Schwangerschaftsdiabetes - Gute Nachricht für Betroffene
Metformin im Vergleich zu Insulin beim Gestationsdiabetes - MiG-Studie veröffentlicht
(02.06.2008) Der Gestationsdiabetes kann i. d. R. nur durch ein Screening erkannt werden. Mit der Erkennung und Behandlung können Schäden für Mutter und Kind vermieden werden. Wie eine aktuelle Studie aus Neuseeland und Australien zeigt, braucht in Zukunft nur ein Teil von Frauen mit Gestationsdiabetes mit Insulin behandelt zu werden. Bei der sehr viel einfacheren Therapie mit Metformin-Tabletten besteht kein erhöhtes Risiko für Mutter und Kind - gute Nachricht für die Betroffenen.
Foto: DAK/Wigger
Gestationsdiabetes tritt in ca. 5 % aller Schwangerschaften mit steigender Häufigkeit auf, führt zu Schwangerschaftskomplikationen und langfristigem Diabetes-Risiko bei Mutter und Kind. Die bisherige Therapie bestand aus Lebensstiländerung mit vermehrter Bewegung, medizinischer Ernährungstherapie, Blutglukose-Selbstkontrolle und bei unzureichendem Effekt aus der Zugabe von Insulin. Bei Beginn einer Insulinbehandlung müssen die Frauen geschult und intensiver überwacht werden, sie haben ein erhöhtes Risiko für Hypoglykämien und nehmen unter Umständen übermäßig an Gewicht zu. Migrantinnen und Analphabetinnen verstehen sehr häufig die Insulintherapie nicht und können nur mit konventionellem Spritzenschema behandelt werden. Die Tablettenbehandlung wäre daher eine logische Alternative, bisher zeigte aber nur eine randomisierte Studie mit Glibenclamid, einer Insulin-anregenden Tablettensorte, bei einer ethnisch besonders zusammengesetzten Gruppe aus den U.S.A., vergleichbare Ergebnisse mit Insulin. Metformin hätte den Vorteil, ursächlich die Insulinresistenz zu verbessern, ohne dass ein erhöhtes Hypoglykämie-Risiko besteht.
Es wurden in 10 städtischen Frauenkliniken 751 Frauen mit Gestationsdiabetes mit 20 bis 33 Schwangerschaftswochen per Zufall in eine Gruppe mit Metformin (MiG= Metformin in Gestational Diabetes) oder Insulin zugeteilt. Die Frauen der Metformingruppe erhielten zusätzlich Insulin, wenn Metformin mit einer Dosis von 2.500 mg pro Tag (fünf Tabletten à 500 mg) nicht ausreichte. Der Gestationsdiabetes wurde nach den Kriterien der Australasian Diabetes in Pregnancy Society (ADPIS) diagnostiziert: venöse Plasmaglukose nüchtern > 99 mg/dl oder 2 Stunden nach Belastung mit 75 g Glukose > 144 mg/dl. Als Einstellungsziel galten kapilläre Blutglukosewerte < 99 mg/dl nüchtern vor dem Frühstück und < 126 mg/dl 2 Stunden nach den Mahlzeiten, auch niedrigere Einstellungsziele wurden zugelassen.
Der primäre gemeinsame Endpunkt war das Auftreten von mindestens einem der folgenden Ereignisse:
- Neonatale Hypoglykämie - Atemnotsyndrom - Phototherapie - Geburtstrauma - APGAR 5 Minuten nach der Geburt < 7 - Frühgeburt.
Die Studie war danach ausgelegt, einen Anstieg dieses gemeinsamen Endpunktes um ein Drittel auszuschließen (von 30 % auf 40 % absoluten Prozenten), und zwar bei Kindern von Müttern, die mit Metformin behandelt wurden. Es sollte also gezeigt werden, dass Metformin der Insulinbehandlung nicht unterlegen ist. Sekundäre Endpunkte schlossen Körpermaße der Neugeborenen, die mütterliche Glukosekontrolle und mütterliche Hochdruckkomplikationen in der Schwangerschaft, die Glukosetoleranz nach der Geburt und die Akzeptanz der jeweiligen Behandlung durch die Schwangeren ein.
Von 363 Schwangeren, die Metformin erhielten, nahmen 92,6 % diese Tabletten bis zur Geburt ein und 46,3 % erhielten zusätzlich Insulin, dies war im Mittel nach 20 Tagen erforderlich. Die zusätzlich zum Metformin gegebene Insulindosis war niedriger als in der Gruppe, die ausschließlich Insulin bekam. Die Häufigkeiten des vorgegeben primären Endpunktes lag bei 32 % in der Metformin-Gruppe und bei 32,2 % in der Insulin-Gruppe, ein statistisch nachweisbarer Unterschied bestand demnach nicht. Mehr Frauen in der Metformin-Gruppe als in der Insulin-Gruppe äußerten sich dahingehend, ihre zugeteilte Therapie erneut selbst auszuwählen (76,6 % im Vergleich zu 27,2 %). Ebenso zeigten die sekundären Endpunkte keine nachweisbaren Unterschiede. Es konnten keine schwerwiegenden Nebenwirkungen der Metformin-Behandlung festgestellt werden. Einzelanalysen zeigten häufiger schwere Hypoglykämien der Neugeborenen in der Insulin-Gruppe (8,1 vs. 3,3 %) und häufiger Frühgeburten in der Metformin-Gruppe (12,1 vs. 7,6 %). Die Nabelschnur-Insulin-Konzentrationen waren in beiden Gruppen gleich. Die Frauen in der Metformin-Gruppe nahmen von Studienaufnahme bis zur Geburt deutlich weniger an Gewicht zu als diejenigen in der Insulingruppe (0,4 vs. 2 kg).
