Chronische Entzündung als Ursache des Typ 2 Diabetes
(10.10.2001) Auf der 37. Jahrestagung der Europäischen Diabetes-Gesellschaft (EASD) wurden Ergebnisse zweier Studien vorgestellt, die übereinstimmend finden, dass der Manifestation des Typ 2 Diabetes mellitus eine offenbar jahrelange Phase einer milden und chronischen allgemeinen Entzündung vorausgeht.
In der niederländischen Hoorn-Studie wurden seit 1989 2484 Männer und Frauen im Altersbereich 50-74 Jahre aufgenommen. Zu Beginn erfolgte eine ausführliche Untersuchung einschließlich der Bestimmung zahlreicher Laborparameter und der oralen Glukosetoleranz. Nach 6 Jahren wurde untersucht, wer von den zunächst Gesunden inzwischen einen Typ 2 Diabetes mellitus entwickelt hatte. In der aktuellen Untersuchung prüften M.B. Snijder und Mitarbeiter (Institute for Research in Extramural Medicine, Vrije Universiteit, Amsterdam) das Vorkommen des allgemeinen Entzündungsmarker C-reaktives Protein (CRP) in tiefgefroren gelagerten Serumproben. Dabei zeigte sich, dass Personen, die in der Folgezeit einen Diabetes entwickelt hatten, zuvor fast doppelt so hohe CRP-Spiegel im Blut aufwiesen. Nach Manifestation des Typ 2 Diabetes mellitus wurden ebenfalls erhöhte Spiegel von CRP festgestellt. Das Vorliegen einer erhöhten CRP-Konzentration im Serum erhöhte demnach bedeutend das Risiko der späteren Manifestation eines Typ 2 Diabetes mellitus (Odds Ratio 2,7).
Eine zweite, Populations-basierte Studie (KORA Survey 2000) wurde im Raum Augsburg von dem GSF- Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit in München organisiert. Dabei wurden unter anderem knapp 2000 Männer und Frauen im Alter von 55-74 Jahren in Kooperation mit dem Deutschen Diabetes-Forschungsinstitut auf ihren Stoffwechselstatus hin untersucht. Neben den bekannten und zahlreichen neu entdeckten Fällen von Diabetes wurde auch eine beträchtliche Zahl von Personen mit gestörter oraler Glukosetoleranz (IGT) identifiziert. Für Personen mit IGT ist eine hohes Risiko bekannt, in den nächsten 5 Jahren einen Typ 2 Diabetes mellitus zu entwickeln. Wie nun S. Müller (Deutsches Diabetes-Forschungsinstitut an der Universität Düsseldorf) berichtete, wiesen die Personen mit IGT erhöhte Serumspiegel der Entzündungsmarker CRP, Interleukin 6 (IL-6) und Serum Amyloid A (SAA) auf.
Vergleichbare immunologische Abnormalitäten wurden auch bei Patienten mit Typ 2 Diabetes mellitus gefunden. Hingegen waren die zirkulierenden Konzentrationen des Entzündungsmarkers Tumornekrosefaktor a (TNFa) nicht erhöht.
Damit ergibt sich zusammenfassend der Befund, dass wichtige Vermittler einer allgemeinen Entzündungsreaktion bereits Jahre vor Manifestation des Typ 2 Diabetes mellitus in vermehrtem Umfang gebildet werden und einen Risikofaktor für Typ 2 Diabetes mellitus darstellen. Der vermutete Mechanismus ist die vermehrte Produktion von IL-6 aus Immun- und Fettzellen, was in der Folge die Produktion der Akutphaseproteine CRP und SAA in der Leber anregt. Neben ihren immunologischen haben diese Immunhormone auch Wirkungen auf den Stoffwechsel, und diese könnten zur Ausbildung von Insulinresistenz und metabolischem Syndrom im Vorfeld des Typ 2 Diabetes mellitus beitragen.
Autor: Prof. Dr. rer. nat. Hubert Kolb; Deutsches Diabetes-Forschungsinstitut Düsseldorf
Redaktion: Dr. med. M. Stapperfend, Prof. Dr. med. W. Scherbaum |