Typ 1 Diabetiker erkranken häufiger an Multipler Sklerose
(18.08.2006) Zwischen dem Typ 1 Diabetes und der Multiplen Sklerose – beides Autoimmunerkrankungen – gibt es offenbar eine Verbindung. Zu diesem Ergebnis kommt eine große Studie aus Dänemark mit mehreren tausend Personen. Bereits in der Vergangenheit hatte es aus Einzelfallberichten und kleineren Studien Hinweise gegeben, dass beide Erkrankungen auffällig oft gemeinsam auftreten. Dies haben die dänischen Wissenschaftler vom Statens Serum Institut in Kopenhagen jetzt bestätigt.
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Bei der Multiplen Sklerose – kurz MS genannt – führt eine chronische Entzündung in Rückenmark und Gehirn zu einer Entmarkung von Nervenfasern, das heißt die Nervenfasern verlieren ihre „Isolierschicht“. Als Folge der Entzündung vernarben die betroffenen Nervenfasern und können ihre Funktion nicht mehr wahrnehmen. Die MS beginnt meist im frühen Erwachsenenalter (zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr), wobei Frauen etwas häufiger erkranken als Männer. In Deutschland sind schätzungsweise mehr als 100.000 Personen betroffen.
In der im Fachmagazin Archives of Neurology veröffentlichten Arbeit verfolgten Nete M. Nielsen und seine Kollegen die Krankengeschichte von 6.078 Patienten mit einer Typ 1 Diabeteserkrankung (71.626 Personenjahre Follow up). Bei allen Betroffenen trat der Diabetes vor dem 20. Lebensjahr auf. Im Beobachtungszeitraum entwickelten insgesamt 11 Diabetiker eine Multiple Sklerose. Für eine vergleichbar große Personenzahl aus der Allgemeinbevölkerung würde man statistisch weniger als 3,4 MS-Fälle erwarten. Damit trat die Multiple Sklerose bei Typ 1 Diabetikern mehr als das dreimal so häufig auf als in der Allgemeinbevölkerung.
Als Ergänzung zu ihrer Studie untersuchten die dänischen Wissenschaftler zusätzlich 14.771 erstgradig Verwandte (z. B. die Kinder oder Geschwister) von 11.862 MS-Kranken. Hiervon waren 56 Personen an einem Typ 1 Diabetes erkrankt. Setzt man diese Zahl wiederum in Bezug zur bekannten Diabeteshäufigkeit, ergibt sich für erstgradig Verwandte von MS-Kranken ein um 44 Prozent höheres Risiko für eine Typ 1 Diabeteserkrankung im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung.
Die Studie aus Dänemark zeigt anhand einer großen Personenzahl, dass Menschen mit einem Typ 1 Diabetes etwas häufiger an einer Multiplen Sklerose erkranken als gleichaltrige Nicht-Diabetiker. Die Beobachtung, dass es umgekehrt in Familien mit MS-Erkrankten auch häufiger Typ 1 Diabetesfälle gibt, weist auf Verbindungen zwischen beiden Erkrankungen hin. Welche Mechanismen für das gehäufte gemeinsame Auftreten von Typ 1 Diabetes und Multipler Sklerose verantwortlich sein könnten, ist bisher allerdings unklar und bedarf weiterer Untersuchungen. Bisher vermuten die Wissenschaftler, dass hier sowohl Vererbungs- als auch Umweltfaktoren eine Rolle spielen.
Dr. med. Anja Lütke, freie Mitarbeiterin der Deutschen Diabetes-Klinik des Deutschen Diabetes-Zentrums an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Leibniz-Zentrum für Diabetes-Forschung
Quelle: Nielsen NM, Westergaard T, Frisch M et al. Type 1 diabetes and multiple sclerosis: A Danish population-based cohort study. Arch Neurol 2006; 63: 1001-1004 |