Mehr Patientenorientierung mit dem Primary-Nurse-Konzept
(14.12.2005) Das Primary-Nurse-Konzept, ein in den USA und in skandinavischen Ländern weit verbreitetes Pflegekonzept, wird jetzt auch in verschiedenen deutschen Krankenhäusern als Modellvorhaben getestet. In einigen Klinken wurde es sogar als Standard-Pflegesystem eingeführt.
Auf die kontinuierliche Beglei- tung des Patientes durch eine Bezugsperson kommt es beim Primary-Nurse-Konzept an Foto: DAK/Schläger
Die Pionierarbeit für “Primary Nursing“ wurde von der amerikanischen Krankenschwester Marie Manthey in den 70er Jahren im Universitätskrankenhaus Minneapolis geleistet. Sie selbst beschreibt es als „Die Idee, dass eine Pflegekraft die Verantwortung für die Pflege eines Patienten übernimmt, dass ist im Prinzip alles!“ Konkret heißt es, dass jedem Patienten für die Dauer seines Krankenhausaufenthaltes eine Krankenschwester als Primärschwester zugeteilt wird. Sie nimmt an diesem Patienten alle klassischen Pflegeaufgaben wahr und ist vom Aufnahmegespräch bis zum Entlassungsgespräch für die Versorgung des Patienten verantwortlich. Darüber hinaus koordiniert sie die Behandlung, informiert die Angehörigen und beteiligt sich an der Entlassungsplanung. Übernimmt eine andere Fachkraft zeitweise die Pflege, so bekommt sie von der „Primary Nurse“ eine detaillierte Übergabe mit einem genauen Pflegeplan.
Im Gegensatz zu anderen Organisationsformen der Pflege, wie der Zimmer- oder Bereichspflege, wechselt das Pflegepersonal nicht von Tag zu Tag. Dies hat für den Patienten den Vorteil, dass er einen festen Ansprechpartner hat, welches eine bessere Voraussetzung für eine persönliche und vertrauensvolle Beziehung zwischen Schwester und Patient schafft. Aber nicht nur für die Patienten scheint das neue Pflegesystem Vorteile zu haben. Auch den Krankenschwestern und Krankenpflegern bietet es die Möglichkeit zu mehr Selbstständigkeit und Verantwortung in Ihrem Berufsalltag.
Warum braucht man überhaupt ein neues Pflegesystem? Die Pflegepionierin Marie Manthey beschreibt die Notwendigkeit folgendermaßen: „Primary Nursing wurde begonnen, weil eine Gruppe von Krankenschwestern es wollte. Sie wollten die von Ihnen als schlecht erlebte Arbeitssituation verändern. Die Arbeit war von viel Lauferei und Hektik geprägt. Alle arbeiteten und arbeiteten, hatten aber nie Zeit, um mit den Patienten zu reden, nie Zeit, um sich den Namen des Patienten zu merken. Sie hatten immer nur Aufgaben, sie waren frustriert, weil sie nie Zeit hatten, das zu tun, was sie eigentlich gelernt hatten.“ Diese Erfahrungen sind Krankenschwestern und Krankenpflegern in deutschen Krankenhäusern sicherlich auch nicht unbekannt, gerade in einer Zeit von Budgetkürzungen und Personalabbau. Das neue Modell dürfte zumindest beim Pflegepersonal auf großes Interesse stoßen. In Modellprojekten an deutschen Krankenhäusern wurde es durchweg sowohl vom Pflegepersonal als auch von den Patienten als positiv bewertet. Trotzdem wird es Widerstände gegen eine weitreichende Implementierung des Primary-Nurse-Konzeptes geben. Schon Marie Manthey erkannte: „Es ist eine einfache Idee, aber sie ist nicht einfach umzusetzen.“
Die größte Herausforderung bei der Einführung dürften die Veränderungen sein, die im Bereich des Krankenhausmanagements und der Stationsleitungen nötig sind. Gerade das Prinzip größerer Autonomie für die einzelnen Pflegekräfte könnte mit den traditionell hierarchischen Strukturen deutscher Krankenhäuser kollidieren. Im Sinne einer Individualisierung und Verbesserung der Patientenbetreuung bleibt zu hoffen, dass die Diskussionen um ein Für und Wider des Primar-Nurse-Konzeptes unter Pflegekräften und Krankenhausleitungen offen geführt werden.
Dr. med. Heinz Nagel, Deutsche Diabetes-Klinik des Deutschen Diabetes-Zentrums an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Leibniz-Zentrum für Diabetes-Forschung
Quellen: Manthey, Marie: Vortrag vor Führungskräften des LBK Hamburg im Oktober 2002, www.lbk-hh.de/html/aktuell/publ/pub_pflege.php Niermann, Inga: Gute Erfahrungen mit dem Primary-Nurse-Konzept in Hamburg. Ärztezeitung, 27.10.2005 http://aerztezeitung.de/docs/2005/10/27/193a0801.asp?cat= |