Häufigkeit und medizinische Versorgung des Diabetes mellitus in Deutschland
Neues von der 38. Jahrestagung der Deutschen Diabetes-Gesellschaft Ende Mai 2003 in Bremen
(06.06.2003) Im Zeitalter immer knapper werdender Finanzmittel und gestiegener Ansprüche an eine qualitätsgesicherte medizinische Versorgung wird es immer wichtiger, aktuelle Daten zur Verbreitung und medizinischen Versorgung bestimmter Krankheiten zur Verfügung zu haben. Ziel muss dabei die effektive Verwendung der Mittel zum größtmöglichen Nutzen der Bevölkerung sein.
Vor diesem Hintergrund hatten wir kürzlich die Möglichkeit, anonymisierte Routinedaten einer repräsentativen Versichertenstichprobe der AOK Hessen (n=306.736) hinsichtlich der Verbreitung des Diabetes mellitus und der medizinischen Betreuung von Versicherten mit dieser Krankheit auszuwerten. Da für Abrechnungszwecke alle Einzelleistungen mit Datum und Anlass dokumentiert werden, lassen sich daraus patientenbezogene Behandlungsverläufe erstellen. Die Identifizierung erfolgt dabei über ICD-10 Diagnosen und regelmäßige Verordnungen von Insulin und oralen Antidiabetika (Tabletten zur Blutzuckersenkung).
Nach Standardisierung für die Bevölkerung Deutschlands fand sich für das Jahr 2001 eine Gesamtprävalenz (Häufigkeit) bekannter Diabetiker von 6,91 %. Davon erhielten in absoluten Angaben 1,92 % Insulin, alleine oder in Kombination mit oralen Antidiabetika, 3,07 % waren alleine mit oralen Antidiabetika behandelt und 1,93 % waren diätetisch geführt. Hochgerechnet auf die Bundesrepublik Deutschland entspricht dies einer Gesamtzahl von 5,75 Millionen Menschen mit bekannter Diabeteserkrankung. Im Vergleich zu einer Erhebung mit ähnlicher Methodik im Jahr 1988 bedeutet dies einen Anstieg um 43 %. Besonders bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Prävalenz der Erkrankung bei Menschen im Alter über 70 Jahren bei rund 25 % liegt. Rund 5 % aller Versicherten in diesem Alter werden mit Insulin behandelt.
Die Qualität der medizinischen Betreuung dieser Patienten wurde anhand von Abrechnungen von HbA1c-Messungen, Mikroalbuminuriebestimmungen, Augenhintergrundsuntersuchungen und Verordnungen von Teststreifen zur Stoffwechselselbstkontrolle u.a. abgeschätzt. Dabei zeigte sich, dass im Jahr 2001 bei immerhin 71,5 % der insulinbehandelten Patienten, bei 65,9 % der Patienten unter oralen Antidiabetika und bei 41,1 % der diätetisch behandelten Patienten wenigstens eine HbA1c-Messung durchgeführt wurde. Im Gegensatz dazu fand sich bei jeweils weniger als 1 % der Patienten in den 3 Behandlungsgruppen eine Abrechnung für eine Untersuchung auf Albuminurie, dem wichtigsten Marker zur Früherkennung der diabetischen Nierenschädigung. Augenhintergrundsuntersuchungen wurden bei 47,1 %, 31,9 % bzw. 22,5 % der Patienten in den drei Behandlungsgruppen durchgeführt. Immerhin erhielten 78,2 % der insulinbehandelten Patienten Teststreifen zur Blutzuckerselbstmessung verordnet, im Mittel 587 ± 7 Streifen pro Patient und Jahr. Von den Patienten unter alleiniger Therapie mit oralen Antidiabetika erhielten lediglich 12,0 % im Lauf des Jahres solche Teststreifen.
Zusammengefasst zeigen diese Ergebnisse an einer großen Stichprobe, dass rund 7 % aller Deutschen an einem bekannten Diabetes mellitus leiden. Die medizinische Versorgung hat sich - gemessen an diabetesspezifischen Indikatoren - im Verlauf der letzen 13 Jahre deutlich verbessert, allerdings werden die Untersuchungen zur Früherkennung von Spätfolgen längst nicht in ausreichendem Umfang genutzt.
Diese Untersuchung erfolgte mit Unterstützung der AOK Hessen, der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen und des Sozialministeriums des Landes Hessen.
Prof. Dr. med. Hans Hauner, Klinik für Ernährungsmedizin der TU München; Ingrid Köster, Liselotte von Ferber, Forschungsgruppe Primärmedizinische Versorgung der Universität zu Köln
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