Bei Naturvölkern, die nach diesen Gesichtspunkten leben, kommt der Typ 2 Diabetes nur extrem selten vor. Der Wechsel der Kost mit einem Überangebot an tierischem Eiweiß und Fett sowie einem relativen Mangel an Ballaststoffen ist zusammen mit einer verminderten körperlichen Betätigung mit einem sprunghaften Anstieg der Diabeteshäufigkeit verbunden. Dies ist auch der Grund dafür, dass sich das Auftreten des früher als "Alterszucker" bezeichneten Typ 2 Diabetes immer mehr in jüngere Jahrgänge hinein verschiebt.
Es ist wissenschaftlich eindeutig belegt, dass eine diabetesgerechte Kost nicht nur eine Grundlage für die Therapie des Typ 1 Diabetes darstellt, sondern vielmehr als der wichtigste Eckpfeiler in der Therapie des Typ 2 Diabetes und auch seiner Folgekrankheiten gelten kann. Die Diskussion mancher Ärzte darüber, dass die diabetesgerechte Kost nicht als Diät bezeichnet werden dürfe, ist müßig. Sie rührt insbesondere auch von der falschen Vorstellung her, dass Diät nur im Reformhaus erhältlich sei.
Aus ernährungsphysiologischer und diabetologischer Sicht sollte man nicht um den heißen Brei herumreden, sondern die Form der richtigen Ernährung bei Diabetikern als Diättherapie oder Ernährungstherapie bezeichnen. Es gibt beim Typ 2 Diabetes keine effizientere Behandlung als die Ernährungstherapie. In der größten Langzeitstudie zum Typ 2 Diabetes überhaupt, der UKPDS (United Kingdom Prospective Diabetes Study), hat sich gezeigt, dass etwa jede dritte der ursprünglich zum Einschluss in die Studie vorgesehenen Personen mit neu diagnostiziertem Typ 2 Diabetes mit Diät und ohne jegliche Diabetes-Medikation so gut zu behandeln waren, dass sie nach drei Monaten nicht mehr die Kriterien für die Aufnahme in die medikamentöse Therapiestudie erfüllten.
Auf Grund unserer klaren wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Wirksamkeit der Diät für die Therapie des Typ 2 Diabetes und auch als Grundpfeiler für die Behandlung der anderen Diabetesformen muss vielen im Volkstum noch weit verbreiteten alten Vorstellungen zur besonderen Behandlung des Diabetes mit dem einen oder anderen speziellen Hausmittel eine klare Absage erteilt werden.
Eine diabetesgerechte Kost kann nicht auf das Messen von Kohlenhydraten oder Broteinheiten reduziert werden. Es gibt kaum Bereiche im Leben, die uns tagtäglich so sehr berühren wie Essen, Schmecken und Riechen. Essen ist gleichzeitig auch Kommunikation. In diesem Sinne trägt eine gesunde Kost bei Diabetes, die den Behandlungsbedürfnissen des einzelnen Diabetikers gerecht wird und die Vielfalt des Lebensmittelangebotes nutzt, dazu bei, die Lebensfreude und Lebensqualität zu erhöhen.
Dr. med. Monika Toeller, Deutsches Diabetes-Forschungsinstitut Düsseldorf
Erstellt: Juni 2002