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    Defekte Kalium-Kanäle – Ursache für Diabetes bei Neugeborenen
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    Defekte Kalium-Kanäle – Ursache für Diabetes bei Neugeborenen

    (05.07.2004) Dauerhafter Diabetes bei Neugeborenen gilt als seltene Erkrankung und findet sich mit einer Häufigkeit von einem Fall auf 400.000-500.000 Geburten. Die Ursachen waren bisher weitgehend unbekannt. Eine aktuelle Studie (Gloyn et al., 2004) berichtet jetzt, dass das Syndrom in vermutlich etwa einem Drittel aller Fälle auf einen Defekt im so genannten ATP-sensitiven Kaliumkanal zurückgeführt werden kann.

    Kleines Baby

    Der ATP-sensitive Kaliumkanal besitzt eine Schlüsselrolle bei der Insulinsekretion. Er findet sich in der Plasmamembran der Insulin-sezernierenden Beta-Zelle des Pankreas und wird normalerweise geschlossen, wenn der Blutzucker steigt. Die Regulation des Kanals durch den Stoffwechsel ist Voraussetzung für die Steuerung der Insulinsekretion.

    Defekte im ATP-sensitiven Kaliumkanal, welche die Empfindlichkeit gegenüber ATP abschwächen, müssten folglich einen Mangel an Insulin und damit Diabetes auslösen. Kürzlich wurde publiziert, dass dieser Mechanismus über eine weit verbreitete Genvariation wahrscheinlich wesentlich zur Ausbildung des Altersdiabetes beiträgt (Schwanstecher et al., 2002).

    Gloyn und Kollegen haben das Gen (KCNJ11) für die porenbildende Untereinheit des Kanals (Kir6.2) bei 29 Patienten mit neonatalem Diabetes sequenziert. Bei 13 Patienten wurden Defekte in dem Gen entdeckt. In den meisten Fällen handelte es sich dabei um den Austausch eines Argininrestes im C-Terminus des Proteins (R201H oder R201C).

     


    Liegt in Position 23 der Aminosäu-
    rekette Lysin anstelle von Glutamat
    vor, so ist die Wahrscheinlichkeit
    größer, dass der Kanal in seinen
    geöffneten Zustand fällt: Die Frei-
    setzung von Insulin wird gehemmt.
    Foto: Schwanstecher, TU Braun-
    schweig
    Dieser Austausch bewirkt eine deutliche Herabsetzung der Empfindlichkeit des Kanals gegenüber ATP. Er wird deshalb nicht mehr vollständig geschlossen, wenn der Blutzucker ansteigt. Dies führte bei den Patienten zu einer völligen Aufhebung der regulierten Insulinsekretion, obgleich der Defekt in allen Fällen heterozygot, also nur in einem der beiden Gene für den Kanal vorlag.

    Bei den übrigen Fällen wurden Defekte in drei weiteren Positionen des Kanalproteins nachgewiesen (Q52R, V59M,. V59G und I296L). Bei den meisten Patienten lag hierbei eine Symptomatik vor, die sich deutlich von der bei Austausch des Argininrestes in Position 201 unterschied. Neben dem neonatalen Diabetes kam es zu erheblichen Störungen der motorischen, intellektuellen und sozialen Entwicklung und einer allgemeinen Schwäche der Skelettmuskulatur. Außerdem wurden Epilepsie und Fehlbildungen bei Mund, Augen und Beinen beobachtet.

    Diese zusätzlichen Symptome kommen wahrscheinlich dadurch zustande, dass die betroffene Kanaluntereinheit auch am Aufbau ATP-sensitiver Kaliumkanäle in der Skelettmuskulatur und dem Nervensystem beteiligt ist. Unklar ist derzeit allerdings noch, warum die erweiterte Symptomatik nur von einigen Kanaldefekten hervorgerufen wird (Q52R, V59M, V59G und I296L, nicht aber durch R201H und R201C).

    Bei der Behandlung des Altersdiabetes spielen Substanzen eine wichtige Rolle, durch welche die Insulinsekretion angeregt wird. Zu dieser Gruppe von Medikamenten gehören z.B. Tolbutamid, Glibenclamid, Glimepirid, Repaglinid und Nateglinid. Sie stimulieren die Freisetzung von Insulin, indem sie an die regulatorische Untereinheit des ATP-sensitiven Kaliumkanals in der B-Zelle des Pankreas (SUR1) binden.

    Trotz kompletten Fehlens der Glucose-induzierten Insulinsekretion wurde bei einigen der Patienten mit einem Austausch des Argininrestes in Position 201 ein intaktes Ansprechen auf Tolbutamid beobachtet. Orale Antidiabetika könnten deshalb bei bestimmten Patienten mit neonatalem Diabetes zur Therapie der Wahl werden und die Behandlung mit Insulin ersetzen.

    Die Studie zeigt, dass vermutlich etwa ein Drittel aller Fälle des permanenten neonatalen Diabetes (Diabetes bei Neugeborenen) auf aktivitätserhöhende Defekte im ATP-sensitiven Kaliumkanal der Beta-Zelle des Pankreas zurückzuführen sind. Bei einem Teil dieser Defekte bleibt die Empfindlichkeit gegenüber Sulfonylharnstoffen erhalten.

    In Folgestudien wird zu klären sein, ob diese Patienten auf orale Antidiabetika umgestellt werden können. Die Arbeit von Gloyn und Kollegen stützt die Schlussfolgerung, dass eine Aktivitätserhöhung der ATP-sensitiven Kaliumkanäle auch bei der Entwicklung des typischen Altersdiabetes eine wichtige Rolle spielen könnte.


    Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. habil. Mathias Schwanstecher, Institut für Pharmakologie und Toxikologie, Technische Universität Braunschweig

    Quellen:
    Gloyn AL, Pearson ER, Antcliff JF, Proks P, Bruining GJ, Slingerland AS, Howard N, Srinivasan S, Silva JM, Molnes J, Edghill EL, Frayling TM, Temple IK, Mackay D, Shield JP, Sumnik Z, van Rhijn A, Wales JK, Clark P, Gorman S, Aisenberg J, Ellard S, Njolstad PR, Ashcroft FM, Hattersley AT: Activating mutations in the gene encoding the ATP-sensitive potassium-channel subunit Kir6.2 and permanent neonatal diabetes. N Engl J Med 350:1838-1849, 2004

    Schwanstecher C., Meyer U., Schwanstecher M.: KIR6.2 polymorphism predisposes to type 2 diabetes by inducing overactivity of pancreatic ß-cell ATP-sensitive potassium channels. Diabetes 51: 875-879, 2002

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