In diesem Ratgeber werden die Möglichkeiten für die Behandlung Ihres Übergewichts aufgezeigt. Diese Empfehlungen beruhen soweit wie möglich auf den Ergebnissen von wissenschaftlichen Untersuchungen, daneben werden Meinungen führender Experten aus Deutschland und anderen Staaten sowie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) berücksichtigt.
Diese Broschüre soll Ihnen helfen, selbst zu erkennen, ob Übergewicht vorliegt, wann Übergewicht behandelt werden soll, welche geprüften Methoden zur Verfügung stehen und wann diese eingesetzt werden sollten.
Was ist Übergewicht (Adipositas)?
Unter Übergewicht (Adipositas) versteht man eine für die Gesundheit gefährliche Vermehrung des Körperfetts. Der Schweregrad der Adipositas und damit das Ausmaß der gesundheitlichen Gefährdung wird durch den Body Mass Index (Körpermassenindex, BMI) erfaßt. Er wird nach folgender Formel berechnet:
Beispiel: Für einen 1,80 Meter großen Mann mit einem Gewicht von 100 kg errechnet sich folgender BMI:
In der BMI-Tabelle des Anhanges können Sie, auch ohne zu rechnen, Ihren BMI ablesen.
Der Schweregrad von Übergewicht/Adipositas wurde wie folgt festgelegt
Gewichtsklasse |
BMI (kg/m²) |
Normalgewicht |
18,5-24,9 |
Übergewicht |
>25 |
mäßiges Übergewicht |
25-29,9 |
Adipositas Grad I |
30-34,9 |
Adipositas Grad II |
35-39,9 |
Adipositas Grad III |
ab 40 |
Bei der Bewertung der gesundheitlichen Gefährdung kommt es nicht nur auf den BMI an. Wichtig ist auch, wo die überflüssigen Pfunde sitzen.
Ein Maß für die Fettverteilung ist der Taillenumfang. Eine bauchbetonte Fettverteilung ("Apfel-Typ", hauptsächlich bei Männern) bedroht die Gesundheit stärker als eine hüftbetonte Fettverteilung ("Birnen-Typ", hauptsächlich bei Frauen). Bei Männern besteht bei einem Taillenumfang >102 cm, bei Frauen bei einem Taillenumfang >88 cm ein deutlich erhöhtes Risiko für Stoffwechselstörungen und andere negative Folgen. Das Risiko ist leicht erhöht bei einem Taillenumfang >94 cm bei Männern und >80 cm bei Frauen.
Ihr Body Mass Index (BMI) zeigt Ihnen, wie ausgeprägt Ihr Übergewicht ist. Ausschlaggebend für das Gesundheitsrisiko ist auch die Verteilung des Körperfetts. Ab einem BMI von 30 ist das Krankheitsrisiko immer erhöht und eine Behandlung des Übergewichts unerläßlich.
Wie entsteht Übergewicht/Adipositas?
Auf der Grundlage einer erblichen Veranlagung führen hauptsächlich eine bequeme, bewegungsarme Lebensweise und eine kalorien-, vor allem fettreiche Ernährung zu Übergewicht.
Was sollten Sie sonst über die Entstehung von Übergewicht wissen?
- Eine erbliche Belastung liegt dann vor, wenn bereits andere Familienmitglieder übergewichtig sind. In diesen Fällen ist es besonders wichtig, auf das Gewicht zu achten.
- Mit dem Älterwerden nimmt der Kalorienverbrauch des Körpers langsam ab. Ältere Menschen können mit weniger Essen auskommen als jüngere. Wenn Sie nicht entsprechend Ihre Kalorien einschränken, nehmen Sie unweigerlich zu.
