Schützt Rotavirus-Impfung bei Kleinkindern vor Typ-1-Diabetes?
03.06.2019 Untersuchungen aus Australien zeigen seit der Einführung systematischer Impfungen gegen Rotaviren einen Rückgang des Typ-1-Diabetes bei Kleinkindern
Beim Typ-1-Diabetes werden die Insulin-produzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse durch einen immunologischen Prozess zerstört, sodass eine Insulintherapie erforderlich ist. Schon lange wird vermutet, dass dies mit einer Infektion mit sog.Enteroviren zusammenhängt; dazu gehören auch Rotaviren, welche speziell bei kleinen Kindern teils blutige Durchfälle, Bauchschmerzen, Erbrechen und Fieber hervorrufen. Seit 2007 werden in Australien alle Babys im Alter zwischen 2 und 4 Monaten gegen Rotaviren geimpft. Eine Gruppe von Wissenschaftlern untersuchte nun, ob sich dies auf die Häufigkeit von Typ-1-Diabetes ausgewirkt hat.
Weltweit, wie auch in Australien hat man über die vergangenen 30 Jahre eine ständige Zunahme der Neuerkrankungen mit Typ-1-Diabetes im Kindesalter beobachtet. Die Forscher berichten nun, dass die Häufigkeit von Neuerkrankungen seit der Einführung der Rotavirus-Impfung konstant geblieben ist und in einigen Regionen sogar zurückgegangen ist. In der Altersgruppe bis 4 Jahre betrug der Rückgang 14%, während in der Gruppe zwischen 4 und 14 Jahren kein signifikanter Rückgang der Fälle von Typ-1-Diabetes zu verzeichnen war. Die Autoren spekulieren, dass der Rückgang der Fälle von Typ-1-Diabetes auf die Impfung zurückgeführt werden könnte.
Kommentar: Die Ursache für die Entstehung des Typ-1-Diabetes ist weiterhin unklar. Eine direkte Zerstörung von insulinproduzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse durch Viren ist wahrscheinlich ein extrem seltenes Ereignis. Zahlreiche Untersuchungen weisen aber darauf hin, dass es einen indirekten Zusammenhang mit Virusinfektionen gibt: Enteroviren wie Rotaviren oder Coxsackieviren haben an ihrer Oberfläche eine sehr ähnliche Molekülstruktur wie die Insulin-produzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse. Wenn nun das körpereigene Immunsystem die Enteroviren abwehrt, so kann es als unerwünschtem Nebeneffekt zu einer Schädigung der Inselzellen des Pankreas und zum Diabetes kommen. Dies wird im wissenschaftlichen Fachjargon als molekulares Mimikry bezeichnet. Ob dies durch das Impfprogramm in Australien unterdrückt wurde, kann natürlich durch die hier vorgelegte epidemiologische Untersuchungen nicht direkt bewiesen werden.
Die STIKO (ständige Kommission) des Robert Koch Instituts empfiehlt auch in Deutschland generell die Rotavirusimpfung bei Kleinkindern. Allerdings haben nach den Abrechnungsdaten der kassenärztlichen Vereinigung (KV) im Jahr 2017 nur 2/3 der Kleinkinder eine vollständige Rotavirusimpfung erhalten.
Autor: Prof. Dr. med. W.A. Scherbaum
Quellen:
Perrett K, Jachno K, Nolan TM, et al. Association of rotavirus vaccination with the incidence of type 1 diabetes in children. JAMA Pediatrics 2019; DOI: 10.1001/jamapediatrics.2018.4578