Immunzellbedingt zerstörte Insel in der Bauchspeicheldrüse einer Maus
(28.07.2006) Etwa 3 Prozent der Menschen mit Diabetes leiden unter einem Typ 1 Diabetes. Diese Diabetesform entsteht auf der Grundlage einer Autoimmunerkrankung: Der Körper bildet Abwehrstoffe gegen die Betazellen, das heißt gegen die eigenen Insulin produzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse. Der zunehmende Untergang der Betazellen bedingt einen Insulinmangel, der die Blutzuckerwerte ansteigen lässt.
Lange Zeit war unklar, was das körpereigene Immunsystem dazu veranlasst, die Zellen in der Bauchspeicheldrüse anzugreifen und zu zerstören. Zwei Studienteams aus den USA haben unabhängig voneinander Hinweise gefunden, dass ein Hauptauslöser für die Autoimmunreaktion beim Typ 1 Diabetes das Insulin selber ist. Umfangreichere Ergebnisse hierzu wurden bereits im vergangenen Jahr in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht. Andere Studiengruppen haben inzwischen weitere Details zu diesem Thema entschlüsselt.
Für ihre Untersuchungen entnahmen Wissenschaftler bei Personen mit einem Typ 1 Diabetes und Menschen ohne Diabeteserkrankung in der Kontrollgruppe Lymphknoten aus der Region der Bauchspeicheldrüse. Im Labor untersuchten sie die darin enthaltenen Lymphozyten und deren Reaktion auf Insulin. Lymphozyten sind spezifischen Abwehrzellen des menschlichen Körpers, die unter anderem auch an Autoimmunreaktionen beteiligt sind. Die Forscher entdeckten, dass die Lymphozyten von Typ 1 Diabetikern tatsächlich auf Insulin reagierten, während dies in der Kontrollgruppe nicht der Fall war. Hieraus schließen die Forscher, dass das Insulin bei Typ 1 Diabetikern von den körpereigenen Abwehrzellen „fälschlicherweise“ als Antigen erkannt wird. Antigene sind Substanzen, die eine Immunantwort auslösen. Dies führt zu einem Angreifen und Zerstören der Betazellen, die das Insulin herstellen. Gestützt werden diese Ergebnisse durch Untersuchungen mit genveränderten Mäusen, die besonders häufig an Diabetes erkranken.
Die Forscher schalteten bei diesen Tieren das Gen für die Herstellung des „normalen“ Insulins aus. Stattdessen produzierten die Mäuse ein verändertes Insulinhormon, das von den Abwehrzellen nicht erkannt wird. Das interessante Ergebnis: Kein einziges der Versuchstiere mit dem veränderten – für die Immunzellen quasi „unsichtbaren“ – Insulinhormon entwickelte in der Folgezeit einen Typ 1 Diabetes. Auch diese Beobachtung spricht dafür, dass Insulin als Antigen bei der Entstehung des Typ 1 Diabetes eine wesentliche Rolle spielt. Neuere Untersuchungen zeigen, dass Insulin allerdings nicht allein verantwortlich ist für das Auslösen der Autoimmunreaktion. Andere körpereigene Substanzen sind ebenfalls daran beteiligt.
Die Ergebnisse zur Rolle von Insulin tragen wesentlich zum Verständnis bei, wie eine Typ 1 Diabeteserkrankung entsteht. In einem nächsten Schritt soll nun geprüft werden, ob sich das Insulinhormon auch beim Menschen soweit manipulieren lässt, das es von den Abwehrzellen nicht erkannt wird. Hierdurch könnte man möglicherweise die Entstehung eines Typ 1 Diabetes verhindern, so die Überlegung der Wissenschaftler. Das alles ist bisher aber Zukunftsmusik: Bevor realistisch abgeschätzt werden kann, was diese Ergebnisse für den Menschen tatsächlich bedeuten, muss noch sehr viel Forschungsarbeit geleistet werden.
Dr. med. Anja Lütke, freie Mitarbeiterin der Deutschen Diabetes-Klinik des Deutschen Diabetes-Zentrums an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Leibniz-Zentrum für Diabetes-Forschung
Quellen: Homann D, Eisenbarth GS. An immunologic homunculus for type 1 diabetes. J Clin Invest 2006; 116: 1212-1215 Nakayama M, Abiru N, Moriyama H et al.. Prime role for an insulin epitope in the development of type 1 diabetes in NOD mice. Nature 2005; 435: 220-223 Kent SC, Chen Y, Bregoli L et al. Expanded T cells from pancreatic lymph nodes of type 1 diabetic subjects recognize an insulin epitope. Nature 2005; 435: 224-228 |