- Eine fettreiche Ernährung begünstigt das Entstehen von Übergewicht. Fettreiche Speisen enthalten nicht nur sehr viele Kalorien, sondern sättigen auch schlechter als Kohlenhydrate und Eiweiß.(Kohlenhydrate sind in stärke- und zuckerhaltigen Lebensmitteln wie Kartoffeln, Brot, Nudeln oder Obst enthalten.) Durch die überall im Überfluß angebotenen, verlockenden Speisen wird häufiges und reichliches Essen begünstigt. Solche äußeren Reize werden oft stärker wahrgenommen als das innere Gefühl von Hunger und Sättigung.
- Unregelmäßiges und hastiges Essen erhöht die Gefahr, unkontrolliert zuviel zu essen. Wer beim Essen fernsieht oder sich anderweitig ablenken läßt, verliert leicht den Überblick, was und wieviel er ißt und trinkt.
- Viele Menschen reagieren auf Enttäuschung, Streß, Langeweile, innere Wut oder Trauer mit vermehrten Essen. Häufig sind diese Menschen nicht in der Lage, seelische Belastungen auf andere Art und Weise zu verarbeiten.
- Noch nie haben sich die Menschen so wenig bewegt wie heute. Die vielen technischen Hilfsmittel für Fortbewegung, Haushalt und Arbeitswelt fordern vom Menschen immer weniger Bewegung und damit immer weniger Muskelarbeit.
- Auch bestimmte Krankheiten wie beispielsweise. Schilddrüsenunterfunktion können die Ursache von Übergewicht sein, kommen allerdings selten vor.
- Bestimmte Medikamente wie z. B. Mittel gegen Depression und Diabetes, Cortison und die "Pille" können eine Gewichtserhöhung auslösen bzw. verstärken.
- Raucher essen in der Regel weniger und verbrennen mehr Kalorien. Wer mit dem Rauchen aufhört, läuft Gefahr dicker zu werden. Die Vorteile des Nikotinverzichts sind aber in jedem Fall größer als die Nachteile einer begrenzten Gewichtszunahme.
- Starke Gewichtszunahme in der Schwangerschaft führt häufig zu einem bleibenden Gewichtsanstieg nach der Entbindung. Es ist zu empfehlen, nach der Entbindung konsequent das Ausgangsgewicht wieder anzustreben.
- Ebenso spielt das soziale Umfeld zur Entstehung von Übergewicht eine Rolle. Ungünstige Wohn- und Lebensverhältnisse können die Bewegungsfreiheit von Kindern und Jugendlichen einschränken und eine Gewöhnung an eine träge Lebensweise mit sich bringen.
Es gibt verschiedenste Ursachen für Übergewicht, wobei sich Erbanlagen und Alter nicht beeinflussen lassen, wohl aber übermäßige Nahrungszufuhr, falsches Eßverhalten, Bewegungsmangel oder falsch bewältigte Streß- und Gemütslagen.
Gefährdet Übergewicht die Gesundheit?
Übergewicht kann die Lebensqualität beeinträchtigen und bedroht die Gesundheit in vielfältiger Hinsicht. Es begünstigt beispielsweise Beschwerden wie z. B. Kurzatmigkeit, rasche Ermüdung bei körperlicher Arbeit, starkes Schwitzen oder Gelenkschmerzen.
Bestimmte Krankheiten können sich bei Übergewicht unbemerkt über Jahre oder Jahrzehnte entwickeln. Heute sind viele chronische Erkrankungen bekannt, die durch Übergewicht ausgelöst oder verschlimmert werden. Nachstehende Tabelle gibt einen Überblick über die häufigsten Begleit- und Folgeerkrankungen.
- Bluthochdruck
- Zuckerkrankheit Typ 2 (Diabetes mellitus)
- Fettstoffwechselstörungen, Gicht
- Herzinfarkt, Schlaganfall
- Herzschwäche (Herzinsuffizienz)
- Venenleiden, Unterschenkelgeschwüre, Thrombosen
- Gelenkerkrankungen durch Verschleiß, Rückenschmerzen
- Sauerstoffmangel und nächtliche Atemstillstandphasen (Schlafapnoe)
- Fettleber, Gallensteine
- Krebs, z. B. Brust- und Gebärmutterkrebs, Dickdarmkrebs, Nierenkrebs
- erhöhtes Unfall- und Operationsrisiko
- seelische Störungen z. B. depressive Reaktionen
Seelische Störungen und gesellschaftliche Nachteile
Übergewicht selbst sowie wiederholte Bemühungen, Gewicht zu verlieren, können negative Auswirkungen auf den Gemütszustand haben. Viele Menschen neigen wegen ihres Übergewichts zu Depressionen.
