Internisten-Kongress: Beeinflussung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen durch Acarbose
(23.04.2004) Neues von der 110. Tagung der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) in Wiesbaden vom 17. bis 21. April 2004
Das Medikament Acarbose wird wegen seines Effektes auf die postprandiale Hyperglykämie, das ist die Erhöhung des Blutzuckers nach dem Essen, seit 15 Jahren in Tablettenform zur Behandlung des Typ 2 Diabetes eingesetzt.
In der STOP-NIDDM Studie, einer Studie zur Vorbeugung des Diabetes (primäre Diabetespräventionsstudie) wurde das Medikament Acarbose bei einer Hochrisikogruppe von 1.429 Probanden mit gestörter Glukosetoleranz, einer Diabetesvorstufe, eingesetzt. Es wurde nicht nur das Auftreten des Diabetes über einen Zeitraum von 3 Jahren um 36 Prozent gesenkt, sondern auch die Anzahl neuer Herz-Kreislauf-Ereignisse wie Herzinfarkt oder Schlaganfall um 49 Prozent und das Auftreten neuer Fälle von Bluthochdruck um 34 Prozent.
Aus der Gesamtgruppe wurden 132 Patienten in zwei Gruppen zufallsverteilt (randomisiert), um in einer Substudie den Einfluss von Acarbose und Placebo auf das Fortschreiten der Innenschichten der Hauptschlagader (Intima Media Dicke (IMD) der Aa. Carotis communis) mit Hilfe einer Gefäßultraschalluntersuchung (Duplexsonographie) standardisiert untersucht.
Nach einer mittleren Beobachtungszeit von 3,9 Jahren standen 56 Patienten für die Acarbose- und 59 für die Placebogruppe zur Verfügung. Alle Probanden erhielten eine Standardbehandlung ihres Bluthochdrucks und ihrer Fettstoffwechselstörung. Unter Acarbose kam es zu einer statistisch bedeutenden Hemmung des Fortschreitens der durchschnittlichen Dicke der Innenschichten der Halsschlagader (IMD: durchschnittliche IMD unter Acarbose 0,007 (0,019) gegenüber der IMD unter Placebo = 0,013 (0,018), p = 0,021).
Bei statistischem Herausrechnen verschiedener möglicher Einflussfaktoren war allein die Einnahme von Acarbose ein unabhängiger Vorhersagefaktor für das Fortschreiten der durchschnittlichen Dicke der Innenschicht der Halsschlagadern.
Diese bemerkenswerten Ergebnisse unterstützen die Hypothese einer gemeinsamen Ursache von Arteriosklerose und Diabetes bei Risikopersonen mit gestörter Glukosetoleranz, einer Diabetes-Vorstufe.
Für die Wirkung von Acarbose auf Herz-Kreislauf-Ereignisse wie Schlaganfall und Herzinfarkt bei Typ 2 Diabetes liegen bisher keine Ergebnisse aus prospektiven Studien mit koronarer Herzerkrankung (KHK) vor. Wir führten deshalb eine Metaanalyse (Großanalyse mehrerer Studien) aller Daten aus kontrollierten prospektiven Studien durch, in denen die Patienten mindestens 52 Wochen beobachtet wurden. 7 Studien mit 2.180 Patienten mit Typ 2 Diabetes erfüllten diese Kriterien. Gemessen wurde die Zeit bis zur Entwicklung eines Herz-Kreislauf-Ereignisses. Als Herz-Kreislauf-Ereignisse wurden “Großereignisse“, insbesondere Herzinfarkt, erhoben (COSTART Definitionen).
Unter Acarbose lag die Infarktrate 64 Prozent (p = 0,0120) niedriger als unter Placebo. Das Auftreten aller Herz-Kreislauf-Ereignisse war um 35 Prozent niedriger (p = 0,006). Damit werden die positiven Ergebnisse der Vorbeugung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen aus der STOP-NIDDM Studie bestätigt.
Es ist eine spannende Frage, welche Mechanismen neben der Senkung der Blutzuckererhöhungen nach dem Essen an der schützenden Wirkung von Acarbose auf die Gefäße beteiligt sein könnten. Eine prospektive Studie, die den Einfluss auf das Auftreten von Herz-Kreislauf-Ereignissen untersucht, erscheint dringend erforderlich, um diese bemerkenswerten Ergebnisse weiter bewerten zu können.
Prof. Dr. med. Markolf Hanefeld, Zentrum für Klinische Studien, Gesellschaft für Wissens- und Technologietransfer der Technischen Universität Dresden
Quellen: - Vortrag am 20.04.04 auf der 110.Tagung der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) in Wiesbaden vom 17. bis 21. April 2004
- M. Hanefeld, M. Cagatay, T. Petrowitsch, D. Neuser, D. Petzinna, M. Rupp: Acarbose reduces the risk for myocardial infarction in type 2 diabetic patients: meta-analysis of seven long-term studies. European Heart Journal (2004) 25, 10-16 |