Häufiger Pankreatitis und Krebs mit Sitagliptin?
15.04.2011 Sitagliptin (Januvia ®, Xelevia ®) war der erste DPP4 Hemmer, der zur Behandlung des Typ 2 Diabetes zugelassen wurde und ist nun Marktführer bei dieser Medikamentengruppe. Bisher wurde den DPP4 Hemmern fast ausschließlich vorteilhafte Wirkeigenschaften zugeschrieben. Nun gibt es aber neue Daten, die zur Vorsicht mahnen.
Das natürliche Hormon GLP1 (Glucagon Like Peptide 1) ist wesentlich an der Blutzucker-Regulation beteiligt. Exenatide (Byetta®) war die erste Substanz, die einen GLP1-ähnlichen Effekt hat und zur Behandlung des Typ 2 Diabetes zugelassen wurde, allerdings gespritzt werden muss. Sitagliptin (Januvia ®, Xelevia ®) wird als Tablette eingenommen und hemmt den Abbau des natürlichen GLP1. Es führt zur Blutzucker-Senkung bei Patienten mit Typ 2 Diabetes und erzeugt für sich alleine genommen keine Unterzuckerungen. Bisher galten Sitagliptin und andere DPP4 Hemmer als ungefährlich.
Eine Gruppe von Wissenschaftlern von der University of California in Los Angeles (USA) hat nun die gesamte Daten-Basis der amerikanischen Arzneimittel-Zulassungsbehörde FDA aus den Jahren 2004 bis 2009 analysiert und dabei die Nebenwirkungen von Sitagliptin und Exenatide mit denen von anderen Diabetes-Medikamenten verglichen. Dabei wurde besonderes Augenmerk auf Pankreatitis (Entzündung der Bauchspeicheldrüse), Pankreas- und Schilddrüsenkarzinom und andere Krebsarten gelegt (Elashoff et al. 2011).
Bei der Verwendung von Sitagliptin oder Exenatide war die Häufigkeit von Pankreatitis gegenüber den anderen Therapien 6-fach gesteigert. Ein Pankreas-Karzinom wurde bei Patienten, die mit Sitagliptin oder Exenatide behandelt worden waren, häufiger gesehen als bei anderen Patienten. Auch andere Karzinome wurden bei Anwendung von Sitagliptin im Vergleich zu den anderen Diabetes-Medikamenten häufiger erfasst.
Schlussfolgerungen der Wissenschaftler: Diese neuen Daten zeigen, dass Patienten, die mit GLP1-basierten Therapien behandelt werden, ein höheres Risiko für Pankreatitis aufweisen. Diese Befunde gebieten auch zur Vorsicht bei der Anwendung dieser Medikamente bezüglich der Langzeit-Risiken von DPP4 Hemmern in Bezug auf die Entstehung von Karzinomen.
Kommentar: Die hier vorgelegten Daten sind mit äußerster Skepsis zu betrachten, zumal die alleinige Auswertung von Nebenwirkungsregistern eine Überschätzung des Risikos vorgeben und damit keine sicheren Rückschlüsse auf die Häufigkeit der entsprechenden Nebenwirkungen in einer Gesamtgruppe der behandelten Personen erlauben.
In einem Brief an den Herausgeber der Zeitschrift „Gastroenterology“ wurden schwerwiegende Bedenken geäußert, die die Wertigkeit der von Elashoff und Mitarbeitern publizierten Ergebnisse in Frage stellen und einen Rückzug der Publikationen fordern (Thomsen 2011). Tatsächlich sind andere Studien zur Sicherheit Inkretin-basierter Therapien zu ganz anderen Ergebnissen gekommen (Drucker 2010, Wiliams-Heman 2010, Engel 2010, Garg 2010).
Dazu schreibt die Deutsche Diabetes-Gesellschaft (DDG) in einer Stellungnahme vom 07.03.2011 folgendes: „Bis zur endgültigen Klärung dieser ungewöhnlichen Kontroverse ergibt sich unseres Erachtens daher zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Empfehlung zu einer Änderung des bisherigen Verordnungsverhaltens bezüglich der Dipepdtidylpeptidase IV (DPP-IV)-Inhibitoren Sitagliptin (Januvia®, Xelevia®) oder Vildagliptin (Galvus®, Eucreas®) oder der Glucagon-like-Peptid 1 (GLP 1)-Analoga (Exenatide, (Byetta®) oder Liraglutide (Victoza®)). Dieser Stellungnahme schließt sich Diabetes-Deutschland.de uneingeschränkt an.
Autor: Prof. Dr. med. W.A. Scherbaum, Direktor der Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und Rheumatologie, Universitätsklinikum Düsseldorf, Moorenstr. 5, 40225 Düsseldorf
Literatur:
Elashoff M. et al.: Increased Incidence of Pancreatitis and Cancer Among Patients Given Glucagon Like Peptide-1 Based Therapy. Gastroenterology (2011), doi:10.1053/j.gastro.2011.02.018.
Thomsen MD: Potentially damaging controversial analysis to be published in Gastroenterology. Letter to the editor of Gastroenterology. 6.03.2011.
Drucker DJ et al.: Incretin-based therapies for the treatment of type 2 diabetes: evaluation of the risks and benefits. Diabetes Care. 2010 Feb;33 (2):428-33.
Williams-Herman D et al.: Safety and tolerability of sitagliptin in clinical studies: a pooled analysis of data from 10,246 patients with type 2 diabetes. BMC Endocrine Disorders 2010, 10:7.
Engel SS et al.: Sitagliptin: review of preclinical and clinical data regarding incidence of pancreatitis. Int J Clin Pract. 2010 Jun;64 (7):984-90.
Garg R. et al.: Acute Pancreatitis in Type 2 Diabetes Treated with Exenatide or Sitagliptin: A Retrospective Observational Pharmacy Claims Analysis. Diabetes Care 2010;33:2349-2354.
Deutsche Diabetes-Gesellschaft: Update der Stellungnahme zur Publikation von Elashoff zur Sicherheit von GLP-1 basierten Therapien bei Patienten mit Typ 2 Diabetes (vom 07.03.2011), www.ddg.info.
Siehe auch:
Akute Pankreatitis unter Exenatide ?
Metformin reduziert das Tumorrisiko