Gute Blutzuckereinstellung ermöglicht höhere Fruchtbarkeitsrate
(26.11.2007) Eine große Studie aus Schweden liefert gute Nachrichten für Frauen mit Diabetes: Seit dem Jahr 1985 lässt sich eine Zunahme der Fruchtbarkeitsrate bei Typ 1 Diabetikerinnen feststellen. Die Wissenschaftler führen den positiven Trend auf die Verbesserungen bei der Stoffwechseleinstellung zurück.
Die befruchtete Eizelle im Stadium der Zellteilung Foto: AOK
Junmei Miaof Jonasson und seine Kollegen vom Karolinska Institut in Stockholm haben den Lebenslauf von 5.978 Frauen im Zeitraum von 1965 bis 2004 mit Hilfe nationaler Gesundheitsregister verfolgt. Alle beobachteten Personen in der Studie hatten im Alter von höchstens 16 Jahren einen Krankenhausaufenthalt mit der Diagnose Typ 1 Diabetes hinter sich gebracht.
In den darauf folgenden Jahren bzw. Jahrzehnten wurden bei den Studienteilnehmerinnen insgesamt 4013 Lebendgeburten registriert. Hieraus errechneten die Wissenschaftler eine standardisierte Fruchtbarkeitsrate aus den tatsächlichen und den zu erwartenden Lebendgeburten. Das Ergebnis: Die Fruchtbarkeitsrate der Typ 1 Diabetikerinnen lag insgesamt um 20 Prozent niedriger als in der Allgemeinbevölkerung. Die niedrigsten Werte ergaben sich bei Frauen, die aufgrund einer langjährigen unzureichenden Blutzuckereinstellung bereits Diabetes-Folgeschäden an Augen, Nieren, Nerven oder dem Herzkreislaufsystem entwickelt hatten. Hier waren die Fruchtbarkeitsraten jeweils um 37, 46, 50 und 66 Prozent verringert.
Anschließend untersuchten Jonasson und sein Team den Zusammenhang zwischen dem Jahr des ersten Krankenhausaufenthalts und der späteren Geburtenhäufigkeit. Dabei stellte sich heraus, dass die Fruchtbarkeitsrate vor allem bei den Diabetikerinnen reduziert war, die ihren ersten Krankenhausaufenthalt vor dem Jahr 1985 hatten. Auch die Rate der Missbildungen bei Neugeborenen war deutlich höher (11,7 % für die Zeit zwischen 1973 und 1984) als in den späteren Jahren (6,9 % für die Zeit zwischen 1995 und 2004).
Den Grund für die Zunahme von Lebendgeburten bei Typ 1 Diabetikerinnen und den Rückgang der Missbildungsrate bei Neugeborenen sehen die Wissenschaftler in den Erfolgen bei der Verbesserung der langfristigen Blutzuckereinstellung: Seit Mitte der 1980er Jahre hat sich in Schweden eine Behandlungsstrategie durchgesetzt, bei der eine sehr viel striktere Stoffwechselkontrolle angestrebt wird.
Inwieweit die schwedischen Ergebnisse auf Deutschland übertragen werden können, bleibt zunächst ungeklärt, ein ähnlicher Trend dürfte aber auch hier zu erwarten sein. Neue medizinische Erkenntnisse, eine präzisere Diagnostik und verbesserte Behandlungsmöglichkeiten haben dazu geführt, dass eine Diabetikerin heutzutage wie jede andere Frau auch gesunde Kinder zur Welt bringen kann. Voraussetzung ist allerdings, dass die gesamte Schwangerschaft sorgfältig überwacht wird und der Glukosestoffwechsel optimal eingestellt ist. Bei einer guten Stoffwechsellage ist die Komplikationsrate bei Kind und Mutter nicht höher als bei einer Nicht-Diabetikerin. Wichtig ist deshalb vor allem, dass sich die Diabetikerin während der gesamten Schwangerschaft nicht nur gynäkologisch, sondern gleichzeitig auch diabetologisch mitbetreuen lässt. Im günstigsten Fall setzt eine Diabetikerin ihren betreuenden Arzt frühzeitig von ihren Schwangerschaftsplänen in Kenntnis, damit bereits vor Eintritt der Schwangerschaft die Therapie angepasst und die Überwachung intensiviert werden kann.
Dr. med. Anja Lütke, freie Mitarbeiterin von Diabetes-Deutschland.de, Deutsches Diabetes-Zentrum an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Leibniz-Zentrum für Diabetes-Forschung
Quelle: Jonasson JM, Brismar K, Sparén P et al. Fertility in women with type 1 diabetes: a population-based cohort study in Sweden. Diabetes Care 2007; 30: 2271-6 |