdeckt). Der Begriff Genmutation bedeutet die Veränderung von Informationen, die im Erbgut gespeichert sind. Von der TCF7L2-Genvariante sind in Europa und den USA vermutlich mehr als ein Drittel aller Menschen betroffen.
Wissenschaftler um Steve Humphries vom University College London (UCL) in Großbritannien haben das Diabetesrisiko durch Veränderungen im TCF7L2-Gen bei Menschen mit unterschiedlicher ethnischer Herkunft untersucht. Hierfür beobachteten sie gesunde Männer im mittleren Alter über einen Zeitraum von insgesamt 15 Jahren. Die Ergebnisse des britischen Wissenschaftler-Teams bestätigen, dass eine weit verbreitete Variante des TCF7L2-Gens die Wahrscheinlichkeit für eine Typ 2 Diabeteserkrankung um rund 50 Prozent erhöht. Betroffene, die die Veränderung in beiden Kopien der zwei Gene trugen, entwickelten im Beobachtungszeitraum sogar in fast 100 Prozent der Fälle einen Diabetes. Dabei war das Erkrankungsrisiko in der europäischen weißen Bevölkerung, in der asiatischen Gruppe und bei afrikanisch-stämmigen Personen ungefähr gleich hoch.
Die Rolle des erst in jüngerer Zeit intensiver beforschten TCF7L2-Gens für den Typ 2 Diabetes ist noch nicht vollständig geklärt. Die Wissenschaftler vermuten, dass verschiedene Patienten durchaus unterschiedliche Mutationen aufweisen. Sicher ist bisher, dass TCF7L2 am „Ein- und Ausschalten“ anderer Gene beteiligt ist. Das Gen TCF7L2 wird im Körper von vielen Zellen abgelesen und es scheint insbesondere für die Bauchspeicheldrüse, das Fettgewebe und den Verdauungstrakt eine wichtige Rolle zu spielen. In Bezug auf die Bauchspeicheldrüse konnte zum Beispiel nachgewiesen werden, dass bei Trägern der Genvariante die Insulinsekretion herabgesetzt ist.
Die Tatsache, dass Veränderungen im Erbmaterial entscheidend an der Entstehung des Typ 2 Diabetes beteiligt sein können, sollte allerdings nicht von der Bedeutung des Lebensstils und anderer Umweltfaktoren ablenken: Untersuchungen aus der US-amerikanischen DPP-Studie (Diabetes Prevention Program) belegen, dass auch Träger der Genmutation von den Lebensstiländerungen (Gewichtsabnahme, fettreduzierte Nahrung, mehr Sport) erheblich profitieren und ihr Diabetesrisiko deutlich senken können.
Möglicherweise könnte das TCF7L2-Gen zukünftig nicht nur Aufschluss über ein erhöhtes Typ 2 Diabetesrisiko geben, sondern selber zu einem therapeutischen Angriffspunkt werden. Zuvor muss allerdings geklärt werden, welche Funktionen TCF7L2 in den unterschiedlichen Körpergeweben im Einzelnen beeinflusst und mit welchen Folgen – im positiven wie im negativen Sinne – eine gewebespezifische Blockade der Genvariante verbunden wäre.
Dr. med. Anja Lütke, freie Mitarbeiterin der Deutschen Diabetes-Klinik des Deutschen Diabetes-Zentrums an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Leibniz-Zentrum für Diabetes-Forschung
Quelle: Humphries SE, Gable D, Cooper JA et al. Common variants in the TCF7L2 gene and predisposition to type 2 diabetes in UK European Whites, Indian Asians and Afro-Caribbean men and women. J Mol Med 2006
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