Signalweg vom Übergewicht zur Hyperinsulinämie entdeckt
(16.06.2008) Bei Menschen mit deutlichem Übergewicht findet man in der Regel auffällig hohe Insulinspiegel im Blut: die Insulin-produzierenden Betazellen in der Bauchspeicheldrüse sind bei Fettsüchtigen vergrößert und stellen mehr Insulin her, als bei schlanken Menschen. Dabei stellt sich die Frage, auf welchem Wege die Betazellen bei Übergewichtigen das Signal bekommen, mehr Insulin zu produzieren. Dr. Sven Schinner in der Gruppe von Herrn Prof. Scherbaum an der Universität Düsseldorf hat einen grundlegenden Mechanismus identifiziert, der zur Klärung dieses Zusammenhangs beiträgt: Es geht um den Wnt-Signalweg.
Übergewicht und erhöhte Insulinspiegel – auch Hyperinsulinämie genannt – gehen in vielen Fällen in ein Metabolisches Syndrom und schließlich in einen Typ 2 Diabetes über. Typischerweise findet man dabei zunächst erhöhte Spiegel von Insulin im Blut. Damit kann der Körper eine gleichzeitig vorhandene Insulinresistenz, d.h. ein vermindertes Ansprechen der Körperzellen auf das Hormon Insulin für eine gewisse Zeit kompensieren. Die Wissenschaftler von der Universität Düsseldorf sind von ihrer bereits vor einigen Jahren publizierten Beobachtung ausgegangen, dass die Pankreasinseln bei fettsüchtigen Patienten reichlich Fett eingelagert haben und dass diese Fettzellen nicht passiv und inaktiv sind, sondern mit den umgebenden Inselzellen kommunizieren.
Im Mittelpunkt der Forschungsarbeit stand hier der so genannte Wnt-Signalweg, von dem bekannt ist, dass er die Kommunikation zwischen unterschiedlichen Zellen im Körper kontrolliert. Der Wnt-Signalweg gilt als einer der wichtigsten biologischen Signalpfade, die an der Steuerung der Lebensvorgänge beteiligt sind: Signale aus der Umgebung werden über die Zelloberfläche in das Zellinnere bis hin zum Zellkern und zur Erbsubstanz (DNA) weitergegeben, wo die entscheidenden Stoffwechsel- und Wachstumsvorgänge gesteuert werden. Unter anderem ist der Wnt-Signalweg am Zellwachstum, an der Zellreifung und an der Spezialisierung von Zellen beteiligt. Er steuert die Entwicklung vom Embryo zum ausgewachsenen Menschen und später die Erneuerung von Gewebe. Störungen des Signalwegs werden unter anderem mit der Entstehung von Krebserkrankungen in Zusammenhang gebracht.
Doch zurück zum Thema Übergewicht und Hyperinsulinämie: Schinner und Mitarbeiter untersuchten menschliche Fettzellen (= Adipozyten), die sie wie auf einem Rasen zusammen mit Betazellen wachsen ließen. Dann wurden die von beiden Zelltypen ausgehenden Signale und die wechselseitige Beeinflussung dieser Zellen biochemisch und mikroskopisch untersucht. Das interessante Ergebnis: Die Wissenschaftler konnten tatsächlich zeigen, dass sich die Betazellen unter dem Einfluss der von den Fettzellen abgegebenen Wnt-Signalmoleküle vergrößerten, und dass dann mehr Insulin in den Betazellen hergestellt wurde. Damit ist ein neuer Mechanismus identifiziert, der zur Klärung der Frage beiträgt, wie Übergewicht zu einer Hyperinsulinämie führt. Ziel aktueller Untersuchungen der Arbeitsgruppe ist es, Substanzen zu finden, die diesen Wnt-Signalweg stimulieren und damit evl. als Medikamente für die Therapie des Diabetes mellitus genutzt werden können.
Dr. med. Anja Lütke, freie Mitarbeiterin von Diabetes-Deutschland.de
Quelle: Schinner S, Ulgen F, Papewalis C, Schott M, Woelk A, Vidal-Puig A, Scherbaum WA:. Regulation of insulin secretion, glucokinase gene transcription and beta cell proliferation by adipocyte-derived Wnt signalling molecules. Diabetologia 2008; 51: 147-54 |