Übergewicht wirkt sich aber auch auf andere Lebensbereiche nachteilig aus. So begegnen Übergewichtige vielen Vorurteilen, z. B. am Arbeitsplatz. Sie erhalten insgesamt weniger Anerkennung als Schlanke. Sie gelten zu Unrecht als faul und willensschwach. Und weil sie nicht dem gängigen Schönheitsideal entsprechen, haben sie oft auch Nachteile bei der Partnerwahl. Selbst Personen in medizinischen Berufen haben Vorbehalte gegen Übergewichtige.
Körperliche Gesundheitsstörungen treten umso häufiger auf, je länger das Übergewicht besteht und je ausgeprägter es ist. Mit steigendem Übergewicht nimmt auch die Gefahr zu, daß sich die Lebenserwartung verkürzt. Neben den körperlichen Gesundheitsstörungen kann es zu psychischen Folgen wie ein herabgesetztes Selbstwertgefühl und Depressionen kommen.
Wer soll Gewicht abnehmen?
Eine Gewichtsabnahme ist sinnvoll bei
BMI ³30 kg/m² oder
BMI 25 - 29,9 kg/m²,
wenn gleichzeitig Risikofaktoren oder Krankheiten vorliegen, die durch Übergewicht ausgelöst oder verschlimmert werden oder zusätzlich ein erheblicher seelischer Leidensdruck besteht.
Was soll durch die Behandlung erreicht werden?
Am wichtigsten ist es, einen langfristigen Gewichtserfolg anzustreben. Es reicht vollkommen aus, wenn Sie zunächst 5 bis 10% Ihres Gewichts abnehmen; dies sind in der Regel 5 bis 10 kg. Bei sehr hohem Ausgangsgewicht oder gravierenden Begleiterkrankungen sollte das Gewicht stärker verringert werden.
Die folgende Tabelle faßt sinnvolle Ziele bei der Behandlung des Übergewichtes zusammen.
- Senkung des Körpergewichts um wenigstens 5%
- Stabilisierung dieses Erfolgs für mindestens 1 Jahr
- Besserung von Gesundheitsstörungen
- Steigerung des Wohlbefindens und Selbstwertgefühls
- Verbesserung der Beweglichkeit
- eine insgesamt gesündere Lebensweise mit richtiger Ernährung und mehr körperlicher Bewegung.
Welche Vorteile können Sie von einer Gewichtsabnahme erwarten?
Eine Gewichtsabnahme von 5 - 10 kg hat eine spürbare Besserung von Atemnot, Schwerfälligkeit, Schlafapnoe, Rücken- und Gelenkschmerzen zur Folge. Blutdruck, Blutfette und Blutzucker verbessern sich.
Weitere günstige Auswirkungen sind ein geringerer Bedarf an Medikamenten, weniger Arztbesuche und Behandlungsmaßnahmen für Begleitkrankheiten. Lebensqualität und Lebenserwartung steigen.
Voraussetzungen für den Behandlungserfolg
Unabhängig von der Art der Behandlung, die Sie zusammen mit Ihrem Arzt wählen, kann diese nur Erfolg haben, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
- Sie müssen wirklich entschlossen sein, Ihr Übergewicht zu bekämpfen.
- Sie müssen darauf gefaßt sein, daß Abnehmen nur mit sehr viel Geduld gelingt und eine langfristige Aufgabe ist.
- Sie müssen bereit sein, Ihre bisherige Lebensgewohnheiten schrittweise zu ändern.
