Betazell-Restfunktion auch nach langjähriger Typ 1 Diabetesdauer
(23.08.2006) Der Typ 1 Diabetes ist durch den Untergang der insulinbildenden sogenannten Betazellen in der Bauchspeicheldrüse gekennzeichnet. Die Folge: Der Betroffene wird insulinpflichtig, da die eigene Bauchspeicheldrüse kein oder nicht mehr ausreichend Insulin herstellt. Wissenschaftler vom Joslin Diabetes Center in Boston, USA, haben vor kurzem eine für die Fachwelt sensationelle Entdeckung veröffentlicht: Selbst nach einer Diabetesdauer von 50 Jahren und mehr gibt es bei einigen Typ 1 Diabetikern offenbar immer noch Betazellen mit einer Restfunktion.
Durch Lymphozyten angegriffene Inselzellen
In dem Projekt „The Joslin 50-Year Medialist Study“ verfolgen Studienleiter George L. King und seine Kollegen Patienten, die seit 50 oder mehr Jahren mit einer Typ 1 Diabeteserkrankung leben. Mittlerweile umfasst das Projekt bereits 326 Personen, die ein Durchschnittsalter von 70 Jahren und eine mittlere Diabetesdauer von 57 Jahren aufweisen. Bei Diagnose des Typ 1 Diabetes waren die Betroffenen im Mittel 13 Jahre alt. Die Wissenschaftler untersuchten bestimmte Laborwerte bei einer Subgruppe von 125 der über 300 Diabetiker. Gemessen wurden unter anderem Antikörper gegen das Bauchspeicheldrüsengewebe (Inselzellantikörper) und das sogenannte C-Peptid, das ein indirekter Marker für die Insulinherstellung in der Bauchspeicheldrüse ist.
Bei ihren Messungen fanden King und seine Kollegen bei fast 13 Prozent der untersuchten Typ 1 Diabetiker C-Peptidwerte oberhalb der 0,3 ng/ml-Grenze. Von diesen Patienten produzierten noch etwa 23 Prozent Antikörper (GADA und/oder IA2) gegen das Bauchspeicheldrüsengewebe. Innerhalb der Gruppe der Typ 1 Diabetiker ohne positiven C-Peptidwert wurden immerhin noch bei 17 Prozent Inselzellantikörper gefunden. Die positiven Ergebnisse für das C-Peptid und die Inselzellantikörper bedeuten, das selbst nach mehr als 50-jähriger Diabetesdauer offenbar noch einige Betazellen vorhanden und zum Teil sogar funktionstüchtig sind. Weitere Studien in der Zukunft müssen nun zeigen, ob sich aus dieser Erkenntnis neue Möglichkeiten für die Behandlung des Typ 1 Diabetes ableiten lassen.
Unterschiede in der Güte der Zucker- und Fettstoffwechseleinstellung, dem Body Mass Index oder der benötigten Insulindosis konnten zwischen den Diabetikern mit und ohne Betazell-Restfunktion übrigens nicht festgestellt werden. Eine weitere interessante Beobachtung der Wissenschaftler vom Joslin Diabetes Center war jedoch, dass typische diabetische Folgeschäden wie Augen- und Nierenprobleme „nur“ bei etwas mehr als der Hälfte der untersuchten Personen vorhanden waren – trotz der extrem langen Diabetesdauer von 50 und mehr Jahren.
Dr. med. Anja Lütke, freie Mitarbeiterin der Deutschen Diabetes-Klinik des Deutschen Diabetes-Zentrums an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Leibniz-Zentrum für Diabetes-Forschung
Quelle: Keenan HA et al. Positivity of C-peptide, GADA and IA2 antibodies in type 1 diabetic patients with extreme duration. American Diabetes Association Scientific Sessions 2006; Abstract 278-OR, presented June 11 |