Der Diabetiker mit terminaler Niereninsuffizienz (Nierenerkrankung im Endstadium)
(08.06.2001) Die diabetische Nierenerkrankung (Nephropathie) stellt heute in den westlichen Industrieländern die häufigste Ursache für eine Nieren-Ersatztherapie (z.B. Dialyse oder Nierentransplantation) dar. Diese Entwicklung angesichts der ständig verbesserten therapeutischen Möglichkeiten ist an sich kaum zu verstehen. Die Ursachen sind vielschichtig. Ein wesentlicher Grund ist sicher das bisher unterschätzte Risiko der Nephropathie-Entwicklung beim Typ 2 Diabetes: 70-80 % der dialysepflichtigen Diabetiker gehören dem Typ 2 Diabetes an.
Die Fehleinschätzung des Nephropathie-Risikos beim Typ 2 Diabetes führte bisher dazu, dass kein konsequenter Suchtest auf Mikroalbuminurie (= kleine Eiweißausscheidung im Urin) zur Entdeckung der frühen Nephropathie-Stadien durchgeführt wurde und so auch keine konsequente Behandlung der bekannten Einflussfaktoren der Nephropathie-Entwicklung erfolgte. Hier sind in erster Linie die Blutzucker- und die Blutdruck-Einstellung zu nennen. Besonders ungünstig sind die Behandlungsergebnisse in der Sekundärprävention bei Patienten mit Spätstadien der Nierenerkrankung (präterminale und terminale Niereninsuffizienz). Ein besonderes Problem stellt hier die hohe Sterblichkeit aufgrund von Herz-Kreislauf-Erkrankungen (kardio-vaskuläre Mortalität) dar. Die Überlebenswahrscheinlichkeit von dialysepflichtigen Diabetikern ist schlechter als die von Patienten mit einem metastasierenden Tumor des Magen-Darm-Bereiches!
Ein neuer Aspekt bei der Entstehung von Herz-Kreislauf- Komplikationen dieser Patientengruppe stellt die Blutarmut (Anämie) dar. Untersuchungen verschiedener Arbeitsgruppen konnten in den letzten Jahren zeigen, dass eine Anämie bei Patienten mit diabetischer Nephropathie im Vergleich zu Nicht-Diabetikern früher, d. h. bei bereits mäßig eingeschränkter Nierenfunktion auftritt. Studien an Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion ohne Diabetes haben gezeigt, dass die Blutarmut ein unabhängiger Risiko-Faktor für die Entwicklung einer Vergrößerung der Kammer des linken Herzens (linksventrikuläre Hypertrophie), einer eingeschränkten Herzfunktion (Herzinsuffizienz) und der erhöhten Sterblichkeit aufgrund von Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist. Ursache der Anämie ist das Fehlen von Erythropoetin. Dies ist ein Hormon, das in der Niere gebildet wird und im Knochenmark die Blutbildung anregt. Es besteht heute die Möglichkeit, durch Spritzen dieses Hormons eine Anämie zu beseitigen oder zumindest abzumildern. Bei Patienten mit Niereninsuffizienz führt das zu einer deutlichen Verbesserung der Herzleistung und der Lebensqualität.
Für die Prognose eines Patienten mit Niereninsuffizienz ist die frühzeitige Überweisung zu einem Nierenfacharzt (Nephrologe) zur Planung einer evtl. notwendigen Nieren-Ersatztherapie wesentlich. Untersuchungen haben gezeigt, dass die Patienten heute erst in einem relativ späten Stadium der Niereninsuffizienz beim Spezialisten vorgestellt werden und so wenig Zeit bleibt, eine angemessene Nieren-Ersatztherapie einzuleiten. Auf der anderen Seite ist bekannt, dass auch die in diesem Stadium ohnehin schwierige Diabetestherapie für die weitere Prognose eine Rolle spielt. Eine enge Kooperation zwischen Hausarzt, Diabetologen und Nephrologen ist daher zwingend geboten. Aktivitäten auf verschiedenen Ebenen sind im Gange um zu versuchen, die augenblicklich unbefriedigende Situation zu verbessern.
Prof. Dr. med. Christoph Hasslacher, Sprecher der AG Medizinische Klinik St. Josefskrankenhaus Heidelberg; Beitrag zur 36. Jahrestagung der Deutschen Diabetes-Gesellschaft |