Frauen mit Hormonersatztherapie entwickeln seltener einen Diabetes
(19.03.2007) In einem aktualisierten Positionspapier hat die Nordamerikanische Menopausegesellschaft auf einen bisher kaum bekannten möglichen Nutzen einer Hormonersatztherapie hingewiesen: Frauen, die im Rahmen von Studien entsprechende Hormonpräparate eingenommen hatten, entwickelten seltener eine Diabeteserkrankung.
Ein erheblicher Anteil der Frauen in und nach den Wechseljahren leidet unter behandlungsbedürftigen Östrogenmangel-Erscheinungen wie z. B. Hitzewallungen, nächtlichen Schweißausbrüchen, Schlafstörungen, depressiven Verstimmungen und anderen Beeinträchtigungen. Schätzungsweise jede dritte Frau in Deutschland nimmt in den Wechseljahren Hormonpräparate, um die Beschwerden zu lindern. Der gesundheitliche Nutzen und die möglichen Risiken einer Hormonersatztherapie (HRT) werden nach wie vor kontrovers diskutiert. Durch die Östrogen- oder Östrogen-plus-Gestagen-Präparate lassen sich die Wechseljahresbeschwerden meist deutlich zurückdrängen. Außerdem gibt es Hinweise auf eine Risikoverringerung für Darmkrebs, Osteoporose und Demenz. Andererseits wird für die HRT ein leicht erhöhtes Risiko für Schlaganfall, verstärkte Blutgerinnung und Erkrankungen der Gallenblase diskutiert. Beim Thema Brustkrebs sind die Ergebnisse widersprüchlich.
Anfang der 90er Jahre wurde ein großes 15-jähriges Studienprogramm mit 161.808 postmenopausalen Frauen gestartet: Die Women’s Health Initiative (WHI). Es war das Hauptziel dieses Programms, den Einfluss von Hormonersatztherapie, Ernährungsveränderungen und Kalzium-/Vitamin-D-Präparaten auf Herz-Kreislauferkrankungen, Knochenbrüche, Brustkrebs und Darmkrebs zu untersuchen. Die Ergebnisse dieser Studien liegen nun vor und wurden von der Nordamerikanischen Menopausegesellschaft (North American Menopause Society, NAMS) zum Anlass genommen, zu Nutzen und Risiken einer HRT erneut Stellung zu nehmen.
Seit Februar 2007 steht eine Online-Vorabveröffentlichung des neuen Positionspapiers zur Verfügung. Darin weist die Nordamerikanische Menopausegesellschaft auf einen bisher völlig vernachlässigten möglichen Nutzen der HRT hin: Frauen, die im Rahmen des WHI-Programms ein Östrogen-plus-Gestagen-Präparat eingenommen hatten, entwickelten um 21 Prozent seltener eine Diabeteserkrankung als der Durchschnitt der Studienpopulation. Wurde ausschließlich ein Östrogenpräparat (ohne Gestagen) eingesetzt, verringerte sich das Diabetesrisiko immerhin noch um 12 Prozent. Zu ähnlichen Ergebnissen kam in der Vergangenheit auch die Heart and Estrogen/Progestin Replacement Study: Hier betrug die Reduktion des Diabetesrisikos unter einem Östrogen-Gestagen-Präparat sogar 35 Prozent. Warum die Hormonersatztherapie mit einer Absenkung des Diabetesrisikos einhergeht, ist bisher nicht geklärt. Ein möglicher Erklärungsansatz ist die Verringerung von Insulinresistenz: In früheren Studien wurde beobachtet, dass unter einer HRT die Insulinspiegel im Blut abnehmen.
Die Nordamerikanische Menopausegesellschaft rät allerdings davon ab, die Hormonersatztherapie allein aufgrund einer bekannten Risikoerhöhung für Diabetes einzusetzen (z. B. bei Typ 2 Diabetes in der Familie): Die HRT sollte ausschließlich Frauen mit Wechseljahresbeschwerden vorbehalten sein. Bei der individuellen Entscheidung, ob im Einzelfall ein Hormonpräparat empfohlen wird oder nicht, kann und sollte das individuelle Diabetesrisiko aber durchaus auch berücksichtigt werden.
Dr. med. Anja Lütke, freie Mitarbeiterin der Deutschen Diabetes-Klinik des Deutschen Diabetes-Zentrums an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Leibniz-Zentrum für Diabetes-Forschung
Quelle: Estrogen and progestogen use in peri- and postmenopausal women: March 2007 position statement of The North American Menopause Society. Menopause 2007; 4: 1-17; Online-Vorabveröffentlichung, doi: 10.1097/gme.0b013e31803167ab |