Diabetes mellitus und Herzinfarkt
(23.11.2001) Ist das Überleben von Diabetikern nach einem Herzinfarkt besonders stark gefährdet?
Nach dem derzeitigen Kenntnisstand haben Diabetiker ein 2 - 4-fach erhöhtes Risiko an einer Koronaren Herzkrankheit (KHK) zu erkranken.
Deren wichtigste Komplikation, der Herzinfarkt, ist trotz wirksamer Therapien immer noch eine der häufigsten Todesursachen in unserer Wohlstandsgesellschaft. Das besonders hohe Risiko für Diabetiker, an den Folgen eines Herzinfarktes zu versterben, ist ebenfalls nachgewiesen. Außerdem weiß man, dass nach einem Herzinfarkt das Risiko, einen weiteren zu erleiden (Reinfarkt), sehr hoch ist. Jeder Herzinfarkt schwächt das Herz weiter, so dass vorbeugende Maßnahmen (Aspirineinnahme, spezielle Betablocker u.a.) für alle Herzinfarktpatienten - auch Nicht-Diabetiker - von lebenswichtiger Bedeutung sind.
Amerikanische Mediziner aus Massachusetts wollten nun genauer wissen, wie der Diabetes mellitus das Überleben der Patienten nach einem Herzinfarkt beeinflusst. Dazu wurden 400 Diabetiker, die an einer amerikanischen Studie mit knapp 2000 Patienten (Determinants of Myocardial Infarktion Onset Study) teilgenommen hatten, betrachtet. Die Diabetiker wurden nach dem Herzinfarkt im Durchschnitt 4 Jahre lang beobachtet.
Ergebnisse:
Die Beobachtung, dass die Kombination aus Diabetes mellitus und Herzinfarkt besonders gefährlich für Frauen ist, konnte im Rahmen dieser Untersuchung noch einmal bestätigt werden. Dies betrifft besonders den Zeitraum nach der stationären Entlassung. Die Mediziner aus Massachusetts machten noch eine weitere Beobachtung. Das Risiko für Diabetiker ( Männer und Frauen), an den Folgen eines Herzinfarktes zu versterben, ist genauso hoch wie das, nach einem ersten Infarkt einen zweiten zu erleiden und daran zu versterben (2-fach erhöhten Sterblichkeits-Risiko über 4 Jahre). Damit nimmt die Stoffwechselstörung einen wichtigeren Stellenwert für das Überleben nach einem Herzinfarkt ein, als man das bisher vermutete. Ob die Diabetiker mit Insulin, Tabletten (oralen Antidiabetika) oder mit der Kombination aus beidem behandelt wurden, spielte dabei keine Rolle. Die Resultate stimmen mit denen vorheriger Studien überein.
Die besonders schlechte Prognose von Diabetikern mit Herzinfarkt wird u.a. auf die eventuelle Vorschädigung des Herzmuskels durch sog. "stumme Infarkte" oder die Schädigung der Blutgefäße durch chemische Abfallprodukte (Advanced Glycation End Products = AGE) und freie Radikale zurückgeführt.
Wie bei allen medizinischen Studien ist eine kritische Analyse der Untersuchungsergebnisse sehr wichtig. Innerhalb des Studienzeitraumes war der positive Effekt einer intensiven Blutzuckerkontrolle auf das Risiko für Herzkreislauferkrankungen noch nicht bestätigt. Deshalb wurde während des Beobachtungszeitraumes die Behandlung von erhöhten Blutzuckerwerten nicht so strikt gehandhabt, wie es heute selbstverständlich ist.
Allerdings lässt sich die Tatsache, dass der Diabetes mellitus mit einer wesentlich höheren Sterblichkeitsrate nach akuten Herzinfarkten assoziiert ist, nicht leugnen. Diese Tatsache verlangt von Ärzten und Patienten eine aggressive Behandlung von Bluthochdruck, hohe Blutzuckerwerte, Übergewicht und Nikotinkonsum (koronare Risikofaktoren). Die behandelnden Ärzte sollten außerdem, insbesondere Diabetikern, alle Möglichkeiten zur Vermeidung eines erneuten Infarktes zu Gute kommen lassen (Bypass-Operationen zur Verbesserung der Durchblutung des Herzmuskels, Aspirintherapie, spezielle Betablocker u.a.).
Anja Neufang-Sahr, Prof. Dr. med. W. Scherbaum; Deutsches Diabetes-Forschungsinstitut Düsseldorf
Quelle: K. J. Mukamal et al, impact of Diabetes on Long-Term Survival after acute myocardial infarction Diabetes Care, Vol. 24, No. 8, 2001 |