Risiko einer Sulfonylharnstoff-Therapie in der Schwangerschaft
30.11.2016 Trotz einer begrenzten Datenlage werden Sulfonylharnstoffe wie z.B. Glibenclamid häufig für die Behandlung des Schwangerschaftsdiabetes eingesetzt. Das ist gefährlich.
Während der Einsatz von Sulfonylharnstoffen wie Glibenclamid (Glyburide) bei Schwangerschaftsdiabetes (Gestationsdiabetes, GDM) in den USA propagiert wird, empfiehlt die Deutsche Diabetes-Gesellschaft auf Grund der dünnen Datenlage zu diesem Problem die Gabe von Insulin. Wie nun aktuelle Daten aus den USA zeigen, ist diese Vorsicht gerechtfertigt.
Aus einem nationalen Register von Betriebskrankenkassen (Privatpatienten)der USA wurden für den Zeitraum 2000-2011 die Daten von Schwangeren mit GDM und ihrer Neugeborenen ausgewertet. Aufnahmekriterium in die Studie war eine Behandlung mit Insulin oder Glibenclamid innerhalb von 150 Tagen vor der Geburt. Von 110.879 Schwangeren mit GDM wurden 9.173 (8,3%) mit Glibenclamid (4.982) oder mit Insulin (4.191) behandelt. Die Daten der Frauen wurden bezüglich Alter, Body-Mass-Index, Sozialstatus, Begleiterkrankungen u.a. adjustiert.
Neugeborene von Müttern, die wegen ihres GDM mit dem Sulfonylharnstoffpräparat Glibenclamid behandelt wurden, hatten gegenüber insulinbehandelten Frauen ein um 3% höheres Risiko für die Aufnahme auf einer Neugeborenen-Intensivstation, ein um 1,4% höheres Risiko für die Geburt eines überschweren Kindes und ein um 1,1% höheres Risiko für ein sogenanntesneonatales Atemnotsyndrom. Es fanden sich keine erhöhten Risiken für geburtshilfliches Trauma, Frühgeburt oder Neugeborenenikterus (Gelbsucht des Neugeborenen). Die Sectio-Rate (Kaiserschnitt) war allerdings in der Glibenclamid-Gruppe um 3% geringer.
Kommentar: Diese Ergebnisse sind sehr beunruhigend und zeigen, dass die Behandlung eines Schwangerschaftsdiabetes mit Glibenclamid nicht harmlos ist. Wenn es nicht gelingt, diesen Diabetes alleine mit Diät optimal in den Griff zu bekommen, so sollte besser Insulin als ein Sulfonylharnstoffpräparat gegeben werden.
Autor: Prof. Dr. med. W.A. Scherbaum, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Universitätsklinikum Düsseldorf, Moorenstr. 5, 40225 Düsseldorf
Quellen:
W. C. Castillo et al.: Association of adverse pregnancy outcomes with Glyburide vs Insulin in women with gestational diabetes. JAMA Pediatr 2015; doi:10.1001/jamapediatrics.2015.74
Siehe auch:
Sulfonylharnstoff-Therapie bei Diabetes: Erhöhtes Risiko für Herzinfarkt ?
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