Dauerhaft zu hohe Blutzuckerwerte verändern die Gehirnstruktur
(26.05.2006) Eine typische Langzeitfolge überhöhter Blutzuckerspiegel beim Diabetes ist die sogenannte Polyneuropathie: Nerven in den Armen und Beinen sowie Organen werden geschädigt. Wissenschaftler vom Joslin Diabetes Center in Boston, USA, sind jetzt der Frage nachgegangen, ob sich dauerhaft erhöhte Glukosewerte auch auf das Gehirn und die Gehirnleistung auswirken. Die Ergebnisse wurden vor kurzem in der Fachzeitschrift Diabetes veröffentlicht.
In ihrer Studie untersuchten Alan M. Jacobson und sein Team Personen mit einer langjährig bestehenden Typ 1 Diabeteserkrankung. Die Teilnehmer waren zwischen 25 und 40 Jahre alt, die Diabetesdauer betrug zwischen 15 und 25 Jahren. Ausgeprägte Spätfolgen einer Diabeteserkrankung lagen noch nicht vor. Bei allen Diabetikern wurde eine Voxel-basierte Morphometrie (VBM) durchgeführt: Dabei handelt es sich um eine neue Untersuchungstechnik, bei der MRT-Bilder des Gehirns mit einer speziellen Software analysiert und Gehirnstrukturen dreidimensional dargestellt werden. Mit dieser Methode lassen sich auch kleinere Veränderungen der Gehirnstruktur sichtbar machen und die Gehirne verschiedener Personen untereinander vergleichen. Parallel führten die Wissenschaftler die Untersuchung auch bei gleichaltrigen Kontrollpersonen ohne Diabeteserkrankung durch.
Im Vergleich zu ihren Altersgenossen ohne Diabetes zeigten die Teilnehmer mit langjähriger Typ 1 Diabeteserkrankung eine verminderte Dichte der grauen Hirnsubstanz. Diese Veränderungen waren besonders ausgeprägt in den Hirnbereichen, die für Aufmerksamkeit, Sprachverarbeitung und Gedächtnis zuständig sind. Spezielle Tests zur geistigen Leistungsfähigkeit bestätigten die Defizite in der Sprachverarbeitung und dem Gedächtnis auch in der Praxis. Am schlechtesten schnitten dabei Typ 1 Diabetiker mit besonders mit hohen HbA1c-Werten ab. Auch schwere Unterzuckerungen in der Vergangenheit waren mit einer geringeren geistigen Leistungsfähigkeit verknüpft.
Dauerhaft überhöhte Blutzuckerspiegel können zu einer Verringerung der grauen Hirnsubstanz in verschiedenen Gehirnregionen führen. Dies wirkt sich unter Umständen auf das Gedächtnis, das Sprachvermögen und die Aufmerksamkeit aus. Wer als Diabetiker seinen Blutzucker gut im Griff hat, muss sich allerdings keine Sorgen machen: Die geistige Leistungsfähigkeit ist vor allem bei langfristig schlechter Blutzuckereinstellung gefährdet.
Dr. med. Anja Lütke, freie Mitarbeiterin der Deutschen Diabetes-Klinik des Deutschen Diabetes-Zentrums an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Leibniz-Zentrum für Diabetes-Forschung
Quelle: Musen G, Lyoo IK, Sparks CR et al. Effects of type 1 diabetes on gray matter density as measured by voxel-based morphometry. Diabetes 2006; 55: 326-333
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