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    Brauchen wir so viele verschiedene Insuline?
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    Brauchen wir so viele verschiedene Insuline?

    (12.07.2004) Heute werden in Deutschland fast ausschließlich Humaninsulin und – bio- oder auch semisynthetisch hergestellte – Humaninsulinanaloga verwendet, während die natürlicherweise vorkommenden „Humaninsulinanaloga“, das Schweineinsulin sowie das – in noch geringerer Menge eingesetzte – Rinderinsulin kaum mehr Verwendung finden. Der Anteil der Humaninsuline beträgt etwa 2/3, der Insulinanaloga etwa 1/3, tierische Insuline unter 1 Prozent. Bezüglich der Molekülstruktur wird auszuführen sein, warum auch künstlich hergestellte Humaninsulinanaloga verwendet werden und nicht nur Humaninsulin.

    Insulininjektion
    Insulininjektion

    Die Begründung für den – höchst seltenen – Einsatz von Schweineinsulin (Novo Semilente®) liegt darin, dass beim (echten) Dawn-Phänomen (nicht zufolge nachlassender „Basal“-Insulinwirkung über die Nacht!) in den frühen Morgenstunden der Blutzucker zufolge besonders starker Aktivierung der gegenregulatorischen Hormonsekretionen ansteigt und das Insulin Semilente die besondere Eigenschaft hat, gerade in den frühen Morgenstunden in stärkerem Maße die freien Insulinspiegel im Blut zu erhöhen und somit den Blutzucker abzusenken.

    Normalinsulin (auch “reguläres Insulin“ oder „Altinsulin genannt) braucht eine gewisse Zeit, um resorbiert zu werden, deshalb auch das Einhalten eines genügend langen Spritz-Ess-Abstandes vor den Mahlzeiten, während nach den Mahlzeiten die Spiegel noch länger hoch bleiben, deshalb Notwendigkeit von Zwischenmahlzeiten. Dies ist mit den rasch resorbierbaren Insulinanaloga (Lispro-Insulin, Humalog®, aspart-Insulin, Novorapid®) nicht in diesem Maße nötig. Die kurz wirkenden Insulinanaloga können, falls erforderlich, z. B. in der Pädiatrie, sogar mit guter Wirkung noch nach dem Essen gespritzt werden. Die Zahl der Hypoglykämien wird durch diese Insulinpräparate verringert, insbesondere die der nächtlichen Hypoglykämien.

    Das lange verwendete Verzögerungsprinzip für Insuline war Zink. Kristallisierte Zinkinsuline (Ultratard®) zeigen aber ein sehr inkonstantes Wirkprofil und müssen vor einer Injektion minutenlang gemischt werden. Aber auch dann ist die Resorption oft noch schwankend. Deshalb werden diese kristallisierten Zinkinsuline heute kaum mehr verwendet. Das amorophe, zinkverzögerte Insulin Semilen® hat noch einen kleinen Einsatzbereich beim echten Dawn-Phänomen (s.o.). Gegenwärtig werden als Verzögerungsinsuline hauptsächlich mit Protamin verzögerte neutrale Insulinpräparationen angewandt, sogenannte NPH-Insuline.

    Diese Präparate werden als „Basalinsuline“ bezeichnet, was eigentlich ein „Etikettenschwindel“ ist, da es sich, wie auch in der Roten Liste korrekterweise angeführt, um nur mittellang wirkende „Intermediär-Insuline“ handelt. Werden sie zur Basisinsulinversorgung verwendet, muss man sie in der Regel mindestens 2, besser 3 oder manchmal auch 4 x spritzen.

    Als echtes Langzeitinsulin steht das lang wirkende Insulinanalog Glargin (Lantus® der Firma Aventis) zur Verfügung, welches klar gelöst ist, bei leicht saurem pH von 4,0 und welches zufolge der Präzipitation im subcutanen Gewebe mit neutralem pH durch langsamere Lösung eine etwa 24 Stunden anhaltende, recht gleichmäßig Insulinversorgung gewährleistet.

    Ein zweites Langzeitinsulin (Detemir, Levemir® der Firma Novo Nordisk) soll noch in diesem Jahr ausgeboten werden. Die Verzögerung erfolgt hier nicht durch pH-Änderung und abgeänderte Molekülstruktur, sondern durch Ankopplung einer Fettsäure, welche sich dann an das endogene Albumin im Körper bindet und dadurch die Verzögerung bewirkt. Dieses Insulin muss allerdings zur Erzielung einer gleich hohen Wirkung vierfach höher dosiert werden. Es wirkt sehr konstant und gleichmäßig, aber nicht ganz so lang wie das Insulin Glargin.

    Brauchen wir wirklich so viele Insuline?

    Bei den Normalinsulinen und den NPH-Insulinen lautet die Antwort wohl „Nein“. Hier sind die Präparationen der verschiedenen Insulinanbieter recht identisch. Es behauptet zwar die eine oder die andere Firma, z. B. das Prinzip der „Isophanie“ am besten zu beherrschen, die Unterschiede sind bei der heutigen Technologie jedoch verschwindend gering und, wenn vielleicht auch da und dort noch vorhanden, ohne klinischeBedeutung.

    Gleiches gilt wohl auch für die kurz wirkenden Insulinanaloga: Lispro-Insulin und Aspart-Insulin sind praktisch in jeder Hinsicht wirkungsgleich und dies gilt für das auch in diesem Jahr noch in den Handel kommende, rasch und kurz wirkende Glulisin-Insulin der Firma Aventis (der Handelsname wird Apidra® sein).

    Anders sieht es bei den Langzeit-Insulinen, dem Insulin Glargin und dem Insulin Detemir aus, und auch bei dem Schweineinsulin Semilente: Das Einsatzgebiet für Semilente ist schon oben beschrieben worden, es ist das (echte) Dawn-Phänomen, wo sonst nur die Insulinpumpe wirkliche Abhilfe schaffen könnte, welche dann so programmiert wird, dass die Basalrate in den frühen Morgenstunden rechtzeitig kräftig genug angehoben wird. Glargin-Insulin (Lantus®) hat eine ausgeprägte Langzeitwirkung mit einem recht flachen, wenn auch nicht völlig „peaklosen“ Wirkprofil. Bei Insulin Detemir (der Handelsname wird Levemir® sein) ist die Wirkung kürzer, lediglich in höheren Dosierungen (ab 0,4 I.E/kg Körpergewicht) wird eine 24-h-Wirkung erreicht, mit einem etwas ausgeprägteren Peak. Es wird vermutlich häufig 2 x täglich zu geben sein. Dafür zeichnet es sich durch eine sehr konstante, reproduzierbare Wirkung aus.


    Prof. Dr. med. Helmut Schatz, Direktor der Medizinischen Universitätsklinik Bergmannsheil der Ruhr-Universität Bochum; Fachbeirat von www.diabetes-deutschland.de
    Meldung der Deutschen Diabetes-Gesellschaft (DDG) zur 39. Jahrestagung der Deutschen Diabetes-Gesellschaft im Mai 2004 in Hannover

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