Wie gefährlich sind schwere Unterzuckerungen?
24.05.2019 Die Frage, welche Langzeitfolgen schwere Unterzuckerungen haben, wurde in einer amerikanischen Studie untersucht
Unterzuckerungen können bei Diabetes insbesondere unter Insulintherapie, aber auch bei Behandlung mit bestimmten Tabletten auftreten. Schwere Unterzuckerungen sind so definiert, dass Fremdhilfe erforderlich ist um diese z.B. durch das Einflößen von zuckerhaltigen Getränken, eine Glukoseinfusion oder anderes zu überwinden. Akut können schwere Unterzuckerungen z.B. mit Bewusstlosigkeit und Krampfanfällen einhergehen und manchmal sogar zum Tode führen. Die Frage ist aber, ob und welcheLangzeitfolgen ein solcher Zustand hat.
In der jetzigen Nachanalyse der Studie ging es darum zu sehen, welche Auswirkungen schwere Unterzuckerungen auf Herzinfarkt, Schlaganfall und Todesfälle haben. Dabei zeigte sich, dass in der Gruppe mit der “scharfen” Diabeteseinstellung in etwa 10 Fällen umgerechnet auf 100 Patienten-Jahre schwere Unterzuckerungen auftraten, während dies in der standardmäßig behandelten Gruppe (mit einem erreichten HbA1c-Wert von 8,4%) nur in knapp 4 Fällen pro 100 Patienten-Jahre auftrat. Ein besonderer Risikofaktor war die anfängliche Insulinbehandlung, eine diabetische Nierenschädigung mit einer erhöhten Eiweißausscheidung im Urin und das Vorliegen einer sog. autonomen Neuropathie. Besonders hoch war das Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall oder Herztod innerhalb von 3 Monaten nach einer schweren Unterzuckerung.
Zusammenfassung und Kommentar: Schwere Unterzuckerungen führen nur selten direkt zum Tode. Die Ergebnisse der hier vorgelegten Analysen zeigen aber, dass innerhalb von 3 Monaten nach einer schweren Unterzuckerung das Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall, kardiovaskulären Tod und auch für allgemeine Sterblichkeit signifikant erhöht ist.Woran dies liegt, ist nicht ganz klar. Ein Grund dafür dürften die durch eine schwere Unterzuckerung ausgelösten EKG-Veränderungen und Herzrhythmusstörungen sein. Als weiterer Grund ist die durch solche Unterzuckerungen ausgelöste vermehrte Gerinnbarkeit des Blutes mit nachfolgenden Herz-Kreislaufkomplikationen anzuführen. Möglicherweise sind schwere Unterzuckerungen auch nur die Spitze des Eisbergs, dem einige leichte Unterzuckerungen vorausgegangen sind, so dass die Wahrnehmung für zu tiefe Blutzuckerwerte schon gestört war. Die Konsequenz der hier vorgelegten Studienergebnisse ist eindeutig: Schwere Unterzuckerungen müssen durch eine angemessene Therapie unbedingt vermieden werden.
Autor: Prof. Dr. med. W.A. Scherbaum
Quellen:
Davis SN, Duckworth W, Emanuele N, et al. Effects of severe hypoglycemia on cardiovascular outcomes and death in the Veterans Affairs Diabetes Trial. Diabetes Care 2019; 42 (1): 157-163