- Sie müssen selbst die Verantwortung für Ihr Gewichtsproblem und damit für Ihre Behandlung übernehmen.
Die Behandlung des Übergewichts
Eine Behandlung kann nur dann erfolgreich sein, wenn Sie auf Ihre persönlichen Gewohnheiten und Bedürfnisse zugeschnitten ist. Es ist wichtig, daß Sie gemeinsam mit Ihrem Arzt/Therapeuten überlegen, welche Änderungen in der Lebensweise sinnvoll und für Sie durchführbar sind.
Das Behandlungsprogramm, mit dem Sie Ihr Übergewicht am sichersten senken können, setzt sich aus drei Komponenten zusammen, die immer gemeinsam angewandt werden sollten. Dieses Basisprogramm beinhaltet
- eine kalorienbegrenzte Ernährung,
- ein vernünftiges Eßverhalten und
- mehr körperliche Bewegung.
Kalorienbegrenzte Ernährung
Abnehmen kann nur, wer weniger Kalorien aufnimmt als er verbraucht. Erst dann wird der Körper gezwungen, auf die reichlich vorhandenen Fettreserven zurückzugreifen. Um dies zu erreichen, müssen Sie die Kalorienmenge Ihrer täglichen Ernährung um etwa ein Drittel verringern oder pro Tag 500 bis 1000 kcal einsparen. Die wichtigsten praktischen Regeln dazu finden Sie in der folgenden Tabelle. Es geht besonders darum, den Fettgehalt Ihrer Nahrung zu senken. Auf diese Weise können Sie innerhalb der ersten 12 bis 24 Wochen etwa ein halbes bis ein Kilogramm pro Woche abnehmen. Danach schwächt sich die Gewichtsabnahme langsam ab und kommt dann zum Stehen, weil der Körper nun weniger Kalorien benötigt (der Energieverbrauch geht zurück). Um das niedrigere Körpergewicht zu stabilisieren, sollten die in nachstehender Tabelle genannten Ernährungsempfehlungen auf Dauer beachtet werden. Bei Einhalten dieser Regeln ist Ihre Nährstoffversorgung gesichert und es bleibt ein gutes Sättigungsgefühl.
Eine wichtige Voraussetzung für die Ernährung ist geeignete Information. Diese erhalten Sie am besten über eine gute Beratung durch eine Ernährungsfachkraft oder Ihre(n) Arzt/Ärztin. Ihre persönlichen Eßgewohnheiten müssen dabei berücksichtigt werden.
Eine Ernährungstagebuch kann hilfreich sein, weil es der Selbstkontrolle dient, ist aber für den Behandlungserfolg nicht entscheidend. Eine großes Angebot guter Informationsbroschüren und Ratgeber kann viele praktische Hinweise geben (siehe Anhang).
Empfehlungen für die richtige Ernährung bei Übergewicht
- Essen Sie deutlich weniger Fett, achten Sie auf versteckte Fette.
- Bevorzugen Sie fettarme Fleisch- und Wurstsorten, fettarmen Fisch sowie fettreduzierte Milch und Milchprodukte (z. B. Milch oder Joghurt mit 1,5% Fett oder Magerquark). Diese enthalten ebenso viel Eiweiß und Kalzium wie fettreiche Sorten.
- Gehen Sie äußerst sparsam mit Koch- und Streichfetten um.
- Von Kohlenhydraten wie Brot, Kartoffeln, Nudeln und Reis können Sie in Maßen essen. Die Zubereitung und Zutaten sollten fettarm sein.
- Gemüse und Salate können in beliebigen Mengen verzehrt werden. Aber Vorsicht bei der Zubereitung (keine Fertigsalatsaucen). Entscheidend ist auch die Behandlung von Gemüse: kurze Lagerung, nur das Nötigste schälen, in wenig Flüssigkeit dünsten oder garen, nicht lange warmhalten, wenn nötig wieder aufwärmen.
