Diabetesinformationen im Internet: Oft nur die halbe Wahrheit
(12.08.2005) Krankheitsaufklärung liegt im Trend der Zeit. Patienten sollen in Entscheidungen zu diagnostischen, therapeutischen und Präventivmaßnahmen aktiv eingebunden werden. Dies ist vor allem bei chronischen Erkrankungen wie dem Diabetes mellitus von Bedeutung: Der gut informierte Patient kann selber wesentlich dazu beitragen, um das Voranschreiten seiner Krankheit aufzuhalten und Folgeschäden vorzubeugen. Ein Weg, um Betroffene mit qualitativ hochwertigen Informationen zu versorgen, ist POEM (Patient Oriented Evidence that Matters).
Seit ein paar Jahren ist das Internet für viele Patienten und andere Interessierte eine wichtige Quelle, um Gesundheitsinformationen abzurufen, aber nicht alle Inhalte sind korrekt oder vollständigLetzteres wurde aus einem Bedarf an nützlichen Informationen heraus geboren: Hinter POEM verbirgt sich ein Konzept zur Verbreitung von aktuellen, praxisrelevanten Gesundheitsfakten. Patienten sollen darüber aufgeklärt werden, welche Diagnostik-, Behandlungs- und Vorbeugungs-Maßnahmen helfen können, um ein längeres und besseres Leben zu führen. Das Ziel von POEM ist, dass die besten und nützlichsten Gesundheits-Informationen der täglichen Alltagspraxis zugänglich gemacht werden. Die Informationen müssen hierfür wissenschaftlich korrekt, aktuell und einfach zu beschaffen sein. Entwickelt wurde das POEM-Konzept von David Slawson, einem Professor für Familienmedizin an der Universität Virginia in Charlottesville und Allen Shaughnessy vom Penn State College of Medicine in Hershey, Pennsylvania.
Wichtige POEMs für Menschen mit einer Typ 2 Diabeteserkrankung konnten aus der großen britischen UK Prospective Diabetes Studie (UKPDS) abgeleitet werden. An dieser Studie nahmen mehr als 5.000 Patienten teil, die über einen Zeitraum von 10 Jahren beobachtet und regelmäßig untersucht wurden. Im Mittelpunkt stand die Frage, welchen Einfluss eine gute Blutzucker- und Blutdruckeinstellung auf Folgeschäden und auf die Sterblichkeit der Betroffenen hat.
Seit ein paar Jahren ist das Internet für viele Patienten und andere Interessierte eine wichtige Quelle, um Gesundheitsinformationen abzurufen. Damit übt das Medium Internet einen großen Einfluss auf das allgemeine Patientenwissen und die Meinungsbildung aus. Spanische Wissenschaftler haben vor kurzem in einer Untersuchung geprüft, wie viel fachlich korrektes und vollständiges Wissen die zahlreichen Gesundheits-Webseiten im Internet tatsächlich bieten.
Hierfür wurde der englischsprachige Begriff „Type 2 diabetes“ in die Internet-Suchmaschinen „Google“ und „Altavista“ eingeben: Es erschienen etwa 16.900 Angaben für Webseiten in Google und mehr als 3.000 in Altavista. Jeweils die ersten zehn und 50 weitere, zufallsmäßig aus den ersten 500 Angaben ausgewählten Internetadressen (insgesamt 120 Webseiten) wurden begutachtet. Das Ergebnis: Fachlich korrekte, aktuelle und für die Praxis bedeutende Gesundheitsfakten gab es nur auf wenigen Webseiten. Ein Beispiel: Bluthochdruck erhöht bei Menschen mit Typ 2 Diabetes das Risiko für Folgeschäden erheblich. Eine aus der UKPDS abgeleitete Aussage ist, dass „die konsequente, gute Einstellung der Blutdruckwerte das Risiko für lebensbedrohliche Krankheitskomplikationen erheblich verringert“. Diese wichtige Information fehlte auf vielen Webseiten (mehr als 45 Prozent) vollständig. Überhaupt fanden sich POEMs (= fachlich korrekte, hochrelevante und aktuelle Gesundheitsinformationen) nur auf 69 Prozent der geprüften Webseiten zum Thema Typ 2 Diabetes.
Die Ergebnisse der spanischen Wissenschaftler zeigen, dass das Internet trotz der großen Informationsfülle bisher nur punktuell dazu beiträgt, Patienten wirklich mit professionellen, nützlichen und aktuellen Informationen über ihre Erkrankung zu versorgen. Auf vielen Webseiten werden wichtige neue Erkenntnisse überhaupt nicht berücksichtigt oder nur unvollständig dargestellt. Es sollten daher vermehrt Anstrengungen unternommen werden, um Gesundheitsinformationen weiter zu optimieren. Nur aktuelles, wissenschaftlich richtiges und wirklich relevantes Gesundheitswissen, das außerdem für Interessierte leicht zugänglich ist, kann dem Patienten auf Dauer nutzen und ihn sinnvoll unterstützen.
Dr. med. Anja Lütke, freie Mitarbeiterin der Deutschen Diabetes-Klinik des Deutschen Diabetes-Zentrums an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Leibniz-Zentrum für Diabetes-Forschung
Quelle: Giménez-Pérez G, Caixàs A, Giménez-Palop O et al. Dissemination of ‘patient-oriented evidence that matters’ on the internet : the case of Type 2 diabetes treatment. Diabetic Medicine 2005; 22: 688-692 |