Therapieerfahrungen mit Nateglinide und Metformin
(19.08.2002) Zur oralen Behandlung des Typ 2 Diabetes ist in Deutschland seit über einem Jahr Nateglinide (Starlix ®) zugelassen, eine die Insulin-Sekretion rasch anregende Substanz, und zwar in Kombination mit dem Biguanid-Präparat Metformin (Glucophage® und andere), welches über andere Mechanismen, insbesondere in der Leber wirkt und indirekt die Insulinresistenz senkt.
Der Typ 2 Diabetes, die Form der Zuckerkrankheit, welche meist erst im Erwachsenenalter auftritt und über 90 % aller Diabetes-Fälle in Deutschland betrifft, wird heute als eine "duale" Erkrankung aufgefaßt. D.h., es bestehen bei diesem Krankheitsbild zwei Störungen, eine insbesondere nach dem Essen verringerte Insulin-Freisetzung sowie eine Unterempfindlichkeit des Körpers für Insulin, eine Insulinresistenz.
Jetzt liegen die Erfahrungen bei über 11.000 Typ 2 Diabetes-Patienten unter einer Kombinationsbehandlung von Nateglinide zusammen mit Metformin vor.
Drei Monate lang wurden bei über 3.500 niedergelassenen Ärzten in Deutschland die Stoffwechsel-Daten gesammelt. Zwei Drittel der Patienten waren zwischen 50 und 70 Jahre alt, 14 % waren jünger und 19 % älter, das Durchschnittsalter betrug 61 Jahre. 87 % der Patienten waren übergewichtig, davon die Hälfte leicht bis mäßig und ein Drittel deutlich.
Während der drei Monate sank der HbA1c-Wert, der "verzuckerte rote Blutfarbstoff" als Maß für die Güte der längerfristigen Blutzucker-Einstellung, um 1,2 Prozentpunkte von 8,4 auf 7,2 % ab. Stoffwechselgesunde weisen einen Wert unter 6,0 % auf, bei zuckerkranken Menschen soll der Wert möglichst unter 7,0 % liegen. Der Blutzuckerwert nach dem Essen, welcher weniger als 180 mg/dl (10,1 mmol/l) betragen soll, stieg vor der Behandlung im Mittel auf 210 mg/dl (11,7 mmol/l), am Ende nur auf 152 mg/dl (8,4 mmol/l). Nimmt man als Zielwert einer guten Diabetes-Einstellung einen HbA1c-Wert kleiner als 7,0 % und einen Blutglukose-Wert nach dem Essen kleiner als 180 mg/dl (10,1 mmol/l) an, so lagen diese Werte am Anfang der Anwendungsbeobachtung nur bei 5,8 % der Patienten vor, nach drei Monaten wurden diese Zielwerte jedoch von fast der Hälfte aller Patienten erreicht.
Diese Verbesserung der Blutzucker-Einstellung ging nicht mit einer Gewichtszunahme, sondern sogar mit einer Abnahme von im Mittel 85,6 auf 84,1 kg einher. Ebenso sank auch der Blutdruck von anfangs im Mittel 146/86 auf 139/83 mmHg. Unerwünschte Ereignisse traten nur bei einer geringen Zahl von Patienten auf. Es waren dies meist Nebenwirkungen im Magen-Darm-Trakt wie Blähungen, Durchfall und Übelkeit (in 1,3 %). Diese geringe Rate an gastrointestinalen Nebenwirkungen bei der gleichzeitigen Einnahme von Nateglinid und Metformin ist wohl dadurch erklärlich, daß die Patienten zu einem großen Teil schon zuvor Metformin eingenommen hatten und somit deren Verdauungstrakt sich bereits angepaßt hatte.
Unterzuckerungen wurden bei insgesamt 30 Patienten gemeldet (0,26 %), davon einmal eine schwere. Nur bei 18 Patienten kam es zu einer ungenügenden oder sogar zu einer schlechteren Blutzucker-Kontrolle als zuvor, zweimal zu einem diabetischen Koma. Dies ist bei über 11.000 Patienten in einem viertel Jahr vergleichsweise sehr selten. Gleiches gilt für die Notwendigkeit einer Krankenhausaufnahme bei 51 Patienten und die vier beobachteten Todesfälle, wovon zwei auf ein Herz-Kreislauf-Versagen zurückzuführen waren. Dies war bei über 11.000 älteren Menschen in einem viertel Jahr schon statistisch zu erwarten gewesen und ist nicht auf die Medikamente zurückzuführen.
Zusammenfassung: Zusammenfassend läßt sich aus dieser dreimonatigen Anwendungsbeobachtung von Nateglinid (Starlix ®) mit dem Biguanid Metformin ein günstiges Wirkprofil bei großer Sicherheit erkennen. Bei Verbesserung der Blutzucker-Einstellung steigt gleichzeitig das Gewicht nicht an, sondern nimmt sogar leicht ab, und es fällt auch der Blutdruck. Die "duale" Behandlung des Typ 2 Diabetes, durch die Gabe von zwei über verschiedene Mechanismen wirkende Medikamente, dem die Insulin-Sekretion anregenden Nateglinide und dem in der Leber wirkenden und die Insulin-Unempfindlichkeit vermindernden Metformin stellt einen sinnvollen Therapie-Ansatz dar. Langzeit-Beobachtungen im Hinblick auf Verminderung der Folgeerkrankungen des Diabetes, insbesondere des Herzinfarktes, der Augen-Veränderungen und des Nieren-Versagens, werden zeigen müssen, ob diese "duale" Therapie auch für das spätere Schicksal der zuckerkranken Menschen gegenüber den bisherigen Therapie-Maßnahmen einen Vorteil bringen wird. Vom theoretischen Ansatz her kann dies durchaus erwartet werden.
Univ.-Prof. Dr. med. H. Schatz, Kliniken Bergmannsheil Bochum, Mitglied des Fachbeirats von www.diabetes-deutschland.de |