- Schränken Sie Ihren Verzehr von Süßigkeiten und Backwaren deutlich ein. Diese haben meist einen hohen Fett- und Zuckergehalt und sind damit sehr kalorienreich.
- Trinken Sie vorzugsweise kalorienarme oder -freie Getränke, alkokolische Getränke nur in kleinen Mengen und nicht täglich. Pro Tag sollten Sie mindestens 1,5 bis 2 Liter Flüssigkeit trinken.
Zum Abnehmen und Schlankbleiben heißt die Maxime nicht: "Iß einfach weniger!" sondern: "Iß das Richtige in der richtigen Menge!" Folgende Lebensmittelgruppen sind günstig: Gemüse und Salat, fettarm zubereitet, dürfen Sie nahezu unbegrenzt essen. Getreideprodukte (Vollkorn), Kartoffeln, Reis, Nudeln, Obst, fettarme Milch und Milchprodukte sollten Sie aber nur in kleinen bis mittleren Portionen verzehren. Besonders sparsam sollten Sie folgende Lebensmittel verwenden: Fleisch, Wurst, Eier, Fette, Öle, Süßigkeiten, Backwaren, Alkohol, kalorienreiche Getränke.
Es gibt außerdem kommerzielle Abnahmeprogramme, die auf sogenannten Formula-Diäten (Eiweißpulver) beruhen. Damit ist eine schnelle Gewichtsabnahme möglich. Solche Diäten sind aber nur für begrenzte Zeit anwendbar und nicht ohne gesundheitliche Risiken, so daß sie nur unter engmaschiger ärztlicher Betreuung durchgeführt werden sollten. Formula-Diäten können eine dauerhafte Umstellung der Ernährung und des Eßverhaltens nicht ersetzen. Nach Beendigung einer Formula-Diät sollte auf eine fettarme Ernährung umgestellt werden, die den Empfehlungen von Tabelle 4 entspricht. Formula-Diäten sollten immer mit regelmäßiger körperlicher Bewegung kombiniert werden. Auch bei erfolgreicher Teilnahme an solchen Programmen kommt es bei den meisten Teilnehmer(innen) nach kurzer Zeit zu einer Gewichtszunahme.
Nebenbei bemerkt:Radikalkuren zur schnellen Gewichtsabnahme sind sehr beliebt, haben aber in der Regel keinen dauerhaften Erfolg.
- Erstens "verteidigt" der Körper sein Gewicht so, daß es danach sehr schnell wieder zum Gewichtsanstieg kommt.
- Zweitens bestehen solche "Kuren" meist aus einem sehr einseitigen Nahrungsangebot und lassen sich daher nur kurze Zeit anwenden.
- Drittens sind solche Diäten gesundheitlich nicht unbedenklich, vor allem, wenn bereits andere Krankheiten bestehen.
- Viertens ist die Enttäuschung groß, wenn man scheinbar versagt hat. Solche Diäten können aber nicht funktionieren, es sei denn, Sie stellen Ihre Ernährung danach konsequent um.
Grundsätzlich sollten Sie beachten, daß alle Maßnahmen mit kurzfristiger Anwendung (Diäten, Kuren, etc.) untauglich sind, um eine langfristige Gewichtsabnahme zu erreichen.
Änderung des Eßverhaltens
Die Änderung des Eßverhaltens fängt schon beim Einkauf von Lebens- und Genußmitteln, bei der Zubereitung der Speisen, bei der Art und Weise des Essens und bei der Verwertung der Nahrungsreste an. Um ungünstige Gewohnheiten zu erkennen und zu verändern, wurden Programme entwickelt, die folgende Schritte beinhalten:
- das eigene Eßverhalten beobachten, z. B. mit Ernährungstagebuch, um die Auslöser für übermäßiges Essen zu erkennen,
- die Auslöser, die zu übermäßigem Essen führen, besser kontrollieren (z. B. Vermeiden von "nebenbei Essen" oder von Nebentätigkeiten beim Essen),
- vernünftigere Eßgewohnheiten einüben (z. B. Verhalten im Restaurant, bei Einladungen)
- das neue Eßverhalten "stabilisieren" und verstärken (z. B. Belohnungen bei Gewichtserfolg wie mit einem Theaterbesuch oder mit neuer Kleidung)
Es gibt in Deutschland verhaltenstherapeutisch angelegte Programme zur Gewichtskontrolle, die Sie bei der Änderung des Eßverhaltens unterstützen.
