DDG-Tagung: Diabetes und Folgeerkrankungen - Neue Präventions-Strategien
(24.05.2004) Neues von der Jahrestagung der Deutschen Diabetes-Gesellschaft in Hannover vom 19. bis 22. Mai 2004
Der Diabetes mellitus, speziell der Typ 2 Diabetes, hat sich zu einer weltweiten Epidemie mit schwerwiegenden Konsequenzen entwickelt. Die wesentlichen Probleme liegen heute weniger in der Gefahr für akute Stoffwechselentgleisungen, als vielmehr in dem Risiko für Folgeerkrankungen mit Organkomplikationen.
Gefäßschädigungen durch Diabetes mellitus
Foto: Deutsche Messe AG, Hannover
Die Komplikationen durch Schädigungen der großen Gefäßen (makrovaskulär), insbesondere Herzinfarkt und Schlaganfall, sind heute die dominierenden Sterblichkeitsfaktoren beim Diabetes mellitus. Wenn hier auch die Begleiterkrankungen Bluthochdruck und gestörter Fettstoffwechsel die wesentlichen Risikofaktoren darstellen, so ist doch das Vorhandensein des Diabetes per se mit einen 2- bis 3-fach erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Komplikationen verbunden.
Die Komplikationen an den kleinen Blutgefäßen (mikrovaskulär), speziell die diabetische Netzhautschädigung (Retinopathie), Nierenschädigung (Nephropathie) und Nervenschädigung (Neuropathie) sind eindeutig eine Funktion der Qualität der Blutzuckereinstellung. Leider wird dieses in der wissenschaftlich-medizinischen Fachliteratur eindeutig belegte Faktum in der aktuellen Diskussion um die erforderliche Qualität der Blutzuckereinstellung immer wieder vergessen.
Je besser die Qualität der Blutzuckereinstellung, gemessen am HbA1c-Wert, desto geringer ist das Risiko für Komplikationen der kleinen Blutgefäße. Darüber hinaus gibt es nun eindeutige wissenschaftliche Nachweise (Evidenz) dafür, dass eine normnahe Blutzuckereinstellung auch bei intensivmedizinisch behandelten Patienten die Ergebnisse bezüglich des wohl härtesten „Endpunktes“, nämlich der Mortalität, signifikant verbessert. Der wesentliche Parameter für eine Einschränkung einer normnahen Stoffwechseleinstellung beim Diabetes ist das Auftreten von Unterzuckerungen, die insbesondere unter Insulintherapie beobachtet werden. Eine differenzierte Insulintherapie beim Typ 2 Diabetes stellt eine neue Strategie der Reduktion dieses Risikos dar.
Das diabetische Fußsyndrom als Folgeerkrankung des Diabetes
Das diabetische Fußsyndrom ist eine der gravierendsten Folgeerkrankungen des Diabetes. Im Jahre 2000 wurden in Deutschland bei Diabetikern etwa 28.000 Amputationen an den unteren Extremitäten durchgeführt. Dies hat für die Betroffenen schwerwiegende gesundheitliche und soziale Konsequenzen. Die Vermeidung von Amputationen ist eines der wesentlichen Ziele der St’ Vincent Deklaration von 1989.
Das Problem des diabetischen Fußsyndroms wird weltweit zunehmend beachtet, so dass die Internationale Diabetesföderation (IDF) dieses Jahr zum Jahr des diabetischen Fußes erklärt hat. Dies nicht zu unrecht, zumal wir wissen, dass durch eine adäquate Vorbeugung und fachgerechte interdisziplinäre Therapie ein Großteil dieser Amputationen verhindert werden können. Rechtzeitig zur diesjährigen Jahrestagung hat die DDG nun evidenzbasierte und Praxisleitlinien zum Diabetischen Fußsyndrom publiziert, in denen die neue Strategie zur Behandlung des diabetischen Fußsyndroms nachgelesen werden kann (Diabetes und Stoffwechsel, Mai 2004 und im Internet auf der Homepage der DDG unter Leitlinien).
Versorgung von Menschen mit Diabetes in Deutschland
Die meisten Menschen mit einem Diabetes mellitus werden vom Hausarzt behandelt. Es ist ein hohes Ziel unserer diabetologischen Bemühungen, die durch wissenschaftliche Untersuchungen als optimal erkannten Versorgungsprozesse möglichst vielen Patienten mit Diabetes zu Gute kommen zu lassen. In Deutschland wurde bereits durch strukturierte Curricula, z.B. Diabetologe DDG, Diabetesberater/in DDG, Diabetesassistent/in DDG sowie durch die Einführung von Diabetes-Schwerpunktpraxen und der Diabetes-Strukturverträge sehr gute Bedingungen für eine wohl als beispielhaft anzusehende Behandlungsqualität für Menschen mit Typ 1 Diabetes geschaffen.
Beim Typ 2 Diabetes sieht das Bild allerdings deutlich schlechter aus. Mit der Einführung von Disease Management Programmen (DMP) sollte durch gesetzliche Regelungen unter verantwortlicher Einbeziehung der Patienten eine Verbesserung der Versorgung von Diabetikern in Deutschland erreicht werden.
Maßnahmen zur Prävention des Diabetes
Die weltweite Zunahme des Diabetes und seiner vielfältigen Komplikationen bedarf neuer Strategien zur Prävention. Dazu gehören sowohl die Primärprävention, das heißt Maßnahmen zur Vermeidung des Diabetes insbesondere durch Beeinflussung des Lebensstils wie Bekämpfung von Adipositas und Immobilität, als auch die Sekundär- und Tertiärprävention, das heißt Maßnahmen zur Vermeidung diabetischer Folgeerkrankungen.
Dies Bedarf auch der breiten Aufklärung der Bevölkerung, wie sie z.B. im Internetforum www.diabetes-deutschland.de, den Broschüren der Deutschen Diabetes Union (DDU) und des Deutschen Diabetiker Bundes (DDB) angeboten wird. Es wird zunehmend erkannt, dass eine globale Strategie erforderlich ist, um die weltweite Diabetesepidemie zu bekämpfen. Die Implementierung der Maßnahmen muss dann national (Nationaler Diabetesplan) und regional in verschiedenartiger Form unter Einbindung zahlreicher Gesellschaftsgruppen in einer konzertierten Aktion erfolgen.
Prof. Dr. med. Werner A. Scherbaum, Deutsches Diabetes-Forschungsinstitut Düsseldorf St’ Vincent Beauftragter der IDF und WHO, Vorsitzender der Leitlinienkommission der DDG, Herausgeber von http://www.diabetes-deutschland.de/
Quelle: Symposium der Firma B. Braun Petzold/ratiopharm GmbH auf der Jahrestagung der Deutschen Diabetes-Gesellschaft in Hannover, 19.05.04 |