Insulin Lantus kann auch vor dem Frühstück gespritzt werden
(01.08.2003) Das Langzeitinsulin Lantus wird in der Regel vor dem Zubettgehen gespritzt. Manche Diabetiker würden aus verschiedenen Gründen andere Injektionszeiten bevorzugen. So wird zum Beispiel eine Injektion am Tag eingespart, wenn das Insulin Lantus am Morgen zusammen mit dem kurzwirksamen Insulin vor dem Frühstück gespritzt wird. Außerdem können viele Diabetiker mit Kombinationsbehandlung (Insulin und Tabletten), die nur einmal am Tag Insulin spritzen, eine morgendliche Spritzzeit z.B. gemeinsam mit der Tabletteneinnahme besser einhalten als vor dem Zubettgehen.
Deshalb haben Wissenschaftler der Universitäten Heidelberg, Frankfurt und Tübingen in einer gerade veröffentlichten Studie (multizentrisch, randomisiert) untersucht, ob andere Spritzzeiten als am Abend zu Veränderungen in der Stoffwechseleinstellung bei Typ 1 Diabetikern führen.
In 30 Diabeteszentren wurden insgesamt 448 Typ 1 Diabetiker für die Studie voruntersucht; 378 wurden in die Studie eingeschlossen. Die meisten der 18-68jährigen Diabetiker spritzten vor der Studie NPH-Insulin und vor den Mahlzeiten Lispro. Das Langzeitinsulin wurde für die Studie auf Lantus umgestellt. Die Teilnehmer wurden gleichmäßig in drei Gruppen aufgeteilt: In den Gruppen wurde während der 24 Wochen dauernden Studie das Insulin jeweils entweder zum Frühstück, zum Abendessen oder vor dem Zubettgehen (Spät) gespritzt. Die drei Gruppen unterschieden sich nicht hinsichtlich der folgenden Werte: Alter, Geschlecht, BMI, Diabetesdauer, ICT-Dauer, HbA1c-Wert und Nüchternblutzucker.
Bis zum Studienende wurden in allen drei Gruppen nur geringe und vergleichbare Senkungen der HbA1C-Werte erreicht (Frühstücksgruppe: 7,6% auf 7,4%; Abendessensgruppe: 7,6% auf 7,5%; Spätgruppe: 7,6% auf 7,5%). Die Anzahl der Patienten mit HbA1c-Werten unter 7% nahm in allen Gruppen, besonders in der Frühstücksgruppe, geringfügig zu.
Die Blutzuckertagesprofile waren für alle drei Spritzzeitpunkte vergleichbar und belegen die 24 Stunden-Wirksamkeit von Lantus. Die Nüchternblutzuckerwerte waren in der Frühstücksgruppe höher, die Blutzuckerwerte tagsüber eher niedriger als in den anderen Gruppen. Die Gesamtinsulindosis pro Tag war in den drei Gruppen nahezu gleich (ca. 0,6 E/kg KG). Der prozentuale Lantusanteil der täglichen Gesamtinsulindosis nahm in allen drei Gruppen während der Studie zu, besonders in der Frühstücksgruppe (von 44% auf 51%).
Die Nüchternblutzuckerwerte blieben in der Frühstücksgruppe gleich, reduzierten sich aber in den anderen Gruppen. Die am Tag gemessenen Blutzuckerwerte reduzierten sich in allen Gruppen (tendenziell mehr in der Frühstücksgruppe), während die nächtlichen Blutzuckerwerte sich nicht nennenswert veränderten. Der 24-Stunden Durchschnittswert des Blutzuckers wurde in der Frühstücksgruppe bedeutend stärker gesenkt als in der Gruppe, die Lantus vor dem Zubettgehen spritzte.
Der Prozentsatz der Teilnehmer mit mindestens einer berichteten Unterzuckerung während der Studie war in allen drei Gruppen ähnlich (Frühstück: 92,6%; Abendessen: 93,8%; Spät: 96,9%). Die gemessenen Unterzuckerungen mit einem Blutzuckerwert unter 2.0 mmol/l lagen bei 54,4%, 53,9% und 58,1%. Schwere berichtete Unterzuckerungen traten relativ häufig auf (17,4%,18,0%,14,7%), bei den nachgewiesenen schweren Unterzuckerungen lagen die Werte niedriger (6,6%, 4,7%, 3,9%). Nächtliche Unterzuckerungen traten bedeutend seltener in der Frühstücksgruppe (59,5%; gemessen 13,2%) gegenüber der Abendessengruppe (71,9%, gemessen 21,1%) und der Spät-Gruppe (77,5%, gemessen 24,8%) auf.
Der Zeitpunkt, an dem Lantus gespritzt wird, hat keinen Einfluss auf die Stoffwechseleinstellung von Typ 1 Diabetikern. Auch ist die Anzahl von leichten und schweren Unterzuckerungen am Tage vergleichbar. Wenn Lantus vor dem Frühstück gespritzt wird, können aber nächtliche Unterzuckerungen verringert werden.
Das Langzeitinsulin Lantus, vor dem Frühstück gespritzt, in Kombination mit dem kurzwirksamen Insulin Lispro vor den Mahlzeiten wirkt in Bezug auf die Stoffwechseleinstellung vergleichbar wie zu anderen Spritzzeiten (vor dem Abendessen oder dem Zubettgehen). Lantus verursacht dabei aber weniger nächtliche Unterzuckerungen. Aufgrund dieser Ergebnisse können bei der Behandlung Aspekte wie eine bessere Lebensqualität (eine Spritze am Tag kann entfallen) oder eine bessere regelmäßige Durchführbarkeit bei der Lantus-Injektion zum Frühstück im Vergleich zu anderen Spritzzeitpunkten berücksichtigt werden. Eine Injektion von Lantus kann also nach dieser Datenlage bei Typ 1 Diabetikern vor dem Frühstück durchaus vorgenommen werden. Eine ähnliche Studie mit Typ 2 Diabetikern hat ähnliche Ergebnisse gezeigt. Insbesondere bei Diabetikern, die unter nächtlichen Unterzuckerungen leiden, kann Lantus alternativ vor dem Frühstück gespritzt werden.
Trotzdem muss man bemerken, dass bei dieser Studie in den drei Gruppen nur weniger als 30% (Frühstück 29,5%; Abendessen 29,8%, Spät 25,8%) der Teilnehmer einen Ziel-HbA1c-Wert von unter 7% erreicht haben. Die Ergebnisse können daher nicht ohne weiteres auf Diabetiker mit gut eingestelltem Blutzucker übertragen werden.
Dr. med. Jolanda Schottenfeld-Naor, Dr. med. Melanie Stapperfend Deutsches Diabetes-Forschungsinstitut Düsseldorf
Quelle: A Randomized Clinical Trial Comparing Breakfast, Dinner, or Bedtime Administration of Insulin Glargine in Patients With Type 1 Diabetes. Andreas Hamann, Stephan Matthaei, Christoph Rosak, and Louise Silvestre. Diabetes Care 2003 26: 1738-1744 |