Vitamin D und Risiko für Typ 1 Diabetes
(25.03.2002) Eine immunsuppressive Wirkung von Vitamin D wird bereits seit längerem bei verschiedenen Autoimmunerkrankungen vermutet. Es lag daher nahe, auch einer möglichen Bedeutung des Vitamins D bei der Entstehung des Typ 1 Diabetes mellitus nachzugehen.
In experimentellen Studien bei der NOD-Maus, dem klassischen Tiermodell für diese Erkrankung, konnte gezeigt werden, dass eine Behandlung der Tiere mit der aktiven Form von Vitamin D oder Analogen die Entwicklung einer Insulitis verhindert [Diabetes 41 (1992) 1491].
Beim Menschen erbrachten bislang nur 2 europäische Fall-Kontroll-Studien Hinweise, dass eine Vitamin D-Supplementierung in der frühen Kindheit das Risiko für die Entwicklung eines Diabetes-Typ-1 vermindert [Diabetologia 42 (1999) 51, Diabetologia 43 (2000) 1093]. Die Effekte waren aber gering, die Aussagekraft wegen methodischer Limitationen begrenzt. Die jetzt vorgelegten Daten sind zweifellos der stärkste Hinweis, dass eine Vitamin D-Supplementierung eine protektive Wirkung im Hinblick auf das Typ 1 Diabetesrisiko besitzt. Der Befund kann nicht hoch genug eingeschätzt werden, weil es bislang kaum gesicherte Erkenntnisse über Einflußfaktoren beim Menschen gibt und damit kaum Möglichkeiten zur Prävention der Erkrankung.
Bei der Bewertung dieser Studie muss man sich aber auch ihre Besonderheiten vor Augen führen. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass Finnland die weltweit höchste Inzidenz des Diabetes-Typ-1 aufweist, etwa 3 mal so hoch wie in Deutschland (ca. 45 vs. 15 Fälle/100 000 Personen/Jahr bei Kindern und Jugendlichen unter 15 Jahren). Die hohe Diabetesinzidenz wurde lange mit den klimatischen Bedingungen und der daraus resultierenden Infekthäufigkeit in Verbindung gebracht. Diese Studie weist in eine andere Richtung, nämlich dass die hohe Diabetesinzidenz mit der niedrigen Sonnenexposition und damit einem Vitamin D-Mangel zusammenhängen könnte.
Bekanntlich gibt es eine enge Beziehung zwischen Vitamin D-Produktion und UV-Lichteinstrahlung. Allerdings reicht bereits eine relativ geringe Sonnenexposition von 3 mal 15 Minuten pro Woche, um die benötigte Vitamin D-Menge bereitzustellen. Daneben gibt es aber weitere Faktoren, die den Vitamin D-Status beim Menschen beeinflussen wie z. B. die Aufnahme von Vitamin D über die Nahrung, Hauttyp oder Polymorphismen im Vitamin D-Rezeptorgen. In einer deutschen Studie wurde kürzlich ein Zusammenhang zwischen Variationen im Vitamin D-Rezeptorgen und der Inzidenz des Diabetes-Typ-1 bei Kindern und Jugendlichen beobachtet [Diabetes 49 (2000) 504].
In der referierten Studie wurde lediglich erfasst, inwieweit die untersuchten Personen im 1. Lebensjahr mit Vitamin D supplementiert wurden. Diese Information wurde sehr sorgfältig dokumentiert, unklar ist dagegen wie hoch die Vitamin D-Aufnahme im weiteren Kindes- und Jugendalter war, zumal gerade in Finnland die Verwendung Vitamin D-angereichter Milch und Milchprodukte stark propagiert wurde. Ein weiterer Nachteil der Studie war, dass nur ein sehr kleiner Teil der untersuchten Personen ohne Vitamin D-Supplementierung blieb (n = 32 oder 0,3 %, davon entwickelten 2 später einen Diabetes-Typ-1), so dass die Größe des Effekts relativ unsicher sein dürfte.
Ein weiterer diskussionswürdiger Aspekt ist die Menge des zugeführten Vitamin D. Diese lag Anfang der 60iger Jahre in Finnland bei 4 000 bis 5 000 IU und wurde seitdem aus verschiedenen Gründen schrittweise bis auf heute etwa 400 IU reduziert. Damit stellt sich die Frage, inwieweit die in Deutschland empfohlene Menge von 500 IU Vitamin D ausreicht, um eine protektive Wirkung zu erzielen. Die Autoren halten dies für einen wichtigen Punkt und gehen sogar soweit, dass sie den Anstieg der Diabetesinzidenz in Finnland in den letzten 4 Jahrzehnten auf die veränderten Supplementierungsempfehlungen sowie auf eine abnehmende Einnahmecompliance für Vitamin D zurückführen.
Diese Studie wird das Augenmerk der Diabetesforschung zweifellos stärker auf die Bedeutung des Vitamin D lenken, gleichzeitig wirft sie aber eine Reihe von Fragen auf, die sich derzeit nicht beantworten lassen und eine Bewertung der klinischen Bedeutung dieses Befundes erschweren. Hierzu sind sicherlich weitere klinische Studien erforderlich. Die Daten erlauben aber zumindest die Schlussfolgerung, dass die frühkindliche Supplementierung mit Vitamin D zur Rachitisprophylaxe, die in Deutschland nicht immer konsequent durchgeführt wird, wieder stärker propagiert wird. Diese Empfehlung dürfte besonders für Kinder von Eltern mit Typ 1 Diabetes wichtig sein, da in diesen Fällen das Risiko um das 10 bis 20fache erhöht ist.
Prof. Dr. Hans Hauner, Deutsches Diabetes-Forschungsinstitut, Düsseldorf
Quelle: Hyppönen E, Läära E, Reunanen A, Järvelin MR, Virtanen SM: Intake of Vitamin D and risk of type 1 diabetes: a birth-cohort study. Lancet 358 (2001) 1500-1503
aus: DGE-info, Informationsdienst der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e. V., Ausgabe 3/2002.
Redaktion: Dr. med. M. Stapperfend, Prof. Dr. med. W. Scherbaum
|