Ein falsches Eßverhalten ist oft ganz wesentlich mitverantwortlich dafür, daß Übergewicht entsteht. Um dieses ändern zu können, ist eine ehrliche "Bestandsaufnahme" unumgänglich. Nur so können Sie Selbstkontrolle und neue Eßgewohnheiten einüben.
Steigerung der Bewegung
Bewegung erhöht den Kalorienverbrauch des Körpers und trägt damit zur Senkung des Körpergewichts bei. Regelmäßige Bewegung hilft, das Körpergewicht besser auf niedrigem Niveau zu halten. Außerdem wirkt sich Bewegung günstig auf Stoffwechsel und Herz und Kreislauf aus.
Zunächst sollten Sie versuchen, sich im Alltag mehr zu bewegen, z. B. Treppensteigen statt Aufzug, zu Fuß oder mit dem Fahrrad einkaufen statt den Wagen zu benutzen. Empfehlenswert ist ein schneller Spaziergang am Abend, der auch geistiger Entspannung dient. Von den vielen Sportarten sollten die Bewegungsformen, die möglichst viele Muskeln gleichmäßig beanspruchen, die Gelenke jedoch schonen, bevorzugt werden. Besonders geeignet sind Radfahren, Schwimmen, schnelles Gehen, Wandern oder Gymnastik. Da die meisten Übergewichtigen untrainiert sind, sollten Sie mit geringer Belastung beginnen und nur schrittweise die Belastung erhöhen. Dabei sollte der Puls pro Minute einen Wert von 180 minus Lebensalter nicht überschreiten.
Wichtig ist Ausdauerbewegung und nicht schweißtreibender Sport bis zur Erschöpfung.
Worauf Sie bei Beginn einer sportlichen Tätigkeit achten sollten, kann Ihnen Ihr(e) Arzt/Ärztin sagen. Empfohlen wird, daß sich Übergewichtige 3-5 mal pro Woche für 30 bis 45 Minuten körperlich belasten.
Körperliche Bewegung erhöht den Kalorienverbrauch bei gleichzeitiger Vermehrung der Muskelmasse. Mehr Bewegung kann Ihnen deshalb wirklich beim Abnehmen helfen. Wie stark Sie sich dabei belasten sollten, hängt von Ihrem Ausgangsgewicht, Ihrem Alter und Ihrer Fitneß ab. Fragen Sie also zunächst Ihren Arzt.
Programme zum Abnehmen
In Deutschland stehen verschiedene Abnehmprogramme zur Verfügung, die von öffentlich geförderten Einrichtungen und kommerziellen Unternehmen angeboten werden. Diese Programme kombinieren Ernährungstherapie, Verhaltensveränderungen und Bewegungssteigerung.
Die Wirksamkeit und Sicherheit dieser Programme ist bisher nur teilweise untersucht bzw. nachgewiesen worden.
In der Gruppe geht vieles leichter. Spezielle Selbsthilfegruppen fördern den Erfolg, besonders beim langfristigen Abnehmen. In der Gruppe können Erfahrungen ausgetauscht und einzelne Themen vertieft werden. Bei der Einhaltung des persönlichen Behandlungsplans erweist sich die Gruppenarbeit als besonders hilfreich.
Medikamente zur Gewichtsabnahme
Es werden viele frei verkäufliche Präparate angeboten, die angeblich das Körpergewicht senken. Diese Schlankheitsmittel sind entweder unwirksam oder haben unerwünschte Nebenwirkungen.
Derzeit gibt es zwei Medikamente zur Behandlung des Übergewichts.
