Diagnose Typ 2 Diabetes: Immer mehr jüngere Menschen sind betroffen
(01.04.2005) Jährlich sterben weltweit etwa 3,2 Millionen Menschen an den Folgen einer Diabeteserkrankung – diese aktuell von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) veröffentlichte Zahl ist dreimal höher als bisher angenommen. Laut WHO können jede Minute sechs Todesfälle dem Diabetes zugeordnet werden. Die meisten Todesfälle bei Diabetikern lassen sich auf Herz-Kreislauferkrankungen mit ihren Folgen Herzinfarkt und Schlaganfall zurückführen. Besonders betroffen sind die westlichen Industrienationen.
Allein in Deutschland wird die Anzahl der Diabetiker derzeit auf mindestens 5 Millionen geschätzt. In den nächsten 10 Jahren soll sich die Zahl sogar verdoppeln. Alarmierend ist vor allem die hohe Dunkelziffer. Bei Personen im Alter zwischen 55 und 74 Jahren, die zufällig über die Einwohnermeldeämter ausgewählt wurden, lag bei jedem Sechsten (fast 17 Prozent) ein Diabetes vor – ungefähr die Hälfte der Betroffenen wussten allerdings nichts von ihrer Erkrankung. Ähnlich wie bei Personen mit bereits bekanntem Diabetes litten die neu entdeckten Diabetiker oft gleichzeitig unter einem Bluthochdruck und schlechten Fettwerten.
Mehr als 90 Prozent aller Diabetiker haben einen Typ 2 Diabetes, der früher oft auch als „Alterszucker“ bezeichnet wurde. Schon längst trifft diese Bezeichnung aber nicht mehr zu, denn es gibt mittlerweile viele „jüngere“ Erwachsene, die ebenfalls betroffen sind. Besonders bedrohlich ist die Tatsache, dass sich der Typ 2 Diabetes immer häufiger auch bei übergewichtigen Kindern und Jugendlichen findet. Neben den typischen Diabeteskomplikationen an Augen, Nieren oder Füßen haben Typ 2 Diabetiker ein besonders hohes Risiko für Schäden an Gefäßen und Herz: Die große Mehrheit dieser Patienten verstirbt frühzeitig an einem Herzinfarkt oder Schlaganfall.
Amerikanische Wissenschaftler haben jetzt am Beispiel der USA berechnet, wie sich das Durchschnittsalter bei Diagnosestellung einer Typ 2 Diabeteserkrankung in den letzten 10-15 Jahren verändert hat. Grundlage waren Daten US-amerikanischer Gesundheitsregister aus den Jahren 1988 bis 2000. In die Auswertung eingeschlossen wurden 21.397 Personen, die mindestens 20 Jahre alt oder älter waren. Hiervon war bei 1.271 Patienten ein Typ 2 Diabetes bekannt und dokumentiert. Die Berechnungen zeigen, dass das Durchschnittsalter bei Diagnose einer Typ 2 Diabeteserkrankung im genannten Zeitraum deutlich abgesunken war von im Mittel 52 auf 46 Jahre. Mit anderen Worten: Im Jahr 2000 war jeder erwachsene Amerikaner, bei dem ein Typ 2 Diabetes festgestellt wurde, im Durchschnitt erst 46 Jahre alt. Auch für die europäischen Industrienationen dürfte ein ähnlicher Trend zu erwarten sein.
Bei der Beurteilung der Analyse aus den USA sind verschiedene Aspekte zu berücksichtigen. Hierzu gehört unter anderem, dass sich die Diagnosekriterien für eine Diabeteserkrankung im Laufe der Jahre verändert haben: Die Blutzucker-Grenze, ab der von einem Diabetes gesprochen wird, ist immer weiter herabgesetzt worden. Ebenso haben sich das Wissen und die Wahrnehmung um die Erkrankung und damit auch die diagnostischen Möglichkeiten erweitert. Darüber hinaus bestätigen die Ergebnisse aber auch, dass das Durchschnittsalter von Typ 2 Diabetikern tatsächlich immer weiter nach vorne rückt – und damit bei vielen sicherlich auch das Auftreten von bedrohlichen Folgekomplikationen.
Dr. med. Anja Lütke, freie Mitarbeiterin der Deutschen Diabetes-Klinik des Deutschen Diabetes-Zentrums an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Leibniz-Zentrum für Diabetes-Forschung
Quelle: Koopman RJ, Mains AG, Dia VA et al.: Changes in Age at Diagnosis of Type 2 Diabetes Mellitus in the United States, 1988 to 2000. Ann Fam Med 2005; 3: 60-63 |