Akute Stoffwechselentgleisung bei Behandlung des Typ-1-Diabetes mit Canagliflozin
12.10.2016 Canagliflozin und Empagliflozin sind in Deutschland nur für die Behandlung des Typ-2-Diabetes zugelassen. Vorsicht: Anwendung bei Typ-1-Diabetes kann eine Ketoazidose auslösen
Durch Einnahme von SGLT2-Inhibitoren (z.B. Canagliflozin, Empagliflozin) kann die notwendige Dosis von Insulin bei Patienten mit Typ-1-Diabetes reduziert und ggf. die Diabeteseinstellung verbessert werden. Dies birgt aber das Risiko für das Auftreten einer diabetischen Ketoazidose, der gefürchteten Stoffwechselentgleisung mit Übersäuerung des Blutes.
In einer Studie mit 351 Patienten mit Typ-1-Diabetes wurden doppel-blind Canagliflozin100 mg oder Canagliflozin 300 mg oder Placebo 1x täglich verabreicht. Canagliflozin führte zwar gegenüber Placebo zu einer Abnahme des Körpergewichts um 2,8 kg bzw. 4,4 kg, der HbA1c-Werte um 0,27% und der Insulin-Tagesdosen um -4,1 Einheiten. Unter Canagliflozin traten jedoch schwere Ketoazidosen auf:bei Canagliflozin 100 mg/Tag: 4,3%, Canagliflozin 300 mg/Tag: 6,0%, Placebo: 0%[1].
In einer weiteren Studie wurde das Risiko für eine diabetische Ketoazidosebei Einsatz von Canagliflozin bei Typ-1-Diabetes zusätzlich zu Insulin in einer randomisierten prospektiven Studie über 18 Wochen erneut geprüft. Unter 100 mg Canagliflozin/Tag trat bei 6 von 117 (5,1%) und unter 300 mg Canagliflozin/Tag bei 11 von 117 (9,4%) Patienten eine Stoffwechselentgleisung mit Ketonkörperbildung auf. In 5 von 117 (4,3%) bzw. 7 von 117 (6,0%) handelte es sich dabei um eine schwere diabetische Ketoazidose. Alle diese Fälle traten im Zusammenhang mit Ereignissen auf, die auch sonst das Risiko für eine diabetische Ketoazidose erhöhen: Infektion, Ausfall der Insulinpumpe u.a.[2]. Diese Ergebnisse sind ziemlich deckungsgleich mit denen der erstgenannten Studie.
Kommentar: Der Einsatz von Canagliflozin und wahrscheinlich auch anderen SGLT2-Hemmern bei Typ-1-Diabetes ist mit einem deutlich erhöhten Risiko für eine schwere Stoffwechselentgleisung (diabetische Ketoazidose) verbunden. Trotz des positiven Effekts der SGLT2-Hemmer auf die Blutzuckereinstellung und die Einsparung von Insulin ist m.E. der Einsatz dieser Stoffklasse von Antidiabetika beim Typ-1-Diabetes nicht gerechtfertigt. Dazu läuft derzeit noch eine Reihe von klinischen Studien, die m.E. aber nach den vorliegenden Erkenntnissen aus ethischen Gründen abgebrochen werden sollten.
Autor: Prof. Dr. med. W.A. Scherbaum, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Universitätsklinikum Düsseldorf, Moorenstr. 5, 40225 Düsseldorf
Quellen:
[1] Henry RR et al.: Efficacy and safety of canagliflozin, a sodium-glucose cotransporter 2 inhibitor, as add-on to insulin in patients with Type 1 diabetes. Diabetes Care 2015; 38:2258-2265
[2]Peters AL et al.: Diabetic ketoacidosis with canagliflozin, a sodium-glucose cotransporter 2 inhibitor, in patients with type 1 diabetes.Diabetes Care 2016; 39(4):532-538
Siehe auch:
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Glukose-Ausscheidung über die Nieren zur Behandlung des Diabetes?