Neue Erkenntnisse zur Entwicklung des Typ 1 Diabetes
(10.04.2008) Der Typ 1 Diabetes ist eine Autoimmunerkrankung, bei der fälschlicherweise die körpereigenen insulinproduzierenden Betazellen der Bauchspeicheldrüse angegriffen und zerstört werden. Wie die Erkrankung genau ausgelöst wird, ist nach wie vor nur unvollständig geklärt. Wissenschaftler aus Australien haben jetzt ein weiteres Detail im Entstehungsprozess des Typ 1 Diabetes entdeckt. Möglicherweise lässt sich hiermit in der Zukunft die Diabetesgefährdung frühzeitiger erkennen.
Monozyten sind im Blut zirkulierende Zellen des Immunsystems Foto: ClipArt MS Office OnlineRanjeny Thomas und ihre Kollegen von der Universität Queensland haben in Forschungsarbeiten einen zellulären Signalweg identifiziert, der bei Patienten mit Typ 1 Diabetes im Vergleich zu Kontrollpersonen verändert ist. Es geht um den so genannten NF-kappa-B-Signalweg, der eine wichtige Rolle bei der Immunantwort spielt. An der Studie nahmen 60 Typ 1 Diabetiker im Alter zwischen 7 und 72 Jahren teil. Vor der Entnahme von Blutproben wurde eine begleitende Infektion oder eine Hyperglykämie bei den Testpersonen ausgeschlossen.
NF-kappa B ist ein Komplex aus mehreren Proteinen, der in den meisten Geweben des Menschen vorkommt. Als Transkriptionsfaktor beeinflusst NF-kappa B die Aktivierung verschiedener Gene: Eine Zelle reagiert auf Veränderungen ihrer Umgebung, indem sie spezifische Gene aktiviert, damit die neu benötigten Eiweiße hergestellt werden. Die Genaktivierung wird durch so genannte Transkriptionsfaktoren wie zum Beispiel NF-kappa B ("Nuclear Factor kappa B") reguliert. NF-kappa B ist vor allem an der Steuerung der Immunantwort, der Entzündungsreaktion, des Zellwachstum und der Zellentwicklung beteiligt.
Zurück zur Studie der australischen Wissenschaftler: Thomas und ihre Kollegen haben herausgefunden, dass in den Monozyten von Typ 1 Diabetikern der NF-kappa-B-Signalweg dauerhaft aktiviert ist. Monozyten sind die im Blut zirkulierenden Zellen des Immunsystems. Bei gesunden Menschen sind die Monozyten normalerweise „untätig“ oder „ruhig“ – der NF-kappa-B-Signalweg wird erst dann aktiviert, wenn die Zellen mit einer Infektion konfrontiert werden.
Thomas und ihre Kollegen hoffen nun, die neuen Erkenntnisse in der Zukunft für die Frühdiagnostik einsetzen zu können. Das Ziel ist, Typ 1 Diabetes-gefährdete Personen bereits in einem Stadium aufzuspüren, in dem die insulinproduzierenden Betazellen der Bauchspeicheldrüse noch vollständig intakt sind. Mit einem einfachen Bluttest könnte man dann Kinder identifizieren, die später mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Typ 1 Diabetes entwickeln. Dies wäre vor allem dann sehr hilfreich, wenn irgendwann eine erfolgreiche Impfung gegen Typ 1 Diabetes möglich ist – zu diesem Thema wird seit Jahren intensiv geforscht. Wie immer bei neuen Erkenntnissen dürfte es allerdings noch ein längerer Weg sein, bis ein verwendbarer Bluttest zur Typ 1 Diabetesgefährdung zur Verfügung steht: In einem nächsten Schritt wollen die Forscher jetzt klären, ab wann der NF-kappa-B-Signalweg vor Ausbruch des Typ 1 Diabetes – d. h. vor Zerstörung von Betazellen – verändert ist.
Dr. med. Anja Lütke, freie Mitarbeiterin von Diabetes-Deutschland.de, Deutsches Diabetes-Zentrum an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Leibniz-Zentrum für Diabetes-Forschung
Quelle: Mollah ZU, Pai S, Moore C et al. Abnormal NF-B Function Characterizes Human Type 1 Diabetes Dendritic Cells and Monocytes. J Immunol 2008; 180: 3166-75 |