Stellungnahme der DDG zur geplanten Einstellung des Vertriebs des Insulins Semilente
(27.01.2006) Die Firma Novo Nordisk hat angekündigt, den Vertrieb des Insulins Semilente zum 30.06.2006 einzustellen. Sie begründet dies mit einem „Rückgang der globalen Nachfrage“ und mit finanziellen Verlusten durch hohe Herstellungskosten und die zu erwartenden Kosten für die Nachzulassung des Insulins.
Nach Schätzungen der DDG werden in Deutschland zur Zeit mindestens 12.000 Patienten mit Semilente behandelt, darunter eine große Zahl von Kindern und Jugendlichen. Ein Rückgang der Verschreibungen war in Deutschland im Jahre 2005 gegenüber 2004 nicht zu verzeichnen. In aller Regel werden mit Semilente Diabetiker mit einem ausgeprägten Dawn-Phänomen behandelt, d.h. Patienten mit einem starken Anstieg des Blutzuckers in der zweiten Hälfte der Nacht. Die Erfahrung zeigt, dass sich mit Semilente bei diesen Patienten oft wesentlich bessere Nüchternblutzucker erzielen lassen als mit NPH-Insulin. Umstellungsversuche von Semilente auf Glargin oder auf Detemir sind nur selten erfolgreich. Deshalb gibt es momentan aus der Sicht dieser Patienten und ihrer Ärzte keine Alternativen zu Semilente. Die wenigen Monate, als im Jahre 2004 vorübergehend kein Semilente verfügbar war und man auf andere Insuline ausweichen musste, hat die Betroffenen in dieser Auffassung bekräftigt. Eine Umfrage, die von der DDG Anfang Januar 2006 bei ihren Mitgliedern durchgeführt wurde, ergab, dass in über 80 % der eingegangenen Stellungnahmen die Autoren sich, oft sehr vehement, für die weitere Verfügbarkeit dieses Insulins aussprechen.
In Anbetracht der erheblichen Zahl von mindestens 12.000 Betroffenen und der, zumindest aus Sicht dieser Patienten und ihrer Ärzte, momentan fehlenden therapeutischen Alternativen, fordert der Vorstand der DDG die Firma Novo Nordisk nachdrücklich auf, Verantwortung zu zeigen und die Versorgung mit Semilente auch über den 30.6.2006 hinaus zu gewährleisten. Der wichtigste Grund für diese Forderung ist die Unsicherheit über die Auswirkung einer Umstellung von Semilente auf andere Insuline bei dieser Gruppe von Patienten. Es gibt momentan keinerlei vergleichende Untersuchungen über die Wirksamkeit von Semilente, NPH-Insulin und Detemir bei Patienten mit ausgeprägtem Dawn- Phänomen. Es bietet sich in dieser Situation an, im Rahmen einer kontrollierten, aussagekräftigen Studie bei derzeit mit Semilente behandelten Patienten die Wirkung dieser drei Insuline anhand der Endpunkte Blutzuckeranstieg in der zweiten Nachthälfte, Häufigkeit nächtlicher Hypoglykämien und HbA1c zu vergleichen. Eine derartige Studie wäre ohne weiteres innerhalb relativ kurzer Zeit zu realisieren. Aufgrund einer solchen Studie könnte erstens fundiert bewertet werden, ob Semilente durch NPH-Insulin oder Detemir ersetzt werden kann bzw. ob Detemir dem Semilente unter- oder überlegen ist und zweitens könnten fundierte Angaben zur Umstellung von Semilente auf ein anderes Insulin gemacht werden.
Der Vorstand der DDG fordert die Firma Novo Nordisk auf, diese Studie zu initiieren. Der Vertrieb von Semilente sollte bis zum Ende der Studie fortgeführt und die endgültige Entscheidung über das Schicksal von Semilente vom Ergebnis der Studie abhängig gemacht werden.
© Pressemeldung: Prof. Dr. Wolfgang Kerner, Präsident der DDG; Prof. Dr. Harald Klein, Vorsitzender des Ausschusses Pharmakotherapie
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