Sibutramin (Reductil®)
ist ein Wirkstoff, der im Gehirn über die Wiederaufnahmehemmung von Serotonin und Noradrenalin zu einem schnellen Sättigungsgefühl und einem höheren Energieverbrauch führt. Die Substanz ist gut verträglich. Bislang hatten nur 20% der Anwender Nebenwirkungen wie Mundtrockenheit, Neigung zu Verstopfung, Schlafstörungen, Schwindel und Übelkeit angegeben. Der Wirkstoff verursacht außerdem einen leichten Blutdruckanstieg (um 3-5 mmHg) sowie eine leichte Pulsbeschleunigung (im Mittel um 3 bis 5 Schläge pro Minute). Sibutramin ist als 10 mg und 15 mg in Kapsel zugelassen. Subtramin ist verschreibungspflichtig, aber nicht erstattungsfähig.
Orlistat (Xenical®)
Der Wirkstoff Orlistat (Xenical®) hemmt die Fettverdauung im Dünndarm. Dadurch kommt es zu einer geringeren Fett- und damit Kalorienaufnahme. Nebenwirkungen sind Durchfall, Blähungen und Fettstühle, da die unverdauten Nahrungsfette über den Stuhl ausgeschieden werden. Orlistat ist verschreibungspflichtig, die Kosten sind nicht erstattungsfähig
Diese Medikamente sollten grundsätzlich nur dann eingesetzt werden, wenn zuvor mit anderen Maßnahmen keine ausreichende Gewichtsabnahme möglich war (z.B. weniger als 5% des Ausgangsgewichts innerhalb von 3 Monaten). Die Medikamente sollten nur zur Unterstützung der zuvor genannten Behandlungsmaßnahmen angewandt werden. Die Entscheidung liegt beim Arzt, wann eine solche Unterstützung sinnvoll ist.
Für beide Medikamente liegen bisher nur sehr begrenzte Erfahrungen über ein bis maximal zwei Jahre vor, so daß ein längerer Einsatz nicht zu empfehlen ist. Nach den bisherigen Vorgaben von Zulassungsbehörden und nach Expertenansicht sollten Medikamente nur eingesetzt werden bei einem
- BMI von 30 oder höher oder
- BMI von 28 oder höher, wenn gleichzeitig eine Zuckerkrankheit, eine Fettstoffwechselstörung oder ein Bluthochdruck vorliegt.
Chirurgische Therapie
Bei sehr starkem Übergewicht (BMI von 40 oder höher) reichen konservative Behandlungsmethoden (Ernährungs-, Bewegungs- und Verhaltenstherapie) häufig nicht aus, um eine ausreichende Gewichtssenkung zu erreichen. Erst wenn die anderen Behandlungsmethoden erfolglos geblieben sind, kommen operative Behandlungsmethoden in Betracht.
Zwei chirurgische Verfahren zur Magenverkleinerung werden heute mit guten Ergebnissen eingesetzt. Die Erfolgsquote ist bei beiden Verfahren hoch. Im Durchschnitt läßt sich eine langfristige Gewichtsabnahme von 25 bis 30 kg, in Einzelfällen auch deutlich mehr, erreichen. Die Operation sollte nur von erfahrenen Spezialisten durchgeführt werden. Nach dem Eingriff ist eine mehrmonatige Umgewöhnungsphase notwendig, da nur noch sehr kleine Nahrungsmengen aufgenommen werden können. Die häufigsten Komplikationen sind Wundheilungsstörungen (5 bis 10%), Blutungen aus dem "Mini-Magen" (0,5%), Abszesse im Operationsfeld (0,2%) und Lungenentzündungen (bis zu 5%).
Andere chirurgische Verfahren, wie operative Fettentfernung, Fettsaugung, Vagotomie und Kieferklemme sind heute wegen verschiedener Nachteile nicht zu empfehlen.
