"Unterzuckerungen"
(16.01.2002) Interview mit Prof. Dr. med. Rüdiger Landgraf, Mitglied im Fachbeirat von www.diabetes-deutschland.de
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Die Angst vor überhöhten Blutzuckerwerten quält fast alle Diabetiker. Sehr niedrige Werte - also Unterzuckerungen- werden dagegen von vielen auf die leichte Schulter genommen. Warum?
Prof. Dr. med. R. Landgraf: Vielen Patienten ist offensichtlich nicht klar, was sie damit riskieren. Wenn es bei der Behandlung um möglichst normale Blutzuckerwerte geht, dann schließt das die Vermeidung häufiger und vor allem schwerer Unterzuckerungen mit ein.
Wie gefährlich sind Unterzuckerungen für das Gehirn?
Prof. Dr. med. R. Landgraf: Das lässt sich nicht mit einem Satz beantworten. Unbedingt vor schweren Unterzuckerungen zu schützen sind Kinder im Vorschulalter. Ihr Gehirn ist noch nicht ausgereift und deshalb besonders gefährdet. Vorübergehende oder bleibende Störungen des Zentralnervensystems hängen bei Kindern und Erwachsenen von der Schwere, der Dauer und der Häufigkeit der Unterzuckerungen ab.
Was könnte denn passieren?
Prof. Dr. med. R. Landgraf: Es gibt Hinweise, dass die Erholung von Unterzuckerungen Stunden bis Tage beansprucht. So lange ist die geistige Leistungsfähigkeit eingeschränkt. Dann gibt es Menschen, bei denen es nach mehreren schweren Unterzuckerungen zu bleibenden Gehirnschäden gekommen ist. Andere dagegen überstehen selbst häufige Unterzuckerungen relativ unbeschadet. Es kann auch vorkommen, dass jemand durch anhaltend sehr tiefen Blutzucker über Wochen und Monate bewusstlos bleibt oder auch gar nicht mehr aus dem Koma aufwacht.
Kann eine Unterzuckerung tödlich enden?
Prof. Dr. med. R. Landgraf: Ja, auch wenn es selten ist. Die Tatsache, dass neben der immer wieder unterschätzten Unfallgefahr durch Fehlverhalten im Unterzucker - am Arbeitsplatz, beim Sport, im Verkehr- ein extrem niedriger Blutzucker auch direkt zum Tod führen kann, zwingt zu einem respektvollen Umgang mit der Unterzuckerung.
Was können Diabetiker im Umgang mit dem Unterzucker besser machen?
Prof. Dr. med. R. Landgraf: Die Patienten müssen ihre Hausaufgaben machen. Jede Unterzuckerung sollte im Diabeteker-Tagebuch vermerkt und mit dem Arzt besprochen werden. Ursachenforschung, bessere Vorbeugung und regelmäßige Selbstkontrolle auch nachts bannen die Gefahr. Und wer Unterzuckerung nicht rechtzeitig bemerkt, der muss besonders häufig testen.
Redaktion: Dr. med. M. Stapperfend, Prof. Dr. med. W. Scherbaum |