Prävention oder Therapie des Typ 1 Diabetes mellitus durch Eingriff in das Immunsystem
In den 80er Jahren wurde der Eingriff in das Immunsystem nach bekannt werden des Typ 1 Diabetes mellitus in einer Vielzahl von Studien getestet. In den 90er Jahren wurden dann die Früherkennung und die Beeinflussung des Immunsystems zur Vorbeugung des Ausbruchs eines Diabetes mellitus Typ-1 mit typischem Insulinmangel vorangetrieben.
Prof. Dr. rer. nat. Hubert Kolb, Deutsche Diabetes-Klinik am Deutschen Diabetes-Zentrum in Düsseldorf
Unterdrückung des Immunsystems
Bereits 1987 konnte in einer Studie durch Gabe eines Medikamentes, das das Immunsystem unterdrückt (Cyclosporin A), gezeigt werden, dass das Immunsystem an der Zerstörung der Beta-Zellen der Bauchspeicheldrüse beteiligt ist. Diese Betazellen produzieren Insulin. Wenn Sie zerstört werde, ist die Folge ein Diabetes mellitus. In dieser Studie wurde durch die Einnahme des o.g. Medikamentes die Funktion der Beta-Zellen der Bauchspeicheldrüse nach bekannt werden des Typ-1-Diabetes mellitus über 1 Jahr besser erhalten als ohne Einnahme (The Canadian European Diabetes Study Group 1988). Dieses Medikament hat aber so starke Nebenwirkungen, dass es nicht dauerhaft genommen werden kann und somit zur Behandlung des Typ-1-Diabetes nicht geeignet ist.
In einer finnischen Studie wird z.Z. geprüft, ob die These bestätigt werden kann, dass kuhmilchfreie Ernährung mindestens in den ersten 6 Monaten nach der Geburt eine chronische Entzündung der Inselzellen der Bauchspeicheldrüse verhindert oder diese verzögert.
Studien zur Beeinflussung des Immunsystems (Immunmodulation)
Studien zur Erkennung von Personen mit noch nicht bekannt gewordenem Diabetes mellitus Typ-1 und mit erhöhtem Risiko, an diesem zu erkranken, haben sich überwiegend auf die Gruppe der erstgradig Verwandten (Geschwister, Kinder oder Eltern) von Patienten mit Typ-1-Diabetes mellitus konzentriert. Werden bei diesen Personen Antikörper nachgewiesen, die speziell beim Typ-1-Diabetes mellitus auftreten, besteht abhängig von der Anzahl der verschiedenen Antikörper ein erhöhtes Risiko, an einem Typ-1-Diabetes mellitus zu erkranken.
Gegenwärtig wird in einer Studie das B-Vitamin Nicotinamid geprüft, denn ein Einfluss dieses Vitamins auf das Immunsystem wird vermutet (European Nicotinamid Diabetes Intervention Trial - ENDIT-Studie). In einer deutsch/östereichischen Studie konnte allerdings ein Schutz vor dem Entstehen eines Typ-1-Diabetes mellitus durch Nicotinamid nicht gezeigt werden (Deutsche Nikotinamid-Interventionsstudie - DENIS).
Mehrere Studien prüfen gegenwärtig den Einsatz von Insulin bei Risikopersonen für Typ-1-Diabetes mellitus (u.a. erstgradig Verwandte, z.B. Diabetes Prevention Trial 1 - DPT-1-Studie). Dabei werden die Gabe von Insulin als Tablette, Injektion oder durch Inhalation und der jeweilige Einfluss auf das Entstehen oder Fortschreiten eines Diabetes mellitus Typ-1 verglichen.
Außerdem scheinen verschiedene Stressproteine (Eiweiße) an der Entwicklung eines Typ-1-Diabetes mellitus beteiligt zu sein. In mehreren Studien wird geprüft, ob Impfungen mit Bruchstücken von Stressproteinen im ersten Jahr nach Auftreten des Typ-1-Diabetes zu einer Linderung der Erkrankung führen.
Der kürzlich nachgewiesene ausgleichende Einfluss von Proteasen (Enzyme, die beim Abbau von Eiweißen mitwirken) auf das Immunsystem wird in einer deutschen Studie geprüft (PRO-DIAB-Studie). In diese Studie wurden erstgradig Verwandte von Typ-1-Diabetikern im Alter von 3-40 Jahren, bei denen bereits bestimmte Antikörper im Blut nachgewiesen wurden, aufgenommen.
Grundlage der meisten aktuellen und geplanten Studien ist das Konzept, mittels Beeinflussung des Immunsystems die Umwandlung der Insel-Entzündung, welche die insulinproduzierenden Beta-Zellen der Bauchspeicheldrüse zerstört, in eine gutartige Entzündung zu erreichen . So könnte auch noch nach Ausbruch eines Typ-1-Diabetes mellitus ein langfristiges teilweises Zurückgehen (Remission) von Krankheitserscheinungen eines Diabetes mellitus Typ-1 oder sogar eine Verhinderung oder Verzögerung des Ausbruchs der Krankheit erreicht werden.
Autor: Prof. Dr. rer. nat. Hubert Kolb, Deutsches Diabetes-Forschungsinstitut Düsseldorf
Redaktion: Dr. med. Melanie Stapperfend, Prof. Dr. med. W. Scherbaum
Aktualisierung: Juni 2001 |