Schon leicht erhöhte Blutzuckerwerte gefährden das Herz
(30.03.2005) Es ist bekannt, dass Patienten mit einer Diabetes-Erkrankung besonders anfällig sind, eine Herzschwäche (= Herzinsuffizienz) zu entwickeln. Herzschwäche oder Herzinsuffizienz bedeutet, dass die „geschwächte“ Herzmuskulatur nicht mehr in der Lage ist, ausreichend Blut in den Körperkreislauf zu pumpen. Wissenschaftler aus Island haben vor kurzem untersucht, ob von dem erhöhten Herzinsuffizienz-Risiko auch Personen betroffen sind, die zwar noch keinen Diabetes haben, bei denen die Blutzuckerwerte aber bereits leicht erhöht sind.
In die Reykjavik Studie wurden zwischen 1967 und 1997 insgesamt 19.381 Teilnehmer eingeschlossen und bis zum Jahr 2002 beobachtet. Die Personen waren bei Aufnahme in die Studie zwischen 33 und 84 Jahre alt. Unter anderem unterzogen sich die Teilnehmer Messungen der Nüchtern-Blutzuckerwerte und einem Zuckerbelastungstest (oraler Glukosetoleranztest = oGTT). Anhand der Blutzucker-Messergebnisse wurden die Teilnehmer in drei Gruppen eingeteilt:
- Diabetiker
- Patienten mit gestörter Glukosetoleranz (Vorstadium einer Diabeteserkrankung mit bereits leicht erhöhten Blutzuckerwerten, oft auch als „Prädiabetes“ bezeichnet)
- Personen mit normalen Blutzuckerwerten
Die Einteilung orientierte sich an den Diagnosekriterien der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Zusätzlich wurde gemäß den Richtlinien der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie anhand einer Röntgenaufnahme des Brustkorbs, eines EKGs und klinischer Zeichen beurteilt, ob beim jeweiligen Teilnehmer eine Herzinsuffizienz vorlag oder nicht.
Die Auswertung der Ergebnisse zeigte, dass die Herzinsuffizienz-Häufigkeit bei den Teilnehmern mit Diabetes oder gestörter Glukosetoleranz am höchsten war: Während „nur“ bei einer von 31 Personen (3,2%) mit normalen Blutzuckerwerten eine Herzinsuffizienz vorlag, fand sich eine solche Störung immerhin bei etwa jedem siebzehnten (6,0 Prozent) Teilnehmer aus der Gruppe mit gestörter Glukosetoleranz und sogar bei fast jedem achten Diabetiker (11,8 Prozent). Insgesamt war jeweils einer von 200 Männern (0,5 Prozent) und eine von 250 Frauen (0,4 Prozent) gleichzeitig von einer Diabeteserkrankung und einer Herzinsuffizienz betroffen.
Wesentliche Risikofaktoren für eine Herzinsuffizienz sind Bluthochdruck, das Vorliegen einer koronaren Herzerkrankung und auch ein gestörter Zuckerstoffwechsel mit dauerhaft erhöhten Blutzuckerwerten. Die Ergebnisse der Reykjavik-Studie machen deutlich, dass letztere das Entstehen einer Herzinsuffizienz auch bereits fördern können, wenn der Blutzucker nur leicht erhöht ist und noch kein manifester Diabetes vorliegt. Zu ganz ähnlichen Ergebnisse kommt eine weitere, ebenfalls erst kürzlich veröffentlichte Untersuchung aus Nevada, USA. Auch hier wurde in einem großen Kollektiv von 20.810 Nicht-Diabetikern nachgewiesen, dass Personen mit nur leicht erhöhten Blutzuckerwerten – allerdings noch unterhalb der für eine Diabeteserkrankung definierten Grenze – sehr viel häufiger von einer Herzschwäche betroffen sind als Teilnehmer mit völlig normalen Blutzuckerwerten. FAZIT: Bei Diabetes-gefährdeten Personen sollte bereits frühzeitig nach Störungen der Herzfunktion gefahndet werden.
Dr. med. Anja Lütke, freie Mitarbeiterin des Deutschen Diabetes-Zentrums an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Deutsche Diabetes-Klinik
Quellen: Thrainsdottir IS, Aspelund T, Thorgeirsson G et al.: The Association Between Glucose Abnormalities and Heart Failure in the Population-Based Reykjavik Study. Diabetes Care 2005; 28: 612-616 Nielson C, Lange T: Blood Glucose and Heart Failure in Nondiabetic Patients. Diabetes Care 2005; 28: 607-611
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