Präventionsgesetz liegt auf Eis
(07.04.2008) Nach einem Bericht des AOK Bundesverbandes haben es CDU/CSU und SPD offenbar aufgegeben, die Verabschiedung des geplanten Präventionsgesetzes in dieser Legislaturperiode anzustreben. Der Gesetzentwurf ist offenkundig gescheitert oder liegt zumindest auf Eis.
Präventionsräte sollen es richten
Prof. Dr. med. Werner A. Scherbaum, Direktor der Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und Rheumatologie an der Heinrich-Heine Universität DüsseldorfBereits im Oktober 2004 hatten sich Bund und Länder auf die Eckpunkte eines Präventionsgesetzes verständigt und das Vorhaben wurde in den Koalitionsvertrag von 2005 aufgenommen. Ende November 2007 wurde von der Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt ein Referentenentwurf für ein „Präventionsgesetz zur Vermeidung von Krankheiten“ vorgelegt. Darin war auch der Diabetes mellitus inbegriffen. Dabei sollte künftig ein Nationaler Präventionsrat bundesweite Präventionsziele und Qualitätsstandards formulieren und Aufklärungskampagnen starten. Konkrete Projekte sollten von Landes-Präventionsräten durchgeführt werden.
Prävention zu Lasten der Krankenkassen Der im Ressort von Ulla Schmidt erarbeitete Gesetzentwurf sieht vor, dass alle Sozialversicherungen und die private Krankenversicherung insgesamt 350 Millionen EURO pro Jahr in eine zentral verwaltete „Stiftung Prävention und Gesundheitsförderung“ einzahlen. Dafür sollen nach dem neuen Entwurf lediglich die gesetzlichen Kranken-, Unfall-, Renten- und Pflegeversicherungen sowie die Private Krankenversicherung in die Verantwortung genommen werden. Das meiste Geld – rund 250 Millionen EURO pro Jahr – soll von den Krankenkassen kommen.
Die Kritik Grundsätzlich teilen sowohl die Bürger, als auch die Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenkassen und die Länder die Absicht der Bundesregierung, Prävention und Gesundheitsförderung zu stärken, um die Gesundheit, Lebensqualität, Eigenverantwortung und Beschäftigungsfähigkeit ihrer Versicherten zu erhalten und zu verbessern, aber:
-
Prävention ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die nicht nur von den Beitragszahlern der gesetzlichen Krankenkassen finanziert werden darf. Die Reduktion der Problematik Prävention auf den Krankheitsbegriff ist zu kurz gegriffen. Vielmehr sind hierzu zahlreiche Gruppierungen der Gesellschaft mit einzuschließen.
-
Daraus folgt, dass auch die Finanzierung der Krankheitsprävention auf eine breitere Basis gestellt werden muss. In zahlreichen Analysen und Aufsätzen hat der Gesundheitssystemforscher Professor Fritz Beske aus Kiel auf den Verschiebebahnhof hingewiesen, mit dem nicht alleine krankheitsbezogene, sondern auch gesamtgesellschaftliche und Sozialleistungen über Regierungsbeschlüsse den Krankenkassen angelastet werden, was dann zwangsläufig zu einer nicht gerechtfertigten Erhöhung der Krankenkassenbeiträge führt.
-
Mit Recht haben die Spitzenverbände der Krankenkassen wie auch die Länder darauf hingewiesen, dass die Umsetzung des Referentenentwurfs des Gesundheitsministeriums zu einem Mehr an Bürokratie und zu Doppelstrukturen führen würde. Die Länder mahnten „einfachere und transparentere Strukturen“ an. In der Tat krankt das deutsche Gesundheitswesen an einer Überregulierung und die medizinische Versorgung droht an der Bürokratie zu ersticken. Warum kann man nicht auf bestehende Strukturen aufbauen? Es gibt ja z.B. schon eine Bundeszentrale für Gesundheitliche Aufklärung, die zusätzliche Koordinierungsaufgaben übernehmen könnte. Die Krankenkassen bieten bisher schon umfangreich Maßnahmen im Rahmen der Prävention, Gesundheitsförderung, Früherkennung und Vorsorge an, und für eine bessere kassenübergreifende Koordination der bisher verfügbaren Angebote gibt es noch genügend Spielraum.
-
Ein Blick auf andere Länder oder über den großen Teich wäre ganz hilfreich. In der nächsten Ausgabe der Zeitschrift „Der Diabetologe“ berichtet Herr Professor Ayron Sharma über das umfangreiche Adipositas-Präventionsprogramm in Canada, an dem nicht nur Ärzte, Krankenhäuser, Krankenkassen und Patienten-Selbsthilfegruppen beteiligt sind. Vielmehr sind in dieses Programm auch zahlreiche nicht-medizinische Sparten bis hin zu den Architekten und Städteplanern mit eingeschlossen. Prävention muss eben als gesamtgesellschaftliche Aufgabe betrachtet werden.
Prof. Dr. med. Werner A. Scherbaum, Direktor der Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und Rheumatologie an der Heinrich-Heine Universität Düsseldorf, wissenschaftlicher Leiter von Diabetes-Deutschland.de
Weitere Infos: www.aok-bv.de/politik/gesetze/index_00107.html Der Diabetologe, Heft 2, 2008 |