Übergewicht im Kindesalter: Rechtzeitig vorbeugen
(11.05.2005) Die Zahl der Kinder und Jugendlichen mit Übergewicht hat in den westlichen Industrienationen – darunter auch in Deutschland – in den letzten 10 bis 15 Jahren dramatisch zugenommen. Bundesweite Daten zur Häufigkeit des Typ 2 Diabetes im Kindes- und Jugendalter gibt es derzeit zwar noch nicht. Hochrechnungen aus kleineren Untersuchungen gehen allerdings davon aus, dass in Deutschland mittlerweile jedes fünfte Kind und jeder dritte Jugendliche zu dick ist. Sieben bis acht Prozent der Kinder sind sogar stark übergewichtig.
Die Mahlzeiten sollten zu festge- setzten Zeiten gemeinsam in der Familie eingenommen werden
Tatsächlich ist Übergewicht im Kindes- und Jugendalter eine Krankheit, deren Bedeutung noch immer weit unterschätzt wird. Das Zuviel an Pfunden ist nicht nur aus sozialer, sondern auch aus medizinischer Hinsicht ein ernst zu nehmendes Problem: Oft zeigen die übergewichtigen Kinder und Jugendlichen bereits eine ausgeprägte Insulinresistenz – ein Vorbote von Zuckerkrankheit, Bluthochdruck, schlechten Fetten und schließlich frühzeitiger Schädigung der Gefäße (Arterienverkalkung bzw. Arteriosklerose). Die Experten sind sich einig: Es müssen gewaltige Anstrengungen unternommen werden, um diese enorme Herausforderung in den Griff zu bekommen.
Die Endocrine Society (Gesellschaft für Endokrinologie) hat in einer kürzlich veröffentlichten Pressemitteilung noch einmal eindringlich auf das wachsende Problem hingewiesen. In einem internationalen Konsensus-Statement wurden folgende Empfehlungen zur Vermeidung von Übergewicht bei Kindern und Jugendlichen gegeben (Speiser 2005):
- Vor einer Schwangerschaft sollte eine Normalisierung des Body Mass Index (BMI) angestrebt werden (der BMI ist ein Index, der das Verhältnis von Körpergewicht zur Köperlänge angibt).
- Auch während der Schwangerschaft sollte eine moderate körperliche Aktivität aufrecht erhalten werden.
- Die ersten drei Monate sollte das Neugeborene gestillt werden.
- Die Mahlzeiten sollten gemeinsam in der Familie zu festgesetzten Zeiten eingenommen werden.
- Mahlzeiten sollten nicht einfach ausgelassen werden – insbesondere nicht das Frühstück.
- Die Essensportionen sollten eher klein sein. Außerdem sollten keine Snacks oder Naschwerk offen herumstehen.
- In den Schulen sollten keine Süßigkeiten o. ä. zum Verkauf angeboten werden.
- Die Schulen sollten ausreichend Trinkwasserspender zur Verfügung stellen.
- Eltern und Kinder müssen informiert werden, welche altersgemäßen Gewichtsbereiche eingehalten werden sollten.
- Übergewicht muss als eigene Krankheit betrachtet und entsprechend konsequent behandelt werden.
Dr. med. Anja Lütke, freie Mitarbeiterin der Deutschen Diabetes-Klinik des Deutschen Diabetes-Zentrums an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Leibniz-Zentrum für Diabetes-Forschung
Quelle: Speiser PW, Rudolf MJ, Anhalt H et al. on behalf of the Obesity Consensus Working Group: Childhood obesity. J Clin Endocrinol Metab 2005; 90: 1871-1887 |