In einem Zeitraum von 6 - 8 Wochen nach der Geburt erhielten 75,3 % der Mütter einen 75 g oralen Glukose-Toleranztest, 23 % der Frauen der Metformingruppe und 20,6 % der Insulingruppe hatten eine gestörte Glukosetoleranz oder einen bereits manifesten Diabetes.
Die Forscher schlossen aus ihrer Studie, dass die Behandlung des Gestationsdiabetes mit Metformin allein (oder mit Insulin) keine erhöhten kindlichen Risiken mit sich bringt im Vergleich zu einer alleinigen Insulinbehandlung. Metformin wird von den Frauen bevorzugt. Bei Einsatz von neuen Medikamenten in der Schwangerschaft gilt nach Auffassung der Autoren der ärztliche Grundsatz des „Nicht-schadens“ im Hinblick auf den zu schützenden Patienten Fetus - hierauf kann erst eine Antwort gefunden werden, wenn die Kinder der Metformin behandelten Schwangeren mindesten 5 - 7 Jahre nach der Geburt auf ihr Wachstum und ihre motorische und soziale Entwicklung hinreichend untersucht wurden. Dies ist bei dieser Gruppe auch geplant.
Die neuseeländisch-australischen Schwangeren wiesen einige Besonderheiten auf; nur 48,2 % der Frauen hatten eine europäische Herkunft, fast 45 % waren Polynesierinnen (also Ureinwohnerinnen der Region), zugereiste Inderinnen oder stammten aus China oder Südostasien. In beiden Gruppen fanden sich ungewöhnlich hohe Raten an bereits vorbestehendem Gestationsdiabetes (22-26 %) und familiärer Diabetesbelastung (45-49 %). Leider wurden die Häufigkeiten der Kaiserschnitt-Entbindungen nicht mitgeteilt. Die ADIPS-Diagnose-Kriterien des Gestationsdiabetes gehören zu den niedrigsten weltweit und führen zu einer besonders hohen Rate an eher leichten Formen des Gestationsdiabetes.
Die Hoffnung, mit der von den Frauen bevorzugten „Pille“ den Gestationsdiabetes über die gesamte Schwangerschaft zielgerecht zu führen, hat sich nicht erfüllt: 46,3 % der Schwangeren benötigen doch noch Insulin, im Mittel nach 3 Wochen. In der nordamerikanischen Glibenclamid-Studie waren es nur 4 %. Diese hohe Rate an zusätzlicher Insulinbehandlung kann von der besonderen Bevölkerungs-Zusammensetzung und den Einstellungszielen abhängig sein - auf präprandiale Kontrollen außerhalb des Frühstücks und die Berechnung von mittleren Glukosewerten wurde ebenso verzichtet wie auf das Heranziehen fetaler Ultraschallmaße zur Indikationsstellung zur Insulintherapie. Fehlende schwerwiegende Nebenwirkungen in der Metformin-Gruppe dieser Studie sind zwar erfreulich, jedoch zeigte eine südafrikanische Untersuchung über einen Zeitraum von 10 Jahren bei einer Gruppe von afrikanischen Ureinwohnerinnen mit Typ 2 Diabetes, dass bei Wechsel von Tabletten auf Insulin die Rate der Neugeborenen-Sterblichkeit um den Faktor 4 gesenkt werden konnte.
Metformin ist in Deutschland für Schwangere mit Gestationsdiabetes (und auch Typ 2 Diabetes) zurzeit keine Alternative zur Insulintherapie. Weitere randomisierte Studien mit vorrangig weißer Bevölkerung und international akzeptierten Diagnosegrenzen des Gestationsdiabetes müssen ebenso abgewartet werden wie die Nachuntersuchungen der Kinder von Metformin-behandelten Schwangeren.
Dr. med. Helmut Kleinwechter diabetologikum kiel Diabetes-Schwerpunktpraxis u. Schulungszentrum Sprecher der AG Diabetes u. Schwangerschaft der DDG E-mail: arzt@diabetologikum-kiel.de
Quelle: Rowan J, Hague W, Gao W, Battin M, Moore P for the MiG Trial Investigators. Metformin versus Insulin for the Treatment of Gestational Diabetes. N Engl J Med 2008;358:2003-2015 Langer O, Conway D, Berkus M. A comparison of glyburide and insulin in women with gestational diabetes. N Engl J Med 2000;342:1134-1138 Ekpebegh C, Coetzee E, van der Merwe L, Levitt N. A 10-year retrospective analysis of pregnancy outcome in pregestational Type 2 diabetes: comparison of insulin and oral glucose-lowering agents. Diabet Med 2007;24:253-258
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