Behandlung von erhöhtem Blutdruck bei Diabetes mellitus
Einer der wichtigsten Fortschritte in der Klinischen Diabetologie war in den letzten 2 Jahrzehnten die Erkenntnis, dass - selbstverständlich neben adäquater Kontrolle der Blutzuckerkonzentration - die Senkung des Blutdrucks eine zentrale Rolle für die Vermeidung diabetesbedingter Spätkomplikationen spielt.
Noch vor wenigen Jahren galten Blutdruckwerte von 160/95 mmHg, später 140/90 mmHg beim Diabetiker als akzeptable Zielwerte. Dies hat sich heute erheblich gewandelt und Blutdruckwerte von 130/85 mmHg bei nicht-proteinurischen und 120/70 mmHg bei proteinurischen Patienten werden heute von verschiedenen Fachgesellschaften als obligatorisch betrachtet [Anm. d. Red.: bei Proteinurie tritt Eiweiß im Urin auf].
Schon das einfache praktische Problem der Blutdruckmessung bringt beim Diabetiker gewisse Schwierigkeiten. Bei höherem Oberarmumfang muss die Manschettenbreite an den Oberarmumfang angepasst werden, um falsch überhöhte Blutdruckwerte zu vermeiden. Eine ganz wichtige Einsicht ist, dass das 24-Stunden-Blutdruckprofil beim Diabetiker sehr früh gestört ist. Es ist gekennzeichnet durch abgeschwächten oder fehlenden nächtlichen Blutdruckabfall.
Für das Frühstadium des Typ 2 Diabetes liegen Daten aus der HOPE - Studie vor, wonach sowohl bei Nichtdiabetikern als auch besonders bei Diabetikern Mikroalbuminurie und nur geringfügige Erhöhung der Serumkreatininkonzentration das kardiovaskuläre Risiko erheblich steigern. Umgekehrt konnte jedoch auch gezeigt werden, dass gerade diese Gruppe der Hochrisikopatienten in besonderer Weise von einer hochdosierten ACE-Hemmertherapie profitiert. Diese Beobachtung stellt einen wesentlichen Fortschritt bei dem Bemühen um die Prävention diabetischer Spätschäden dar. Die UKPDS-Studie (United Kingdom Prevention of Diabetic Complications-Study) beim Typ 2 Diabetes stellte einen Meilenstein dar und zeigte, dass selbst so geringe Blutdruckdifferenzen wie 10 mmHg systolisch einen Unterschied von 44% in der Häufigkeit des Auftretens von Schlaganfall und anderer Spätkomplikationen bewirken.
Die übergroße Mehrzahl der Diabetiker leidet an Typ 2 Diabetes. Für die selteneren Typ 1 Diabetiker zeigte die EURODIAB-Studie, dass antihypertensive Therapie auf niedrige Zielwerte zu einer deutlichen Prognoseverbesserung führt.
Das Zielorgan, welches am empfindlichsten auf Blutdruckerhöhung reagiert ist zweifelsohne die Niere. Dies hängt mit Besonderheiten der Nierendurchblutung zusammen. Bei Diabetes mellitus ist dies bedingt durch die Gefäßerweiterung der Niere. Aufgrund mehrerer Studien ist heute gesichert, dass der systolische Blutdruck für den fortschreitenden Nierenfunktionsverlust entscheidend ist, und dass erst Werte um oder unter 120 mmHg einen optimale Schutz der Niere gewährleisten. Wichtig sind auch neuere Untersuchungen, z. B. IRMA- und IDNT-Studie, die belegen, dass blutdruckunabhängig die pharmakologische Blockade des Reninangiotensinsystems zusätzlich Nierenschützend ist.
Die Umsetzung dieser gesicherten Ergebnisse in die tägliche klinische Praxis setzt jedoch erhebliche Bemühungen um die Informationsvermittlung und Patientenschulung voraus, was für die klinische Diabetologie sicher in den nächsten Jahren eine gewaltige Herausforderung darstellt.
Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Eberhard Ritz, Klinikum der Universität Heidelberg -Sektion Nephrologie, Heidelberg, Mitglied des Fachbeirats von www.diabetes-deutschland.de
|