Therapie des Diabetes mellitus bei gleichzeitiger Lebererkrankung
(29.12.2003) Bei gleichzeitig bestehender Lebererkrankung stellt die Therapie des Diabetes mellitus häufig eine schwierige klinische Herausforderung dar. Zum einen werden Blutzucker senkende Medikamente verändert verstoffwechselt und zeigen dadurch möglicherweise eine veränderte Wirkung. Zum anderen hat die Leber insbesondere bei fortgeschrittener Lebererkrankung nur eingeschränkte Zuckerreserven (Glykogen) und nur eine eingeschränkte Kapazität zur Produktion von Zucker, so dass die Neigung zur Unterzuckerung (Hypoglykämie) meist relativ ausgeprägt ist.
Bei Blutzuckerentgleisungen im Rahmen vom akuten Lebererkrankungen (z.B. virale Hepatitis) sollte grundsätzlich schnell wirkendes Insulin zur Therapie von Hyperglykämien eingesetzt werden. Orale Antidiabetika (Zuckertabletten) können die Lebererkrankung verstärken und bergen in dieser Situation die Gefahr des Leberversagens. Sie sollten deshalb bei akuten Lebererkrankungen nicht verwendet werden. Bei Patienten mit Leberzirrhose kommen als Therapiemaßnahmen bei Zuckerkrankheit am ehesten Insulin, evtl. auch Acarbose und Glinide in Betracht. Es handelt sich hierbei um kurz wirkende Diabetesmedikamente, welchen gegenüber lang-wirkenden Medikamenten der Vorzug gegeben wird, da darunter weniger Unterzuckerungen auftreten.
Auf Metformin, Glitazone und Sulfonylharnstoffe sollte bei Patienten mit Leberzirrhose verzichtet werden, da diese Medikamente entweder direkt an der Leber wirken, typischerweise Leberveränderungen bewirken können oder zu Unterzuckerungen führen können. Bei Leberveränderungen, wie sie im Rahmen des Wohlstandsyndroms auftreten können (typischerweise Fettleber), sollten hingegen am ehesten Metformin, Glitazone und Acarbose eingesetzt werden, da diese Medikamente am ehesten der Fettleber entgegenwirken. Allerdings können diese Medikamente auch eine bestehende Lebererkrankung verstärken, so dass die Leberwerte besonders genau kontrolliert werden sollten.
Bei anderen chronischen Lebererkrankungen (z.B. chronische Hepatitis) sollte auf eine Therapie mit Metformin und Glitazonen verzichtet werden, da sich darunter die Lebererkrankung weiter verschlechtern kann. In diesen Fällen sollte am ehesten auf eine Insulintherapie, evtl. auch auf kurz-wirkende Sulfonylharnstoffe zurückgegriffen werden.
Eine Sondersituation stellt die Diabetestherapie bei Hämochromatose dar. Die bei dieser Stoffwechselstörung häufig nachweisbare Zuckerkrankheit ist zum einen durch eine Eiseneinlagerung in die Insulin-produzierenden Zellen sowie durch eine ebenfalls durch das Eisen bedingte Insuliunempfindlichkeit bedingt. Während sich unter einer entsprechenden Hämochromatosetherapie (Aderlasstherapie) die Insulinunempfindlichkeit meist zurückbildet, bleibt die Eiseneinlagerung in die insulinproduzierenden Zellen oft bestehen, so dass sich zwar der Diabetes verbessern kann, meist aber nicht komplett verschwindet. Dies bedeutet, dass die Diabetestherapie häufig angepasst werden muss.
Bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ 1 bei gleichzeitig bestehender Lebererkrankung ist auf eine besonders genaue Dosierung des Insulins zu achten, da diese Patienten sehr leicht eine Unterzuckerung erleiden können. Bei Patienten mit rezidivierenden (immer wieder auftretenden) Bauchspeicheldrüsenentzündungen, wie sie häufig bei Alkoholabusus auftreten können, sollte ebenfalls eine Therapie mit Insulin erfolgen.
Zusammenfassend sollte bei gleichzeitiger Lebererkrankung die Diabetestherapie sehr differenziert erfolgen. Im Zweifelsfall sollte am ehesten schnell wirkendes Insulin einesetzt werden.
Privatdozent Dr. Klaus Parhofer Medizinische Klinik II, Großhadern, Klinikum der Universität München
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