Reduziert die intensivierte Insulintherapie das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen?
(11.04.2003) Dänische Wissenschaftler sind der Frage nachgegangen, ob die intensivierte Insulintherapie im Vergleich zur konventionellen Insulintherapie das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen (kardiovaskuläre Erkrankungen) und Erkrankungen der kleinsten Blutgefäße (mikrovaskuläre Erkrankungen) auch bei Typ 2 Diabetikern, bei denen aufgrund einer fortdauernden Mikroalbuminurie ohnehin bereits ein hohes Risiko besteht, reduziert. Mit Mikroalbuminurie sind kleinere Mengen Eiweiß im Urin gemeint, die auf eine beginnende Einschränkung der Nierenfunktion hinweisen.
Ausgehend von 315 mit der Frage um Teilnahme angeschriebenen Typ 2 Diabetikern wurden zur Studie 160 Patienten im durchschnittlichen Alter von 55 Jahren, die unter anderem den Einschlusskriterien einer anhaltenden Mikroalbuminurie entsprachen, in ähnliche Gruppen mit konventioneller und intensivierter Insulintherapie eingeteilt (je 80 Teilnehmer). Der Beobachtungszeitraum war im Durchschnitt 7,8 Jahre. An den Beobachtungszeitpunkten nach vier und acht Jahren wurden beide Gruppen untersucht und die inzwischen aufgetretenen Herz-Kreislauf-Erkrankungen (Herzinfarkt ohne Todesfolge, erfolgte Bypass-Operation, Herzeingriff, Schlaganfall, Amputation wegen Minderdurchblutung, gefäßchirurgischer Eingriff wegen arterieller Verschlusskrankheit der Beine - pAVK), Todesfälle aufgrund von Herzkreislaufkrankheiten sowie aufgetretene Erkrankungen der kleinsten Blutgefäße ermittelt.
Ergebnisse:
Insgesamt kam es während der Beobachtungszeit zu 118 Herz-Kreislauf-Ereignissen. Davon entfielen 85 Ereignisse auf 35 konventionell Behandelte und nur 33 Ereignisse auf 19 intensiviert Behandelte.
Sowohl der HbA1c-Wert als auch die systolischen und diastolischen Blutdruckwerte und die Blutfettwerte (Gesamtcholesterin, Triglyceriden, LDL-Cholesterin) lagen an den Beobachtungspunkten in der intensiviert behandelten Gruppe deutlich (signifikant) besser als in der konventionell behandelten Gruppe.
Die Zielwerte erreichten wesentlich mehr intensiviert als konventionell Behandelte. Der Ziel-HbA1c-Wert von unter 6,5% wurde allerdings nur von etwa 16% der intensiviert und etwa 3% der konventionell Behandelten erreicht. Über 70% der intensiviert und über 20% der konventionell Behandelten erreichten ein Gesamtcholesterin von unter 175 mg/dl. Nur etwa 45% der intensiviert und unter 20% der konventionell Behandelten erreichten die systolischen Ziel-Blutdruckwerte (erster Blutdruckwert) von unter 130 mmHg. Die diastolischen Ziel-Blutdruckwerte (zweiter Blutdruckwert) von unter 80 mmHg erreichten mehr als 70% der intensiviert und mehr als 60% der konventionell Behandelten.
Das relative Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen war bei den intensiviert behandelten etwa um die Hälfte geringer als bei den konventionell behandelten Typ 2 Diabetikern. Das Risiko für Folgeerkrankungen des Diabetes war bei den intensiviert im Vergleich zu den konventionell Behandelten ebenfalls bedeutend verringert: bei Nierenerkrankung (Nephropathie) um 39%, bei Netzhauterkrankung (Retinopathie) um 42% und bei Nervenerkrankung (autonome Neuropathie) um 37%.
Schlussfolgerungen:
Eine zielgerichtete, intensivierte Langzeit-Insulintherapie zeigt eine deutliche Verbesserung des Risikos für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Erkrankungen der kleinsten Blutgefäße bei Hochrisiko-Patienten mit Diabetes und andauernder Mikroalbuminurie um ca. 50%. Die Autoren selbst sehen das Ergebnis eher als konservative Schätzung der Möglichkeiten einer intensivierten Insulinbehandlung.
Obwohl es sich um ein selektiertes Patientenkollektiv handelte, unterschieden sich die aufgenommenen Diabetiker hinsichtlich Ihrer Daten nicht von anderen Typ 2 Diabetikern; der durchschnittliche HbA1c-Wert war im Verlauf mit 7,8% für die intensiviert und mit 8,9% für die konventionell Behandelten relativ hoch. Die Studie zeigt, wie wichtig es ist, durch kombinierte Behandlung mit intensivierter Insulintherapie, Blutdrucksenkung und Verbesserung der Blutfette das Erreichen der Zielwerte zu verbessern. Je mehr Typ 2 Diabetiker ihre Zielwerte erreichen, desto mehr Folgeerkrankungen könnten mit ihren schwerwiegenden Konsequenzen vermieden werden.
Dr. med. Melanie Stapperfend, Prof. Dr. med. Theodor Koschinsky, Deutsches Diabetes-Forschungsinstitut Düsseldorf
Quelle: Peter Gaede, M.D., Pernille Vedel, M.D., Ph.D., Nicolai Larsen, M.D., Ph.D., Gunnar V.H. Jensen, M.D:, Ph.D:, Hans-Henrik Parving, M.D., D.M.Sc., and Oluf Pedersen, M.D., D.M.Sc..The New England Journal of Medicine2003; 348: 383-93 |