Diabetes Deutschland

News

Sehr kohlenhydratarme Kost bei Typ-1-Diabetes

02.07.2018 Eventuell können auch Menschen mit Typ-1-Diabetes von einer Low-Carb-Kost profitieren

Eine sehr kohlenhydratarme Kost wird neuerdings für Menschen mit Typ-2-Diabetes empfohlen, nicht aber bei Typ 1-, also dem insulinpflichtigen Diabetes. Entprechend den Auswertungen einer Online-Umfrage durch Wissenschaftlern des renommierten Children’s Hospital Boston in Massachusetts , USA, ist eine solche Diät jedoch auch beim Typ-1-Diabetes erfolgversprechend.

Die Wissenschaftler bedienten sich dabei einer Face-Book Community namens TypeOneGrit, bei der sich Menschen mit Typ-1-Diabetes oder deren Eltern zusammengefunden haben um sich nach den Empfehlungen des Buches „Dr. Bernstein’s Diabetes Solutions“ einer sehr kohlenhydratarmen Diät zu unterziehen. Von etwas mehr als 300 Personen aus den USA, Kanada, Europa und Australien, die auf die Anfrage antworteten, wurden genügend Daten für die Analyse bereitgestellt und in knapp der Hälfte der Fälle konnten die Angaben durch Patientenakten und ärztliche Angaben überprüft und verifiziert werden. Alle befragten Personen hatten ihren Diabetes vor dem 20. Lebensjahr erworben. Etwas mehr als 40% der Fälle waren Kinder. Das überraschende Ergebnis war, dass Menschen mit einer sehr kohlenhydratarmen Diät eine bessere Stoffwechseleinstellung haben als andere und dass sie entgegen den Erwartungen auch weniger häufig Stoffwechselentgleisungen in Form einer schweren Unterzuckerung oder einer Ketoazidose, d.h. einer Übersäuerung des Blutes aufwiesen als andere Menschen mit Typ-1-Diabetes. Die Studienteilnehmer berichteten, dass der Blutzucker-Langzeitwert HbA1c nach der Umstellung auf die sehr kohlenhydratarme Diät deutlich besser wurde; im Durchschnitt sank er um 1,5%. Auch wiesen die Studienteilnehmer niedrigere Triglyzeridspiegel und höhere Spiegel des günstigen LDL-Cholesterins auf als andere. Die meisten Studienteilnehmer waren mit ihrem Diabetes-Regime zufrieden. Als einzigen nachteiligen Effekt konstatierten die Wissenschaftler ein mögliches leichtes Wachstumsdefizit nach der Diagnosestellung des Typ-1-Diabetes (1).

 

Kommentar: Diese Befunde sind zunächst sehr überraschend, weil man unter einer sehr kohlenhydratarmen Diät häufigere Stoffwechselentgleisungen erwartet hätte. Allerdings ist bekannt, dass Menschen mit Typ 1-Diabetes vor der Insulin-Ära durch eine sehr kohlenhydratarme Kost deutlich länger überlebten. Die amerikanische Diabetesgesellschaft empfiehlt Menschen mit Typ-1-Diabetes einen Anteil von 45% an Kohlenhydraten bei der täglichen Kalorienaufnahme. Dagegen erklärt die Deutsche Diabetes-Gesellschaft in ihren Leitlinien, dass bei Typ 1-Diabetes keine bestimmten Diäten erforderlich sind und dass für sie die allgemeinen Empfehlungen hinsichtlich einer gesunden Kost gelten. Was wirklich besser ist, kann auf der Basis der bisheriegen Datenlage nicht sicher entschieden werden. Bei den Teilehmern dieser Studie handelt es sich sicherlich um eine ausgewählte, wahrscheinlich besonders motivierte Gruppe von Patienten, die besser auf die Einstellung ihres Diabetes achten als andere. Interessant ist aber die Angabe, dass etwa ¼ der Befragten ihren Diabetes-Behandlern keine Angabe über ihre spezielle Diätform machte. In einem Kommentar wiesen die Pädiater Runge und Lee von der University of Michigan, USA, darauf hin, dass für die Beurteilung eines möglichen Vorteils einer sehr kohlenhydratarmen Kost bei Typ-1-Diabetes eine prospektive kontrollierte Studie durchgeführt werden sollte und dass dabei einem möglichen Wachstumsdefizit durch eine solche Diät besondere Beachtung geschenkt werden muss (2).

Autor: Prof. Dr. med. W.A. Scherbaum, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Universitätsklinikum Düsseldorf, Moorenstr. 5, 40225 Düsseldorf

Quellen:

(1) Lennerz BS, Barton A, Bernstein RK, et al. Management of type 1 diabetes with a very low-carbohydrate diet. Pediatrics 2018; pii: e20173349.

(2) Runge C, Lee JM. How low can you go? Does lower carb translate to lower glucose? Pediatrics 2018; pii: e20180957

 

 


Diabetes Editorial
Diabetes Editorial