Diabetes und Bluthochdruck - Wo liegen die gemeinsamen Wurzeln?
(28.04.2004) Neues von der 110. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) vom 17. bis 21. April 2004 in Wiesbaden
Bei Typ 1 Diabetikern besteht in der Regel zum Zeitpunkt des Bekanntwerdens des Diabetes noch kein Bluthochdruck. Er entwickelt sich erst in engem Zusammenhang mit dem Auftreten einer diabetischen Nierenschädigung. Bei Typ 2 Diabetikern ist der Hochdruck in der Regel bereits zum Zeitpunkt des Bekanntwerdens vorhanden.
Beim Typ 2 Diabetes entwickelt sich der Bluthochdruck in engem Zusammenhang mit dem Ausmaß eines Übergewichts und dem Alter. Diese Konstellation, dass der Diabetes bzw. die Vorstufen des Diabetes nicht als alleinstehende Erkrankung auftreten, sondern als Verbindung verschiedener Erkrankungen und Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, wird durch den Begriff „Insulin-Resistenz-Syndrom (IR-Syndrom)“ oder „metabolisches Syndrom“ umschrieben.
Der Entstehung dieses Syndroms ist bisher nicht geklärt; es ist aber belegt, dass zusätzlich zur genetischen Veranlagung Ernährungs- und Lebensstilfaktoren von ausschlaggebender Bedeutung sind. Vom Alter und Ausmaß des Übergewichts abhängig kommt es zur Aktivierung des Fettgewebes im Bauchraum, das nicht nur als Speicher überschüssiger Fette dient, sondern auch ein hochaktives Organ darstellt, das eine Vielzahl von Stoffen (z.B. Zytokine und Mediatoren) in die Blutbahn abgibt. Damit wirkt es regulierend auf den Blutdruck und die Insulinempfindlichkeit von Leber und Muskel. Abb.1: Die Fettzelle als endokrines Organ, das eine Vielzahl von Stoffen (z.B. Zytokine und Mediatoren) in die Blutbahn abgibt.
Beispielhaft seinen das Adiponektin und auch das Stickstoffmonoxid (NO) genannt, die entweder direkt oder im Falle von Stickstoffmonoxid über die verbesserte Durchblutung der kleinsten Blutgefäße (Kapillaren) zur Steigerung der Insulinempfindlichkeit beitragen, während das aus dem Angiotensinogen entstehende Angiotensin II, das TNF-alpha und das Leptin die Insulinwirkung abschwächen.
Klinische und experimentelle Studien belegen eindrucksvoll, dass insbesondere die Aktivierung des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems (RAAS) eine Schlüsselrolle für die Entstehung des Metabolischen Syndroms und damit von Bluthochdruck und Insulinresistenz spielen:
- Angiotensin II wirkt durch seine gefäßverengenden Eigenschaften direkt blutdruckerhöhend; andererseits fördert es die Freisetzung von
- Aldosteron und trägt damit über ein vermehrtes Rückhalten von Natrium indirekt zur Blutdruckerhöhung bei;
- durch seine das Wachstum von glatten Muskelzellen steigernde Wirkung trägt es zur strukturellen Veränderungen der Gefäßwand bei;
- Angiotensin II kann zur Entstehung einer Insulinresistenz und des Typ 2 Diabetes beitragen (Hemmung der Insulinsignalkaskade bzw. der
- Differenzierung von Adipoycen)
Eine zentrale Rolle für die Aktivierung des Angiotensin-Systems und die vermehrte lokale Bildung von Angiotensin II spielt vermutlich der sogenannte „oxidative Stress“. Dieser entsteht durch die Stoffwechsellage bei Diabetes beziehungsweise bei Vorstufen des Diabetes. Andererseits verstärkt Angiotensin II selbst die Bildung von Sauerstoffradikalen und damit den oxidativen Stress. Es entsteht somit ein positiver, sich selbst verstärkender Rückkopplungs-Mechanismus, der die Entwicklung von Bluthochdruck, Gefäßschädigungen und Diabetes fördert. Wie große klinische Untersuchungen zeigen, kann durch eine Hemmung des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems sowohl eine Blutdrucksenkung als auch eine Verringerung des Risikos für Herz-Kreislauf-Erkrankungen erreicht werden. Zusätzlich wird das Auftreten eines Typ 2 Diabetes vermindert.
Im Vergleich zu Normalgewichtigen weisen übergewichtige Personen eine gesteigerte Leptinbildung im Fettgewebe beziehungsweise erhöhte Leptinspiegel im Blut auf. Leptin spielt eine wesentliche Rolle für die Regulation des Appetits, der Nahrungsaufnahme und der Energiebilanz. Es vermittelt Informationen über Veränderungen des Ernährungszustandes an das zentrale Nervensystem, um dort die notwendigen Anpassungen auszulösen. Abb. 2: Aktivierung des sympathischen Nervensystems und des Renin-Angio- tensin- Aldosteron-Systems als zentrale Mechanismen für die Entstehung des metabolischen Syndrom und insbesondere von Insulinresistenz und Bluthoch- druck.
Eine wichtige Reaktion von Leptin ist hierbei die Aktivierung des sympathischen Nervensystems, was eine Ursache für die vermehrte Freisetzung von Noradrenalin und die verstärkte Aktivität sympathischer Nervenfasern in der Muskulatur bei übergewichtigen Patienten ist. Als Folgen des aktivierten sympathischen Nervensystems sind zu nennen:
- Die Aktivierung des Sympathikus wirkt gefäßverengend und hat eine direkte blutdruckerhöhende Wirkung;
- sie trägt zur Aktivierung des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems bei (vermehrte Renin-Synthese) und trägt damit indirekt zur Blutdruckerhöhung bei;
- die Aktivierung des sympathischen Nervensystems hemmt die Wirkung von Insulin, einmal indem es die Vermittlung des Insulinsignals an seine Zielsysteme innerhalb der Zelle stört, andererseits indem es die Fettverarbeitung im Fettgewebe aktiviert und damit über die überschießende Freisetzung von Fettsäuren die Insulinempfindlichkeit von Leber und Muskulatur beeinträchtigt.
Berücksichtigt man ferner, dass es abhängig von Alter und Übergewicht zu einer verminderten Bildung der Vermittlerstoffe Adiponektin und Stickstoffmonoxid kommt, die die Insulinwirkung fördern, so wird deutlich, dass bereits eine geringe Fehlsteuerung in der Aktivität des Fettgewebes im Bauchraum - hier am Beispiel des Angiotensin II und des Leptin diskutiert - die Entwicklung des Metabolischen Syndroms mit seinen fatalen Folgen für das Gefäßsystem und das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen begünstigt. Andererseits ist es durchaus möglich, durch Änderung des Lebensstils (Bewegung, Ernährung, Gewichtsreduktion) diese Fehlsteuerung zu vermeiden oder ihr entgegenzuwirken.
Prof. Dr. Peter Rösen, Deutsches Diabetes-Forschungsinstitut Düsseldorf
Quellen: Vortrag von Dr. Peter Rösen auf der 110. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) vom 17. bis 21. April 2004 in Wiesbaden |