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Eine erste Studie im New England J. of Medicine im Jahr 2001 von van den Berghe zeigte durch Erreichen einer strikten Normoglykämie eine signifikante Reduktion der Mortalität bei chirurgischen Intensivpatienten (ca. 4% absolute Risikoreduktion). Diese Studie fand weltweit Beachtung und auch dahingehend Anerkennung, dass auf nicht wenigen Intensivstationen das strikte Blutzuckersenkungsprotokoll von van den Berghe umgesetzt wurde.
In den letzten Jahren sind nun einige Arbeiten zu diesem Thema mit teilweise abweichenden Ergebnissen erschienen. Die Daten werden insgesamt bis heute kontrovers diskutiert. Befürworter einer strikten Normoglykämie auf Intensivstation dürften aber spätestens jetzt mit Publikation der NICE-SUGAR Studie aufgerufen sein, ihr Konzept kritisch zu überdenken.
NICE-SUGAR, eine Multicenter-Studie mit einer sehr großen Zahl chirurgischer und konservativer Intensivpatienten, hat durch eine strikte Normoglykämie keine Verbesserung sondern sogar eine signifikante Zunahme der Mortalitätsrate (2,6% absolute Zunahme nach insgesamt 90 Tagen) ergeben. Wie nicht anders zu erwarten, lag auch die Rate an schweren Hypoglykämien bei striktem Normoglykämieziel deutlich höher als in der Kontrollgruppe (6,8% vs. 0,5%). Weitere Nachuntersuchungen zur NICE-SUGAR Studie werden hoffentlich klären, ob Hypoglykämien an der erhöhten Sterblichkeit mitbeteiligt sind. Die Ergebnisse aus anderen Studien wie ACCORD und VADT lassen diese Vermutung zumindest zu.
Zusammengefasst sollte man aufgrund der derzeitigen Datenlage von dem Ziel einer strikten Normoglykämie bei Patienten auf Intensivstation abweichen zugunsten einer moderateren Blutzuckersenkung (130 bis 150 mg/dl).
Frau Prof. Dr. Monika Kellerer ist Ärztliche Direktorin und Leiterin des Zentrums für Innere Medizin I, Marienhospital Stuttgart
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