Behandlung mit dem Lipidsenker Pravastatin reduziert Risiko für Typ-2-Diabetes um 30 Prozent
(29.08.2001) Kürzlich wurden die Ergebnisse einer nachträglichen Datenauswertung der Studie über die Vorbeugung von Herzerkrankungen in Westschottland (WOSCOPS) veröffentlicht. Es zeigte sich durch die Behandlung mit dem Lipidsenker Pravastatin eine 30prozentige Reduktion des Risikos, an Diabtes-Typ-2 zu erkranken.
In der Studie wurden über einen Zeitraum von jeweils 3,5 bis 6,1 Jahren erhobene Daten von fast 6000 Männern im Alter zwischen 45 und 64 Jahren hinsichtlich Ihres Einflusses auf die Entwicklung eines Diabetes mellitus Typ-2 ausgewertet. U.a. wurden alle Studienteilnehmer, die zu Studienbeginn bereits Diabetes mellitus oder erhöhte Nüchternblutzuckerwerte hatten, von der Auswertung ausgeschlossen. Während des Erhebungszeitraumes erkrankten 139 Männer an Diabetes mellitus.Als unabhängige Vorhersagefaktoren für die Entwicklung eines Diabetes mellitus wurden u.a. der Körpermassenindex (BMI), die Triglyceridwerte, der Blutzuckerwert, und die Behandlung mit dem Blutfettsenker Pravastatin gefunden.
Der Körpermassenindex (BMI) und die Triglyceridwerte sind bereits bekannte, von anderen Fakten unabhängige Risikofaktoren für die Entwicklung der sog. Insulinresistenz. Da sich der Diabetes mellitus Typ-2 aus einer Insulinresistenz heraus entwickelt, unterstützt dies den gefundenen Zusammenhang. Die Behandlung mit dem Medikament Pravastatin, das den Gesamtcholesterinwert, den LDL-Cholesterinwert (sog. "schlechtes" Cholesterin) und die Triglyceride senkt sowie den HDL-Cholesterinwerte (sog. "gutes Cholesterin") erhöht, zeigte eine Risikoreduktion für die Entwicklung eines Diabetes mellitus Typ-2 von 30 Prozent. Hierfür geben die Autoren drei mögliche Ursachen an:
- Bekanntermaßen begünstigen erhöhte Blutfettwerte die Entwicklung eines Diabetes Typ-2. Pravastatin senkt die Blutfettwerte (z.B.Plasmatriglyceride) und sollte als Folgerung das Risiko eines Diabetes günstig beeinflussen. Da aber andere Medikamente, die die Blutfettwerte (besonders die Triglyceride) stärker senken als Pravastatin, die Entwicklung eines Diabetes mellitus Typ-2 nicht beeinflussen, erklärt die Blutfettreduktion an sich nicht die günstige Wirkung des Pravastatins.
- Pravastatin senkt Entzündungsstoffe im Körper, die für die Entstehung der Insulinresistenz bei Übergewicht verantwortlich gemacht werden. Diese antientzündlichen Eigenschaften von Pravastatin könnten ausschlaggebend für die Verringerung des Diabetesrisikos sein, zumal in neueren Studien gezeigt wurde, daß erhöhte Marker für Entzündungen im Körper (z.B. CRP) mit einem erhöhten Diabetesrisiko verbunden sind.
- Positive Wirkungen von Pravastatin auf das Gewebe, das das Innere der Gefäße auskleidet (Endothel), könnten den Blutzuckerstoffwechsel durch eine Durchblutungssteigerung mit einer Verbesserung des Transports von Insulin und Glukose positiv beeinflussen, so daß sich seltener ein Diabetes mellitus Typ-2 entwickelt.
Eine weitere Begründung für die Minderung des Diabetesrisikos könnte folgende sein: Die Senkung der Blutfettwerte durch Pravastatin führt zu einer Verringerung von Herzkreislauf-Erkrankungen, wie in anderen Studien gezeigt wurde. Als Folge werden weniger Herz-Kreislauf-Medikamente (z.B. Thiazide, Betablocker) benötigt, die nachweislich zu einem verschlechterten Blutzuckerstoffwechsel führen würden, was öfter einen Diabetes mellitus Typ-2 zur Folge hätte.
Obwohl frühere Studien keine eindeutigen Ergebnisse hinsichtlich der Reduktion des Diabetesrisikos durch eine Behandlung mit Pravastatin gezeigt hatten, gehen die Autoren dieser Studie von aussagekräftigen Ergebnissen aus, da diese Studie eine Langzeitauswertung mit Teilnehmern ist, die zu Studienbeginn keine erhöhten Blutzuckerwerte hatten.
Die Autoren betonen aber selbst, daß die Ergebnisse dieser nachträglichen Studienauswertung als Hypothesen gesehen werden sollten, die in weiteren Studien mit dem Lipidsenker Atorvastatin bestätigt werden müssen.
Dr. med. Melanie Stapperfend, Prof. Dr. med. Werner Scherbaum
Quelle: Circulation. 2001;103:357-362 |