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VADT-Studie: Blutzuckersenkung allein reicht nicht aus

21.01.2009 Ob und in welchem Ausmaß die Blutzuckersenkung beim Typ 2 Diabetes auch das erhöhte Herzkreislaufrisiko günstig beeinflussen kann, war in der Vergangenheit umstritten. Nach ACCORD und ADVANCE wurde jetzt im ‚New England Journal of Medicine’ eine weitere Untersuchung veröffentlicht, die einen solchen Einfluss ebenfalls in Frage stellt: Die VADT-Studie.

Die großen Studien ACCORD und ADVANCE hatten in der Vergangenheit bei Patienten mit Typ 2 Diabetes geprüft, ob eine intensivierte – d. h. eine besonders „strenge“ – Blutzuckereinstellung gegenüber einer Standardbehandlung vorteilhafter ist (wir berichteten). In beiden Untersuchungen zeigte sich unter der intensivierten Blutzuckereinstellung ein leichter Trend zu weniger Herzkreislaufereignissen wie Herzinfarkt, Schlaganfall und Herzkreislauftod, der jedoch keine statistische Signifikanz erreichte. Hingegen bestätigte die ADVANCE-Studie, dass Patienten vor allem im Hinblick auf die häufige Folgekomplikation der diabetischen Nierenerkrankung (= Nephropathie)  von einer strengen Blutzuckerkontrolle profitieren. Ermutigender waren in diesem Jahr die 10-Jahresergebnisse der UKPDS-Nachbeobachtungsstudie: Hier zeigte sich, dass die intensive Blutzuckersenkung zum frühestmöglichen Zeitpunkt offenbar einen anhaltenden Effekt hat: Über einen Zeitraum von mehr als 16 Jahren ließen sich sowohl Herzkreislaufereignisse als auch die Gesamtsterblichkeit senken. Bei diesen Ergebnissen ist allerdings zu bedenken, dass sich die Studienteilnehmer bereits sehr frühzeitig nach Diagnose der Typ 2 Diabeteserkrankung einer strengen Blutzuckerkontrolle unterzogen hatten.

Die VADT-Studie (Veterans Affairs Diabetes Trial) mit ähnlicher Fragestellung wie bei ACCORD und ADVANCE liefert nun weitere Ergebnisse. An der Untersuchung nahmen 1.791 US-Veteranen (1.739 Männer und 52 Frauen) mit einem unzureichend eingestellten Typ 2 Diabetes teil (mittlerer Ausgangs-HbA1c: 9,4%). Das Durchschnittsalter zu Studienbeginn betrug 60,4 Jahre und die Diabeteserkrankung war im Mittel seit 11,5 Jahren bekannt. Rund 40 Prozent der Patienten wies bereits ein Herzkreislaufereignis in der Krankengeschichte auf.

Die Studienteilnehmer wurden in zwei Gruppen aufgeteilt: Eine intensivierte Gruppe mit strenger Blutzuckereinstellung und eine Standard-Gruppe, in der höhere HbA1c-Werte „erlaubt“ waren. Beide Gruppen erhielten eine kombinierte antidiabetische Behandlung mit Metformin plus Rosiglitazon (bei BMI > 27 kg/m2) oder Glimepirid plus Rosiglitazon (bei BMI < 27 kg/m2). Während in der intensivierten Gruppe maximale Medikamentendosen verabreicht wurden, erhielt die Standard-Gruppe „nur“ halb-maximale Dosen. Wurden die angestrebten HbA1c-Zielwerte nicht erreicht (intensivierte Gruppe: < 6,0%; Standard-Gruppe: < 9,0%) war auch eine Behandlung mit Insulin möglich.

Die ERGEBNISSE: Während der Beobachtungsdauer von im Median 5,6 Jahren ging der HbA1c-Wert in der intensivierten Gruppe von durchschnittlich 9,4 auf 6,9% zurück. In der Standard-Gruppe  wurde der HbA1c-Wert auf 8,4% gesenkt. Trotz der besseren Blutzuckereinstellung ließ sich in der intensivierten Gruppe keine deutliche positive Auswirkung auf Herzkreislaufereignisse ableiten: Beim primären Endpunkt* zeigte sich nur ein ganz schwacher, statistisch nicht signifikanter Trend für eine Verringerung der Ereignisrate. Im Hinblick auf die Herzkreislaufsterblichkeit und die Gesamtsterblichkeit wiesen beide Gruppen ebenfalls keine wesentlichen Unterschiede auf. Was etwas überraschte, waren die Ergebnisse zum sekundären Endpunkt**, der auch den Einfluss auf mikrovaskuläre Komplikationen wie Retinopathie, Nephropathie und Neuropathie untersucht hatte. Hier ergab sich lediglich bei der diabetischen Nephropathie ein deutlicher Vorteil für die intensivierte Gruppe: Die Albumin-Ausscheidung im Urin als wichtiger Krankheitsindikator nahm im Vergleich zur Standard-Gruppe weniger stark zu (p = 0,05). Ein weiterer wichtiger Unterschied zeigte sich bei der Nebenwirkung Hypoglykämie, die in der intensivierten Gruppe deutlich häufiger auftrat (p < 0,001).

* Primärer Endpunkt = Zeit bis zum Auftreten von Herzinfarkt, Schlaganfall, kardiovaskulärer Tod, chirurgische kardiale Intervention oder nicht operable KHK, pAVK oder Amputation
** Sekundärer Endpunkt = Zeit bis zum Auftreten weiterer kardiovaskulärer Endpunkte oder mikrovaskulärer Komplikationen (Retinopathie, Nephropathie, Neuropathie)

FAZIT: Auch die Ergebnisse der VADT-Studie weisen darauf hin, dass eine möglichst optimale Blutzuckereinstellung beim Typ 2 Diabetes wichtig ist, aber nicht ausreicht. Um das meist gleichzeitig erhöhte Herzkreislaufrisiko in den Griff zu bekommen, ist die Kontrolle und ggf. Behandlung möglichst vieler Risikofaktoren notwendig. Hierzu gehören zum Beispiel auch der Bluthochdruck, Übergewicht (v. a. im Bauchbereich), eine verstärkte Blutgerinnungsneigung und ungünstige Fettwerte.   

 

Dr. med. Anja Lütke, freie Mitarbeiterin von Diabetes-Deutschland.de

Quelle: Duckworth W, Abraira C, Moritz T et al. Glucose Control and Vascular Complications in Veterans with Type 2 Diabetes. NEJM 2008; epub ahead of print, doi: 10.1056/NEJMoa0808431

Hier geht es zum Experten-Kommentar (Prof. Dr. Helmut Schatz, Bochum)


 

 

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