Zahl der unentdeckten Diabetiker weitaus höher als angenommen
(21.02.2003) Unentdeckter Diabetes in der Bevölkerung viel häufiger als angenommen - Neueste Studienergebnisse zeigen erschütternde Zahlen. Was ist zu tun?
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Pressekonferenz zur KORA-Studie im Deutschen Diabetes Forschungsinstitut Düsseldorf |
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Düsseldorf: "Erschütternd" häufig ist in Deutschland ein unentdeckter Diabetes: Ging man bisher davon aus, dass auf zwei diagnostizierte Diabetiker mit einem Fall einer unentdeckten Zuckerkrankheit zu rechnen ist, so zeigen neueste Daten, dass die Situation noch weitaus gravierender ist:
Demnach leiden 8,2 Prozent der 55 bis 74Jährigen an einem Diabetes mellitus, ohne dass dieser zuvor bekannt gewesen wäre. "Die Rate der nicht entdeckten Erkrankungen ist damit in dieser Altersgruppe ebenso hoch wie die Rate der bekannten Diabetiker", erklärte Dr. Wolfgang Rathmann MSPH (USA) vom Deutschen Diabetes-Forschungsinstitut in Düsseldorf (DDFI) bei der Präsentation der Resultate des so genannten KORA Survey 2000 (Cooperative Health Research in the Region of Augsburg), einer Kooperationsstudie des DDFI mit dem GSF-Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit in München-Neuherberg.
In der Erhebung wurde bei einer repräsentativen Stichprobe von 1.300 Einwohnern im Raum Augsburg im Alter zwischen 55 und 74 Jahren nach einem bisher unentdeckten Typ 2-Diabetes gefahndet. Das Ergebnis: 8,4 Prozent der Studienteilnehmer wussten, dass sie Diabetiker sind. Ebenso hoch aber war mit 8,2 Prozent die Zahl derjeniger, die ebenfalls eine diabetische Stoffwechsellage aufwiesen, dies jedoch nicht wussten. Männer waren dabei deutlich häufiger betroffen als Frauen und das nach Rathmann vor allem in der Gruppe der 55 bis 60Jährigen. Nach Angaben des Wissenschaftlers muss somit hierzulande in der genannten Altersgruppe mit einem Anteil von 17 Prozent an Diabetikern gerechnet werden. "Damit ist die Diabeteshäufigkeit in Deutschland eine der höchsten in Europa", so Rathmann.
Blutzucker: Bei 40 Prozent der 55-74Jährigen finden sich Auffälligkeiten
Besonders bedenklich ist nach seinen Worten, dass ein Bluthochdruck sowie Fettstoffwechselstörungen bei den Betroffenen ebenso häufig waren wie bei Patienten mit bekanntem Diabetes. Das zeigt nach Rathmann klar, dass bereits ein deutlich erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen besteht, auch wenn der Diabetes noch nicht über Beschwerden in Erscheinung getreten ist.
Erschreckend ist nach den Worten des Mediziners ein weiterer Befund: Sieben Prozent hatten abnorme Nüchtern-Blutzuckerwerte und bei rund 16 Prozent der Studienteilnehmer zeigte sich eine Art Vorstadium des Typ 2-Diabetes. Sie reagierten im Zuckerbelastungstest (oraler Glukosetoleranztest) mit Auffälligkeiten im Sinne einer gestörten Glukosetoleranz. Dabei ist bekannt, dass pro Jahr rund 6 Prozent der Personen mit einem solchen Befund einen Diabetes mellitus entwickeln werden. "Insgesamt wiesen somit nur etwa 60 Prozent der 55 bis 74 Jährigen einen normalen Zuckerstoffwechsel auf", mahnte der Düsseldorfer Epidemiologe.
Das Ergebnis dokumentiert nach Professor Dr. Werner Scherbaum, Direktor der Klinik des Deutschen Diabetes Forschungsinstitutes, dass die Anstrengungen zur Früherkennung des Diabetes in Deutschland unbedingt intensiviert werden müssen. Dieser Forderung schloss sich auch Professor Dr. Peter Bottermann, München, als Sprecher der Deutschen Diabetes Gesellschaft an. Scherbaum sprach sich jedoch nicht für ein Diabetes-Screening aller Bundesbürger aus. Dies sei weder sinnvoll noch finanzierbar. Effektiver ist ein Screening bei Risikogruppen, z.B. beim Vorliegen von Übergewicht, Bluthochdruck, zu hohen Blutfettwerten und/oder einer familiären Diabetes- Belastung. Durch ein einfaches Messen der morgendlichen Blutzuckerwerte wäre nach Angaben der Wissenschaftler so die Mehrzahl der bis dato unentdeckten Diabetiker des KORA Survey zu entdecken gewesen.
Pressekonferenz am Deutschen Diabetes-Forschungsinstitut Düsseldorf zur Kora-Studie, 20.02.03
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