Alternativmedizinische Methoden
Für alternativmedizinische Methoden wie Hypnose, Akupunktur oder Akupressur liegt kein Wirksamkeitsnachweis vor. Sie können deshalb nicht zur Gewichtssenkung empfohlen werden.
Bevor medikamentöse oder chirurgische Maßnahmen eingesetzt werden, ist es sinnvoll, dass Sie Ihr Essverhalten auf Dauer geändert haben und sich ausreichend bewegen. Die Einnahme von Arzneimitteln muß vorher mit dem Arzt abgesprochen werden.
Stabilisierung des Gewichtserfolgs
Es gibt mehrere Möglichkeiten, die nachweislich helfen, das neue Körpergewicht möglichst über längere Zeit oder auf Dauer zu halten. Sie sollten möglichst alle nutzen:
- regelmäßigen Kontakt zum Therapeuten,
- Unterstützung durch Familie, Freunde bzw. Arbeitskollegen,
- Beteiligung an Selbsthilfegruppen und
- regelmäßige körperliche Bewegung
- fettarme Kost
Der Körper verteidigt sein Gewicht hartnäckig und läßt dauerhafte Veränderungen nur langsam zu. Kurzfristige Diätversuche sind deshalb wenig sinnvoll und bewirken keine dauerhafte Gewichtsabnahme.
Rückfälle und Ihre Vermeidung
Rückfälle sind bei jeder Form der Gewichtsbehandlung möglich und kommen häufig vor. Nach Möglichkeit sollte in solchen Situationen der Kontakt mit dem Therapeuten frühzeitig wiederaufgenommen werden, um eine geeignete Gegenstrategie entwickeln zu können.
Ausrutscher und Krisen sind während des Abnehmens völlig normal. Dies ist kein Drama. Versuchen Sie vielmehr die Entgleisung durch ein paar Tage strenger Einhaltung der Empfehlungen wieder wettzumachen.
Anhang
Informationsbroschüren für Übergewichtige z.B. erhältlich bei
- Deutsche Gesellschaft für Ernährung, Frankfurt
- AID, Bonn-Bad Godesberg
- Verbraucherzentrale
- Stiftung Warentest, Berlin
Ratgeber für Übergewichtige:
- D. und H. Hauner: Leichter durchs Leben. Strategien zum langfristigen Abnehmen. TRIAS-Verlag Stuttgart
- H. Oberritter: Gesund abnehmen. Wort und Bild Verlag, Baierbrünn
- V. Pudel: Ketchup, Big Mac, Gummibärchen. Beltz Quadriga Verlag, Weinheim (für Kinder und Jugendliche)
Dieser Ratgeber ist die Patientenversion der Evidenz-basierten Leitlinie zur Behandlung der Adipositas in Deutschland. Die multidisziplinäre Entwicklung fand statt unter Beteiligung folgender Institutionen und Personen:
- Else-Kröner-Fresenius-Zentrum für Ernährungsmedizin der Technischen Universität, München
Prof. Dr. med. Hans Hauner
- Fachbereich Ökotrophologie, Fachhochschule Hamburg
Prof. Dr. rer. nat. Joachim Westenhöfer
Lohbrügger Kirchstr. 65, 21033 Hamburg
- Teutoburger-Wald-Klinik, Bad Rothenfelde
Prof. Dr. med. Alfred Wirth
Teutoburger-Wald-Straße 33, 49214 Bad Rothenfelde
- Institut für Gesundheitsökonomie und Klinische Epidemiologie
der Universität zu Köln
Prof. Dr. med. Dr. sc. Karl W. Lauterbach; Gleuelerstr. 176-78, 50935 Köln
- Dr. med. Christiane Fuchs
Wir danken der Knoll Deutschland GmbH und der Knoll AG für die finanzielle Unterstützung bei der Erstellung und Verbreitung dieser Leitlinie. Copyright © Professores Hauner, Lauterbach, Westenhöfer, Wirth
Dieser Beitrag wurde inhaltlich zuletzt im Mai 2005 aktualisiert