Gewichtsabnahme wirkt chronischen Entzündungsprozessen entgegen
(16.12.2008) Wer übergewichtig und diabetesgefährdet ist und darüber hinaus noch weitere Störungen wie Bluthochdruck, hohe Triglyzeride oder ein zu niedriges HDL-Cholesterin aufweist, profitiert besonders von einer Gewichtsabnahme: Ein Forscherteam aus Finnland hat herausgefunden, dass der Verlust überflüssiger Pfunde die Aktivität von Genen herunterreguliert, die für gefährliche unterschwellige Entzündungsprozesse im Körper verantwortlich sind.
Gewichtsabnahme kann zu Verbesserung der Insulinsensivität führen Foto: DAK
Das Metabolische Syndrom mit Insulinresistenz, Übergewicht, Bluthochdruck, ungünstigen Fettwerte und ersten Anzeichen für eine Zuckerstoffwechselstörung gilt als Vorstufe des Typ 2 Diabetes und fördert die frühzeitig Arterienverkalkung (Arteriosklerose). Seit einigen Jahren ist bekannt, dass auch chronische, unterschwellig verlaufende Entzündungsprozesse für das Diabetes- und Herz-Kreislauf-Risiko eine wichtige Rolle spielen. Wissenschaftler von der Kuopio Universität in Finnland haben jetzt in einer kleinen Pilotstudie gezeigt, dass die Gewichtsabnahme bei Übergewicht gefährliche Entzündungsprozesse verringert – und zwar über das „Herunterregulieren“ von Genen, die am Entzündungsgeschehen beteiligt sind.
Das Forscherteam aus Finnland führte eine Studie mit 34 übergewichtigen Personen durch (BMI: 28-40 mg/m2; Alter: 40-70 Jahre). Neben dem Übergewicht hatten alle Studienteilnehmer bereits eine gestörte Glukosetoleranz (IGT; 2-Std.-Plasmaglukose 7,8-11,0 mmol/l) oder eine gestörte Nüchternglukose (IFG; Nüchtern-Plasmaglukose 5,6-7,0 mmol/l). Daneben wiesen sie noch mindestens ein weiteres Zeichen des Metabolischen Syndroms auf. Die Versuchspersonen wurden in zwei Gruppen aufgeteilt: Gruppe 1 unterzog sich einer 33-wöchigen Diät. Während der ersten 12 Wochen fand eine regelmäßige Ernährungsberatung statt und die Teilnehmer mussten die konsumierten Lebensmittel und Lebensmittelmengen genau protokollieren. In der Zeit zwischen der 12. und der 33. Beobachtungswoche sollte die bis dahin erreichte Gewichtsreduktion zumindest gehalten werden. Folgende Verbesserungen wurden im Durchschnitt erreicht: Der Body-Mass-Index (BMI) sank von 33,0 auf 31,5 kg/m2, das Körpergewicht wurde von 93,0 auf 88,4 kg reduziert und der Bauchumfang nahm von 108,3 auf 104,6 cm ab. Gruppe 2, die als Kontrollgruppe eingesetzt wurde, nahm keinerlei Veränderungen bei Gewicht und Lebensstil vor. Dementsprechend blieben BMI, Gewicht und Taillenumfang hier nahezu konstant.
Zu Studienbeginn und nach 33 Wochen führten die Wissenschaftler Blutuntersuchungen bei allen Teilnehmern durch. Dabei zeigte sich in der Gruppe mit der Gewichtsabnahme eine deutliche Verbesserung der Insulinempfindlichkeit (Insulinsensitivität), d. h. die gefährliche Insulinresistenz konnte zurückgedrängt werden. In weiteren Analysen untersuchte das Forscherteam die Aktivität verschiedener Gene, die man für die chronische unterschwellige Entzündung beim Metabolischen Syndrom verantwortlich macht. Diese Gene werden durch einen als NF-kappa B bezeichneten Eiweißkomplex aktiviert, der in fast allen Zellen und Geweben vorhanden ist. NF-kappa B beeinflusst entscheidend die Entzündungsreaktionen im Körper und wird mit zahlreichen Erkrankungen in Zusammenhang gebracht.
Die Wissenschaftler aus Finnland machten folgende wesentliche Entdeckung: Durch die Gewichtsabnahme konnten die „Entzündungsgene“ beim Metabolischen Syndrom deutlich herunterreguliert werden. Dieser günstige Effekt ging gleichzeitig mit einer Verbesserung der Insulinsensitivität und einer Abnahme des Bauchumfangs einher. Die Autoren der Studie gehen davon aus, dass dabei auch die Aktivität des Genregulators NF-kappa B eingeschränkt wird, der nach heutigem Wissen an der Entstehung verschiedener schwerwiegender Erkrankungen beteiligt ist.
Dr. med. Anja Lütke, freie Mitarbeiterin von Diabetes-Deutschland.de, Deutsches Diabetes-Zentrum an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Leibniz-Zentrum für Diabetes-Forschung
Quelle: De Mello VD, Kolehmainen M, Pulkkinen L et al. Downregulation of genes involved in NFkappaB activation in peripheral blood mononuclear cells after weight loss is associated with the improvement of insulin sensitivity in individuals with the metabolic syndrome: the GENOBIN study.Diabetologia 2008; 51: 2060-7
Expertenkommentar von Prof. Dr. med. Werner Scherbaum, Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und Rheumatologie der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf:
Das Bemerkenswerte an dieser Publikation ist die Tatsache, dass im Blut zirkulierende mononukleäre Zellen (PBMC) als Indikatoren für eine Verbesserung der Insulinempfindlichkeit herangezogen werden können, was bei Menschen mit Typ 2 Diabetes natürlich mit einer Verbesserung der Blutzuckereinstellung verbunden ist.
In zahlreichen Untersuchungen hat sich inzwischen herausgestellt, dass PBMC erstaunlich vielfältige Fähigkeiten haben, nicht nur Entzündungsprozesse zu regeln, sondern auch als mobile Einsatzkräfte über den Blutweg Stoffwechselsignale zwischen verschiedenen Geweben auszutauschen. Die jeweiligen Funktions- und Aktivierungszustände (z. B. die Expression unterschiedlicher Gene) können bei einer detaillierten Analyse des zirkulierenden Blutes abgelesen werden.
Bei der Interpretation der Ergebnisse ist darauf hinzuweisen, dass die hier vorgelegten Untersuchungen nur für den Fall einer bewussten Gewichtabnahme gelten, die ja beim Metabolischen Syndrom mit einer Verbesserung des Gesundheitszustandes verbunden ist. Es ist aber eine ganz andere Situation, wenn eine Gewichtsabnahme durch eine schwere Allgemeinerkrankung erfolgt. Dann wäre zu erwarten, dass die PBMC nicht eine Ruhigstellung sondern eine Aktivierung der „Entzündungsgene“ aufzeigen. |